Alles schon einmal da gewesen?

Die höchst desolate Finanzlage der öffentlichen Hände Griechenlands ist seit vielen Monaten in aller Munde. Aber ist das alles für dieses Land so völlig neu? Johannes Engels begab sich auf eine historische Entdeckungsreise.


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otto i. von griechenland

Otto I. aus dem bayerischen Hause Wittelsbach wurde 1832 König des unabhängig gewordenen Griechenlands, aber er erbte vor allem Ruinen und einen großen Berg von Schulden.

Wer dachte bis vor wenigen Jahren beim Begriff „Griechenland“ nicht an schönen Urlaub mit viel Sonne, Erholung, hiesigem Wein und vielleicht auch daran, dass das Land unbestritten zu den kulturellen Ursprüngen unseres Planeten gehört?

Heute ist der deutsche Steuerzahler nunmehr überhaupt nicht mehr verzückt, wenn ihn das Thema Griechenland – und alles was ihn daran erinnern könnte – erreicht. Dabei ist die Situation, dass Griechenland mit massivsten wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat, keineswegs neu. Dies kann man feststellen, wenn man allein nur die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte gedanklich Revue passieren lässt.

Die Bürde der Unabhängigkeit

Griechenland erlangte, nach fast vier Jahrhunderten unter osmanischer Verwaltung, Anno 1830 die Unabhängigkeit zurück. Dies wurde vor allem in der politischen und akademischen Öffentlichkeit in Europa geradezu enthusiastisch gefeiert. In vielen Ländern Mittel- und Westeuropas gab es seinerzeit regelrecht Griechenlandklubs; das nunmehr neue Land konnte sich eines guten Zuspruchs auf internationaler Ebene erst einmal ganz sicher sein. Errichtet wurde das Land in der Regierungsform einer Monarchie, der König kam zunächst aus dem bayerischen Hause Wittelsbach – Otto I. Im Zeitverlauf wurde auch ein Parlament eingerichtet, welches sich jedoch im 19. Jahrhundert durch lang anhaltende Streitereien und Uneinigkeiten auszeichnete. Faktisch handelte es sich für viele Jahrzehnte hindurch um eine Zwei-Parteien-Demokratie. Trotz der anfänglichen Vorschusslorbeeren gelang es dem Land aber nicht, nachhaltig stabile politische Verhältnisse zu erreichen (vgl. Gunnar Hering: „Die politischen Parteien in Griechenland, 1821–1936“, Band 1, München, 1992).

Griechenland war nämlich nach dem unmittelbar vorangegangenen Befreiungskrieg stark entvölkert, Abgaben und Steuern der Osmanen hatten die Wirtschaft bis dahin stark gelähmt. Strukturell nachteilig war außerdem, dass sich die landwirtschaftliche Fläche zumeist in den Händen von nur wenigen Großgrundbesitzern befand. Mit der Staatsgründung wurde für Griechenland von den Garantiemächten Frankreich, Großbritannien und Russland eine Anleihe von sechzig Mio. Franken (Goldstandard der Lateinischen Münzunion unter der Führung Frankreichs) aufgelegt, von denen aber nur drei Viertel tatsächlich gezahlt wurden und – darüber hinaus – zwölf Mio. Franken als Geldentschädigung an das Osmanische Reich gezahlt werden mussten. Bis 1835 stieg das Defizit des Staates kontinuierlich an, 1840 gelang es erstmals einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und mit der Rückzahlung des angehäuften Defizits zu beginnen (vgl. Johann Georg August Galletti, Johann Günther Friedrich Cannabich, Hermann Meynert: „Allgemeine Weltkunde“).

Hauptgläubiger waren der britische Staat und die Rothschild Bank in London. Das gab Großbritannien ein bedeutendes Druckmittel gegen eine eigenständige griechische Politik.
Zugleich war das Investitionsprogramm des ersten Königs des Landes sehr ambitioniert; er wurde dabei finanziell durch griechische Mäzene im Ausland und auch von Seiten seines Vaters, König Ludwig von Bayern, als Bürgen unterstützt. Zahlreiche Projekte waren sehr langfristig ausgelegt und entfalteten erst Jahrzehnte später ihre Wirkung, wie beispielsweise Investitionen im Bildungswesen. Die angespannte wirtschaftliche und finanzielle Situation des Landes bereitete naturgemäß den Boden für oppositionelle Kräfte. Wie fragil die politische Lage im ganzen 19. Jahrhundert blieb, zeigt, dass Gouverneur Kapodistrios bereits ein Jahr nach der offiziellen Staatsgründung ermordet wurde. 1862 wurde dann König Otto I. gestürzt. Griechenland wurde zunehmend zum Spielball ausländischer Interessen (vgl. Karl Dickkopf: „Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre“, Frankfurt/ M., 2001).

