Always Look on the Bright Side of Life

Jedes Jahr zur Adventszeit ist es wieder soweit: Moses führt die Israeliten ins gelobte Land, König Salomon fällt sein berühmtes Urteil, Jesus stirbt am Kreuz – und das gleich mehrfach. Monumentalfilme wie „Die zehn Gebote“ (Cecil B. DeMille 1956), „Salomon und die Königin von Saba“ (King Vidor 1959) sowie zahlreiche Werke über das Leben und Wirken des christlichen Heilands bringen biblische Inhalte auf den Fernsehschirm. Besonders die Programmredaktionen kleiner Sender wie Tele 5, Kabeleins oder RTL 2 greifen immer wieder gerne auf die Garanten solider Einschaltquoten zurück. Doch sind die so genannten „Bibelschinken“ die einzigen filmischen Auseinandersetzungen mit dem Christentum?


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Ein Blick in die Filmgeschichte zeigt: Seit Anbeginn der Kinematografie waren die Filmemacher fasziniert von biblischen Geschichten. Schon 1905 verfilmten Lucien Nonguet und Ferdinand Zecca „La Vie et la passion de Jésus Christ“ – das Medium Film war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zehn Jahre alt. Die Verarbeitung des wohl wichtigsten Stoffes der christlich-abendländischen Kultur adelte das junge Medium zur Kunstform. Wie zuvor in der Malerei und der klassischen Musik – man denke nur an da Vincis „Letztes Abendmahl“ und Händels „Messias“ – wurde der Lebensweg Christi stetig neu interpretiert: Auf den abendfüllenden Stummfilm „König der Könige“ (Cecil B. DeMille 1927) folgten in der Ära des Ton- und Farbfilms die bedächtig-feierliche Produktion „Die größte Geschichte aller Zeiten“ (George Stevens 1965) und Anfang des 21. Jahrhunderts die äußerst blutige, auf Realismus ausgerichtete „Passion Christi“ (Mel Gibson 2004) – nur um eine kleine Auswahl zu nennen. Besonders das fantastische Element der biblischen Mythen findet im Film seinen gültigen – weil durch das Bild beglaubigten – Ausdruck. Die in der biblischen Textform schwerlich als historische Vergangenheit rezipierbaren Geschehnisse werden in „filmische Realität“ übersetzt – „Das Kino schafft für unsere Augen eine Welt nach unseren Wünschen“, wie der berühmte Filmtheoretiker André Bazin treffend feststellte. Die Evidenz des bewegten Bildes, die Chance des „realistischen Miterlebens“ der größten Geschichte aller Zeiten macht dabei den Reiz der oftmals als „Bibelschinken“ geschmähten Filme aus. Das Kino, das bestimmende Unterhaltungsmedium des zwanzigsten Jahrhunderts, schlägt damit eine Brücke zu den identitätsbildenden Ursprüngen der abendländischen Kultur. Doch nicht nur Jesus Christus, auch andere biblische Gestalten und bekannte historische Persönlichkeiten werden in Form von so genannten „Bio-Pics“ immer wieder auf die große Leinwand gebracht.

Von Kreuzzügen und dem Heiligen Gral

Eine weitere Spielart des Verhältnisses von Religion und Unterhaltung repräsentieren Filme, die eine Vermischung mythologischer Elemente mit historischen Begebenheiten vornehmen. So verknüpft John Boormans „Excalibur“ (1981) die Artus-Sage mit dem Aufkommen des Christentums in Europa. Die historisch belegte Verdrängung heidnischer Naturreligionen wird mit dem Mythos des Heiligen Grals in Zusammenhang gebracht. Der Siegeszug des Christentums in Europa erscheint demzufolge als determinierte Zeitenwende.