Wirtschaftliche Schwäche

1875 war das kleine Südbalkanland (das sich erst 1881 bis Thessalien und zur Olymp-Grenze ausdehnte) nach westeuropäischen Maßstäben immer noch ein Ort wirtschaftlicher Unterentwicklung. Die einzige Eisenbahnlinie war die nur neun Kilometer lange Strecke von Athen nach Piräus. Im ganzen Land gab es kaum einhundert mit Dampfkraft betriebene Fabriken. Von den damals 1,7 Mio. Einwohnern waren fast die Hälfte Bauern und ein Zehntel Handwerker. Die Arbeiter machten dagegen nur 4 % aus, kaum mehr als die nur 3,5 % Kaufleute. Das dominierende Element in den Städten waren Freiberufler wie Ärzte und Rechtsanwälte, die fast ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung stellten. Schon dieses Klassenprofil spiegelt den unproduktiven Charakter der damaligen Gesellschaft wider. Die griechischen Importe übertrafen die Exporte um rund 60 %, das Land war damit auch damals schon chronisch verschuldet.

Das Königreich hatte bis Mitte der 1870er Jahre als nicht kreditwürdig gegolten, weil es die Kredite von den bereits erwähnten 60 Millionen Goldfranken, die es bei seiner Gründung 1830 von den europäischen Patenmächten bekommen hatte, nie zurückzahlen konnte. 1868 trat Griechenland formell der Lateinischen Münzunion bei, und 1879 einigte sich das Land mit den Gläubigern auf eine Umschuldung – dies mittels einer neuen Anleihe, die der Modernisierung des Landes dienen sollte. Diese Anleihebegebung wurde in Griechenland fortan „Epoche des Kapitals“ genannt. Besichert wurden die Fremdgelder mit Steuereinnahmen für Güter des griechischen Alltagsbedarfs wie Salz, Zigarettenpapier, Streichhölzer, Spielkarten und Lampenöl. Für den Schuldendienst waren zunächst nur 15 % der jährlichen Staatseinnahmen fällig. Doch dann folgten binnen 12 Jahren sechs weitere Anleihen, die sich zu einem Volumen von 630 Millionen Golddrachmen summierten; jetzt also mehr als zehnmal so viel wie im Jahrzehnt zuvor. Damit wuchs auch der Schuldendienst, und zwar bis 1891 auf fast vierzig Prozent der Staatseinnahmen (vgl. „Die Epoche des Kapitals“, in: Berliner Zeitung, Ausgabe vom 13. Juli 2011).

Der erste Staatsbankrott

So nimmt es nicht wunder, dass das Land in eine immer größere ökonomische Abhängigkeit geriet, die in einer ersten Staatspleite zu Ende dieses Jahrhunderts gipfelte. Letztlich brachte ein Preisverfall bei Agrarprodukten (und damit von den damals wesentlichen Exportgütern Griechenlands) das berühmte Fass endgültig zum Überlaufen. Die Ursachen und Folgen von Griechenlands erstem Staatsbankrott per Ende 1893 und spätere Turbulenzen in der Lateinischen Münzunion haben erstaunliche Parallelen in der Gegenwart.

Dies zeigte sich sehr deutlich im Zuge der Idee, erstmals wieder Olympische Spiele stattfinden zu lassen. Natürlich war klar, dass diese im Ursprungsland durchgeführt werden sollten. Zieldatum der ersten Olympischen Spiele der Moderne: 1896; Zielort: Athen. Als Baron Pierre de Coubertin aber im Herbst 1894 in Piräus eintraf, um mit Regierungschef Charilaos Trikoupis über sein Vorhaben zu sprechen, erlebte der erste Präsident des Internationalen Olympischen Komitees eine böse Überraschung: Staatschef Trikoupis ließ nämlich am selben Tag verkünden, dass seine Regierung die Spiele nicht unterstützen werde, weil sie den damit verbundenen Geldverpflichtungen nicht nachkommen könne. Stattdessen wurde dem französischen Baron angeraten, die Spiele in Paris auszutragen. Die Absage hatte einen durchschlagenden Grund: Der griechische Staat war bereits seit Monaten pleite. Der griechische Premier konnte es sich ganz einfach nicht leisten, die ausländischen Gläubiger zu erzürnen, denen man seit Ende 1893 keine Zinsen mehr auf griechische Staatsanleihen zahlte. Als die Spiele 18 Monate später doch in Athen stattfanden, war dies reichen Griechen aus dem Königreich und der griechischen Diaspora (vor allem in Istanbul, Smyrna und Alexandria) zu verdanken, die das patriotische Unternehmen finanzierten. Dass private Sponsoren für den bankrotten Staat einspringen mussten, bildete die damaligen Verhältnisse treffend ab. Die Diskrepanz zwischen öffentlicher Armut und privatem Reichtum ist für die „politische Ökonomie“ Griechenlands ein prägendes Merkmal geblieben, bis heute.

1897 verlor Griechenland den seinerzeit so bezeichneten „30-Tage-Krieg“ gegen das Osmanische Reich, was die bis dahin ausgiebig betriebene Politik der militärischen Aufrüstung ad absurdum führte. Griechenland musste den Osmanen eine Kriegsentschädigung zahlen, die eine neue Anleihe nötig machte. Und jetzt konnten die europäischen Anleger durchsetzen, was ihnen Premier Trikoupis wenige Jahre zuvor noch verweigert hatte: eine „Internationale Finanzkommission“ (IFK), die faktisch die griechischen Staatseinnahmen kontrollierte. Parallel dazu wurde die staatliche Monopolverwaltung in eine „Gesellschaft zur Verwaltung der öffentlichen Schulden“ umgewandelt. Damit waren die Staatseinnahmen quasi an die IFK verpfändet. Dass das Königreich seine finanzielle Souveränität einbüßte, war die späte, aber logische Folge des Staatsbankrotts vom Dezember 1893 (vgl. Niels Kadritzke, Michalis Psalidopoulos: „Chronisch verschuldet“ in: Frankfurter Rundschau).

Griechenland und die Währungsunion

Das folgende 20.Jahrhundert sollte dem Land bzgl. wirtschaftlicher und politischer Turbulenzen keine Besserungen zeitigen, auch wenn – aus politischen Gründen – die Länder Frankreich, Italien, Belgien und die Schweiz das chronisch instabile Land im bereits erwähnten Jahre 1868 in die Lateinische Münzunion einbanden. Anders als bei der Einführung des Euro gab es bei der einige Jahre zuvor gegründeten Währungsunion keine Aufnahmebedingungen. Das Prinzip dieser Münzunion ähnelte dem des heutigen Euro-Raumes: Alle Länder prägten Münzen (und zwar auch in Gold und Silber) mit eigenen Währungsbezeichnungen – französischer und belgischer Franc, schweizerische Franken, italienische Lira und eben auch die griechische Drachme. Sie hatten allesamt exakt den gleichen Durchmesser und hatten vor allem ein vertraglich festgelegtes Gewicht aus 835er Silber bzw. 900er Gold. Man verpflichtete sich zur gegenseitigen Annahme der Münzen. Weil deren Nennwert dem Metallwert in Gold entsprach, waren sie ein bestens bewährtes und akzeptiertes Zahlungsmittel in den genannten Partnerländern. Auch außerhalb dieses Währungsraumes erfreute sich das „lateinische“ Geld großer Beliebtheit. Länder wie Spanien, die meisten anderen Balkan-Staaten oder auch die k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarn lehnten sich an dieses System stark an.

Doch beim Geld hörte auch damals schon die Freundschaft auf: Die notorisch klammen Länder Italien und Griechenland nahmen die Vorgaben nicht immer ganz so genau: Sie veränderten Gewichtsanteile und begannen, zusätzlich das damals relativ neue Papiergeld in ihren Ländern einzuführen. Ihren Bürgern, die aus den anderen Ländern der Union mit Gold- und Silbermünzen nach Hause zurückkehrten, gaben diese beiden Staaten im Tausch immer mehr Papiergeld. Das galt zwar nur im eigenen Land, der Münzunion wurden so aber wertvolle Gold- und Silbermünzen entzogen.