Auch der moderne Filmheld Indiana Jones kommt im dritten Teil von Steven Spielbergs bekannter Trilogie, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989), mit dem berühmten Trinkgefäß Jesu in Kontakt: Nach einer turbulenten Jagd gelingt es Indy, seinen schwer verletzten Vater mit Hilfe des Grals zu heilen und die einzigartige Reliquie vor dem machtbesessenen Millionär Donovan zu beschützen. Wie sein Pendant im ersten Teil, „Jäger des verlorenen Schatzes“ (Steven Spielberg 1981), greift Indys Konkurrent auf SS-Soldaten zur Sicherung seiner Pläne zurück. Doch der Held kann sich in beiden Fällen auf göttliche Schützenhilfe verlassen: Der in Teil 1 geraubten Bundeslade, die der Sage zufolge die Steintafeln mit den Zehn Geboten beinhaltet, entweichen bei ihrer Öffnung Blitze und geisterhafte Wesen, die Indys Widersacher vernichten. Und auch Donovan im zweiten Teil ergeht es nicht besser: In Anbetracht einer Vielzahl von Trinkgefäßen in der geheimen Gralskammer wählt er kurzerhand das prachtvollste aus. Doch statt ihm ewiges Leben und unendliche Macht zu bescheren, lässt ihn der Schluck aus dem Gral in Sekundenschnelle altern und zu Staub zerfallen. Indy hingegen wählt das unscheinbarste Gefäß, den Becher eines Zimmermanns, und hält den wahren Gral in den Händen. Während also Todsünden wie Habgier und Hochmut eine klare Absage erfahren, werden Werte wie Nächstenliebe und Mäßigung betont. Nicht also die Reproduktion biblischer Geschichten, sondern die Bekräftigung der Bedeutung christlicher Werte stellt den Bezug der Filme zur Religion dar.

Moderne Erlöserfiguren

Das im Film am weitesten verbreitete, an die Lehren des Christentums angelehnte Element ist jedoch das dramaturgische Konstrukt eines Erlösermythos. Der auf einem Roman von Stephen King basierende Film „The Green Mile“ (Frank Darabont 1999) handelt von dem sanftmütigen, riesenhaften Farbigen John Coffee, der im Todestrakt eines amerikanischen Gefängnisses einsitzt. Zu Unrecht des Mordes beschuldigt, vollbringt der engelsgleiche Häftling vor seiner Hinrichtung noch mehrere Wunder – so heilt er beispielsweise die schwer krebskranke Frau eines Wärters. Obwohl „The Green Mile“ den Rassenhass in den USA der vierziger Jahre scharf anklagt, lehrt der Film gleichzeitig Vergebung. Der Tod John Coffees rückt ihn in die Richtung einer Erlöserfigur – der Tod am Kreuz wurde lediglich durch die zeitgemäße Art der Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl ersetzt.

Die als Familienfilm konzipierte Narnia-Reihe geht da noch einen Schritt weiter: Nachdem der unschwer als Jesus-Figur zu erkennende Löwe Aslan sich im ersten Teil, „Der König von Narnia“ (Andrew Adamson 2005), für die Erhaltung des Königreichs opfert und stirbt, folgt im zweiten Teil, „Prinz Kaspian von Narnia“ (Andrew Adamson 2008), die wundersame Auferstehung. Der kaum zu übersehende missionarische Eifer brachte der Reihe herbe Kritik ein. In der Tat erscheint die Fokussierung auf eine zentrale, unfehlbare Erlöserfigur zumindest bedenklich.

Eine ähnliche Richtung schlägt die Science-Fiction-Trilogie um „Die Matrix“ ein: Während Protagonist Neo im ersten Teil („Die Matrix“, Andy und Larry Wachowski 1999) kaum glauben kann, dass er der „Auserwählte“ sein soll, der die Menschen aus der Versklavung durch die Maschinen retten soll, verfügt er in Teil zwei und drei („Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“, beide 2003) über geradezu göttliche Macht, die ihn sogar befähigt, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Letztlich gelingt Neo die Rettung der Menschheit, indem er sein eigenes Leben opfert – deutlicher kann kaum auf das Neue Testament angespielt werden.