Vierzig Jahre nach dem Beitritt, nämlich 1908, hatten die Länder der Münzunion schließlich genug: Sie warfen Griechenland förmlich hinaus, griechisches Geld galt fortan nur noch in Griechenland. Die Mitgliedsländer zogen die noch kursierenden griechischen Münzen aus dem Geldkreislauf heraus und schickten sie nach Athen. Verbliebene Restbestände wurden später eingeschmolzen. Derweil zeichnete sich das Land am Vorabend des Ersten Weltkriegs unverändert auch durch eine fortgesetzte politische Instabilität aus: 1913 wurde König Georg I. ermordet.

Der Erste Weltkrieg brachte nicht nur Unheil und Verderben über die Krieg führenden Staaten Eu-ropas, sondern dieses fürchterliche Ereignis zog auch die umliegenden Länder in arge Mitleidenschaft. Gradmesser dafür ist nicht zuletzt, dass im Jahr 1917 König Konstantin I. und sieben Jahre später König Georg II. abdanken mussten. Nach letzterer Abdankung erlebte Griechenland dann ein etwa zehnjähriges Intermezzo als Republik.

Natürlich hatte Griechenland, dessen Währung in den 1920er Jahren nur noch etwa ein Zehntel des Vorkriegswertes innehatte, auch unter den Auswirkungen des dann folgenden Zweiten Welt-kriegs stark zu leiden. So kam es in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre zu einem mehrjährigen, bürgerkriegsähnlichen Zustand, der durch kommunistische Partisanen nachhaltig angezettelt wurde. Die Folge war eine geradezu desaströse Wirtschafts- und Währungsentwicklung, denn die griechische Banknotenpresse arbeitete bis zum Währungsschnitt anno 1954 auf Hochtouren. Am Ende dieser Hyperinflation wurden zuletzt 1000 alte Drachmen gegen eine neue Drachme getauscht; zugleich koppelte man die Währung an den US-Dollar. Wenigstens hatte sich der Staat somit alle seiner Binnenschulden weitgehend entledigt (vgl. Elektronische Netzseite der Bank von Griechenland).

Im Sog des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs der 1950er und 1960er Jahre gelang auch in Griechenland eine allmähliche ökonomische Konsolidierung, wobei das Land als beliebtes touristisches Ziel im östlichen Mittelmeer zunehmend entdeckt wurde. Nun trat neben den Export von weiterhin vornehmlich landwirtschaftlichen Gütern auch der Dienstleistungsbereich des Tourismus. Außerdem begann Griechenland vom gezielten Anwerben von Gastarbeitern (vor allem nach Westdeutschland) zu profitieren, denn dieser Arbeitskräfteexport entspannte nicht nur den hiesigen Arbeitsmarkt, sondern verbesserte durch die damit folgenden Geldtransfers jener Arbeitskräfte ins griechische Heimatland auch die dortige Dienstleistungsbilanz.

Auf dem Weg nach Europa

Der erste und der zweite Ölschock zur Mitte bzw. am Ende der 1970er Jahre verschlechterten die wirtschaftliche Lage in Griechenland deutlich. Einerseits bremsten beide Schocks zeitweilig den touristischen Zustrom, und infolge des westdeutschen Anwerbestopps ließen sich griechische Arbeitskräfte nicht mehr so einfach im bis dahin gewohnten Umfang wegexportieren. Zur Behebung setzte man nicht zuletzt auf das vermehrte Drucken von Geld bzw. verstärkte öffentliche Verschuldung. Da kam es schon recht, dass 1981 Griechenland der Europäischen Gemeinschaft beitreten konnte. Schließlich führte und führt dies zu einem großen Geldsegen aus Brüssel, der sich inzwischen schon auf über € 6 Mrd. jährlich beläuft; im Vergleich dazu zahlt Deutschland über € 11 Mrd. p.a. ein (vgl. elektronische Netzseite EUROSTAT). Dies erleichterte auch die Finanzierung des großen Vorhabens, nämlich um 1982 die Leichtathletik- Europameisterschaften im Lande austragen zu können. Mit den großzügigen Nettogeldtransfers aus Brüssel im Rücken ließ man es im öffentlichen Sektor in den folgenden Jahrzehnten recht opulent zugehen: neben einem dreizehnten und einem vierzehnten Monatsgehalt blähte man den Beschäftigtenanteil des öffentlichen Dienstes auf über ein Drittel im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigtenzahl auf und auch an der Üblichkeit, bereits mit Mitte Fünfzig in den Ruhestand gehen zu können, ließ man es nicht fehlen (vgl. Corinna Jessen: „Ein Land in Ketten“, in: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 5. Mai 2010). Nicht zuletzt deswegen stieg die Verschuldung des öffentlichen Sektors von 1999 bis 2010 von € 152 Mrd. auf € 330 Mrd. kontinuierlich an. (vgl. „Schuldenkrise: Die fatalen Folgen der Euroeinführung“, in: Focus Online. 28. März 2011).