Gute und böse Engel

Auch Engelsgestalten erfreuen sich anhaltender Beliebtheit. Waren die himmlischen Wesen in Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ (1987) noch nachdenkliche Philosophen, betont Brad Silberling in seinem Hollywood-Remake „Stadt der Engel“ (1998) den romantischen Anteil der Geschichte. Einer der Engel verliebt sich und gibt für eine Frau seine Unsterblichkeit auf. Das tragische Ende, die Geliebte stirbt bei einem Unfall, ändert jedoch nichts daran, dass der Film einer Liebeserklärung an die Menschheit gleichkommt. Statt kirchlicher Dogmen stehen christliche Werte wie Nächstenliebe und Opferbereitschaft im Vordergrund.

Weniger friedfertig geht es in dem Actionthriller „Legion“ (Scott Charles Stewart 2010) zu, in dem die himmlischen Heerscharen das Ende der Welt herbeiführen wollen. Nur Erzengel Michael stellt sich auf die Seite der Menschen und versucht den ungeborenen Heiland im Bauch einer Schwangeren zu beschützen. Im Kontrast zum Bösen soll das Gute erkannt und bewahrt werden – eine Konstellation, die auch in Filmen, die finstere Höllenmächte thematisieren, vorherrscht. Wie in der Literatur, man denke allein an Mephistopheles aus Goethes Faust, spielt der Teufel in zahlreichen Filmen eine wichtige Rolle. Ob als riesenhafter Dämon („End of Days“, Peter Hyams 1999), skrupelloser Advokat („Im Auftrag des Teufels“, Taylor Hackford 1997) oder zynischer Spieler („Das Kabinett des Doktor Parnassus“, Terry Gilliam 2009), der Leibhaftige ist omnipräsent. Nur das Befolgen christlich-moralischer Normen kann dem Bösen Einhalt gebieten. Gleichzeitig werden die Fehlbarkeit des Menschen, seine Schwäche und die ewige Versuchung reflektiert. In Ausnahmefällen darf der Höllenfürst sogar gewinnen: Zwar widersteht der junge Anwalt Kevin Lomax am Ende von „Im Auftrag des Teufels“ dem Angebot, durch die erfolgreiche Verteidigung eines Kinderschänders reich und erfolgreich zu werden, doch der Teufel lockt ihn bereits auf eine andere Weise vom „rechten Weg“ ab: In Gestalt eines Reporters bietet er Lomax an, die Aufsehen erregende Niederlegung des Mandats medienwirksam zu vermarkten. Der junge Anwalt kann nicht widerstehen, und mit einem Siegerlächeln spricht der Teufel zu sich selbst: „Eitelkeit, eindeutig meine Lieblingssünde“. Wie in den meisten Filmen mit zum Teil christlicher Thematik werden jedoch auch hier die verhandelten Normen letztlich bekräftigt, schließlich mahnt das sarkastisch gestaltete Finale zur ständigen Wachsamkeit vor den Mächten des Bösen.

Zwischen Satire und Blasphemievorwürfen

Selbst Komödien beinhalten immer wieder biblische oder glaubensbezogene Motive. So zeigt der Film „Bruce Allmächtig“ (Tom Shadyac 2003) auf eine harmlose Weise, zu welch haarsträubend-absurden Situationen es käme, wenn ein amerikanischer Durchschnittsbürger mit göttlichen Mächten ausgestattet würde. Dass die Vergrößerung der Oberweite seiner Freundin jedoch kaum die Probleme der Welt lösen kann, muss Bruce spätestens dann einsehen, als auch die anderen von ihm vorgenommenen „Verbesserungen“ der Welt in Katastrophen münden. Geläutert gibt er die Macht am Ende des Films wieder ab. Gott sein, das ist was für Profis und davon gibt es nur einen, so der Subtext. Die weitgehende Konformität mit den christlichen Lehren bescherte dem Film auch von kirchlicher Seite wohlwollende Anerkennung.