Vor diesem Hintergrund war es Ende der 1990er Jahre nicht sonderlich überraschend, dass man Griechenland als nicht beitrittsreif für den Eurowährungsverbund wertete. Doch das Land wusste sich rasch zu helfen: was man bei natürlichen Personen üblicherweise unter den Straftatbestand der Urkundenfälschung einordnen würde, geschah von dort aus in einer bis heute völlig ungesühnten Weise. Zahlen, die mit Blick auf den ersehnten Währungsbeitritt nicht stimmten, wurden eben für dieses Ziel stimmig gemacht. Auch die seinerzeitige deutsche Bundesregierung war sehr beeindruckt von der dargetanen griechischen Performance, und ein Beitritt wurde geradezu wärmstens von dieser begrüßt (vgl. Autorenkollektiv: „So winkte die EU den Euro für die Griechen durch“ in Bild-Zeitung, Ausgabe vom 31. Oktober 2011).

Scheinblüte durch den Euro

Neben dem Status als Mitglied der Europäischen Union nunmehr auch noch den Eurowährungsmit-gliedsstatus nachweisen könnend, erwiesen sich griechische Anleihen als weltweit problemlos plazierbar, womit denn auch finanzielle Mammutprojekte wie die Olympischen Spiele von Athen 2004 zunächst einmal auf dem Darlehensweg dargestellt werden konnten (vgl. „Olympische Spiele, für immer in der Schweiz“, in: Zeit Online).

Kurz zuvor gewann man zudem, ebenfalls schon viel beachtet, die Fußballeuropameisterschaft. Griechenland, das Erfolgsmodell: diese glückliche Wahrnehmung währte ziemlich genau ein halbes Jahrzehnt lang; dann war der schöne Traum ausgeträumt. Denn im Verlauf des Jahres 2009 verdunkelte sich der Horizont zusehends – dies zeigten die immer massiveren Sozialproteste, die bereits vor dem offenen Erkennenmüssen der drohenden Staatspleite schon manifest wurden (vgl. Christiane Schlötzer-Scotland: „Die griechische Wut“, in: Südosteuropa-Mitteilungen, Ausgabe 01/ 2009).

Die anschließende Entwicklung dieses Trauerspiels ist hinlänglich bekannt und die eingangs erwähnte wohlig-verzaubernde Assoziation beim Stichwort Griechenland dürfte zumindest dem deutschen Steuerzahler gründlich vergangen sein. Zusammenfassend ist dennoch festzustellen, dass dem Land eine bewundernde Assoziation einfach nicht abgesprochen werden kann. Wer es geschafft hat, völlig unbemerkt der Expertenwelt geschönte Zahlen aufzutischen, wer völlig problemlos und ungestört Kredite schöpfen kann, die im Volumen das Eineinhalbfache der eigenen Wirtschaftsleistung bzw. der Jahreseinnahmen übersteigen und dem man am Ende dieses Unterfangens wegen Überschuldung € 137 Mrd. zu erlassen bereit ist (diese Summe kann somit als nachträgliches Geschenk angesehen werden – bei Privatpersonen käme dies vergleichsweise ca. 1,5 Jahresgehältern gleich), der verdient einfach alle Achtung. Dies mache man den Griechen doch erst einmal nach!

Will man aber kein weiteres „da capo“ dieser Art, will man also aus dem wiederholt Geschehenen ganz einfach lernen, sollte man das bereits zuvor Erwähnte beherzigen: Wer wirtschaftlich und politisch zusammengehören will, braucht klare Regeln und notwendigerweise auch harte Strafen bei Verstößen. Man muss natürlich auch in der Lage sein, die Regeln der Realität anzupassen.


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Johannes Engels

geb. 1958, Dr. rer. pol., VDSt Köln.

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