Im Gegensatz dazu rief die Monty-Python-Satire „Das Leben des Brian“ (1979) wütende Proteste hervor. Zur gleichen Zeit wie Jesus – allerdings im Nachbarstall – zur Welt gekommen, wird Brian zeitlebens mit dem Heiland verwechselt. Nach einem missglückten Einbruchsversuch begegnet er sogar Pontius Pilatus, dem er jedoch dank eines Lachkrampfes und des zufälligen Eingriffs Außerirdischer entkommen kann. Um die römischen Wachen abzuschütteln, versucht sich der gebeutelte Antiheld als Prophet. Die auf diese Weise gewonnenen fanatischen Jünger feiern ihn sogar dann noch, als er nach einer Liebesnacht nackt und unwissend die Fensterläden seines Zimmers öffnet. Angelehnt an Monumentalfilme wie „Ben Hur“ (William Wyler 1959), in dem sich der Lebensweg des gleichnamigen Helden immer wieder mit dem des Heilands kreuzt, trifft auch Brian auf Menschen, die dem wahren Gottessohn begegnet sind. Diese sind jedoch nicht immer glücklich über die an ihnen vollbrachten Wunder – so beschwert sich ein ehemals Leprakranker sogar lauthals über den „verdammten Wohltäter“, der ihn durch die Heilung der Krankheit seiner Erwerbsgrundlage beraubt habe. Die größte öffentliche Empörung rief jedoch die Kreuzigungssequenz am Ende des Films hervor. Auch Brian befindet sich unter den Delinquenten. Während einige seiner Leidensgenossen im Laufe des Tages wieder abgenommen werden – eine augenzwinkernde Erklärung für Jesu Auferstehung – bleibt Brian mit einigen anderen Verurteilten zurück. Doch statt Trübsal zu blasen, fordert ihn ein Mitgekreuzigter auf, immer auf die sonnige Seite des Lebens zu blicken, und stimmt ein fröhliches Lied an. Immer mehr der Todgeweihten stimmen in den Chorus ein. Sie singen: „Always Look on the Bright Side of Life“, bis die Kamera in einer Totalen gen Himmel schwenkt. Für viele konservative Gläubige war das zu viel: Wütende Demonstranten verteilten Flugblätter, einige britische Gemeinden erwirkten sogar ein Aufführungsverbot. Dabei war die Kritik kaum gerechtfertigt – keiner der Gags des Films richtet sich explizit gegen christliche Lehren. Stattdessen spiegelte der Film die Borniertheit vieler Bürger, die in ihren wilden Protesten gar nicht merkten, dass sie immer mehr dem in „Das Leben des Brian“ verlachten, religiösen Mob zu gleichen begannen. Trotzdem hatte der Film einen unbezahlbaren Nebeneffekt: Der durch die heiße Auseinandersetzung angestoßene, kritische Dialog über Meinungsfreiheit und Religion war seit Jahrzehnten überfällig.

Quo vadis?

Angesichts der rapide sinkenden Mitgliederzahlen in den großen Kirchen überrascht die noch immer große Zahl kommerzieller Filme mit christlichen Motiven. Doch gerade in Zeiten der Verunsicherung – sei es durch die Finanzkrise oder den anhaltenden Kampf gegen den radikalislamischen Terrorismus – besteht ein großer Bedarf an Halt und Orientierung. Das Kino hinterfragt und reflektiert die Bedeutung der christlichen Werte für unsere heutige Gesellschaft. Dabei wird demonstriert, dass Normen wie Toleranz und Solidarität nicht an feste Glaubenssätze gebunden sind. Vielmehr erweisen sich die christlichen Werte als Grundfesten der westlichen Gesellschaftsordnung. Mit Hilfe von Identifikationsangeboten, Lesarten der Vergangenheit und fiktiven „Was wäre wenn“-Szenarien bietet der Film einen immer neuen Blick auf das Christentum. Und auch die biblischen Wurzeln des Glaubens werden noch immer regelmäßig verhandelt: Die nächste Adventszeit wird kommen.


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Rasmus Greiner

geb. 1983, Dr. phil., Medienwissenschaftler, VDSt Marburg.

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