Bazis

Steuersünder, Balkangeschäfte, merkwürdige Anstellungspraktiken im Landtag: Saubermänner und Sauberfrauen nördlich der Mainlinie blicken wieder einmal mit Spott und Häme auf das Land der Bayern. Zu Unrecht.


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Zugegeben, es hat etwas von schlechtem Kabarett, was in der bayerischen Landespolitik gerade vor sich geht. Amüsant ist es immerhin, aus der Ferne. Eigentlich hatte man freilich vermutet, dass man in München schon weiter sei, dass die Regentschaft des nüchtern-korrekten Edmund Stoiber, des preußischsten aller Bayern mit dem eisernen Besen, ein wenig mehr Tiefenwirkung gehabt hätte. Die hat sie nicht gezeigt oder jedenfalls noch nicht; es sind ja „Altfälle“, von denen wir reden.

„Alt“ heißt: Praktiken aus der Zeit vor dem Jahr 2000, die man mit teils sehr kreativen Übergangsregelungen in die Neuzeit herüberrettete und die noch deutlich älteren Geist atmen. Aus Zeiten, da das München der politischen Strauß-Erben seinen Ruf als Neapel des Nordens sich redlich verdiente, aus dem heraus man später meinte, wegen kultureller Kompatibilität halbseidene Finanzjongleure vom vorderen Balkan als gute Geschäftspartner ansehen zu sollen. „Alt“ heißt: Das ganze Biotop der Landespolitik mit den Mächtigen und ihrem Dunstkreis, im Sport, in der Wirtschaft, in den Kirchen, in dem man auch als Steuerflüchtling brüderliche Aufnahme gefunden zu haben und das so gänzlich noch nicht ausgetrocknet zu sein scheint.

Man bringt dieses mentale Feuchtbiotop – meiden wir das böse Wort Sumpf – immer mit dem Namen Strauß in Verbindung, aber alles auf den großen Mann zu schieben greift zu kurz. Bauernschleue, Bazitum, Gschaftlhuberei wurzeln viel tiefer in der Mentalität, als der Einfluss des Kometen am weiß-blauen Polithimmel, des 1915 als Metzgersohn in München geborenen Übervaters der bayerischen Staatspartei zurückreicht. Katholisch-Konservative haben meist eine latente Nähe zum Mafiösen; die Südeuropäer zeigen es jeden Tag, man kennt es, in schwächerer Ausprägung, auch von Kohl und Adenauer her. Und insoweit Bayern katholisch-konservativ noch ist – es ist es nicht mehr so sehr, fürchte ich – wirkt die Mentalität fort, nicht im Großen, aber in einigen Kleinfällen; denn um Kleinfälle geht es.

Das Maß darf man bei aller Aufregung nicht verlieren. In Rede stehen einige Millionen entgangene Steuereinnahmen bei einem Landeshaushalt von vierzig Milliarden und jeweils einige tausend Euro von Parlamentariern der eigenen Familie auf fragwürdige Weise zugeschobene Staatsmittel. Der Länderfinanzausgleich kostet Bayern jedes Jahr mehr als alle Verfehlungen dieser Sorte über die letzten Jahrzehnte zusammengerechnet. Das Wort von der Bananenrepublik geht deutlich zu weit.

Vor allem aus einem Grunde. Bananenrepubliken zeichnen sich nicht nur durch korrupte Eliten aus; durch sie natürlich auch. Doch das wesentliche am Nepotismus ist nicht, dass einige wenige sich bereichern. Das wesentliche ist, dass das Staatswesen insgesamt darunter leidet. Vernachlässigung von Investitionen in Infrastruktur, Technologie, Bildung; intransparente, schlechte Verwaltung, Pöstchenvergabe in Staat und Privatwirtschaft nach Gefälligkeit statt nach Qualifikation. Wer echte Bananenrepubliken in Augenschein nehmen möchte, möge um das Mittelmeer herum sich umsehen.

Von alledem kann in Bayern nicht die Rede sein. Solide Wirtschaft, starke, technologisch führende Industrien, forsche Unternehmerpersönlichkeiten; gesunde Staatsfinanzen, eine effiziente, noch vom Geist des Grafen Montgelas durchwehte Verwaltung; erstklassige Schulen und Hochschulen: Die Reihe ließe sich fortsetzen; das Land kann vor Kraft kaum laufen. Das alles nicht vom Himmel gefallen, sondern als Ergebnis der gleichen Politik „alten“ Stils; gerade beim großen Strauß schlug das Pendel in beide Richtungen extrem aus mit geschickter, vorausschauender Industriepolitik ohne Verachtung für die angenehmen, kleinen Nebeneffekte, die für den einzelnen dabei abfielen (es mag bei Schlötterer nachlesen, wer will).

Mit den Abgesängen sollten die Saubermänner und Sauberfrauen mit ihrem spät- und postprotestantischen Empörungsfuror daher noch etwas warten. Am Ende wird Politik nach ihren Ergebnissen bewertet und nicht nach dem Einhalten von Compliance-Regeln. Besser als unfähige Eliten in Politik und Wirtschaft sind fähige, ob sie ein wenig Filz angesetzt haben oder nicht. Es darf nur nicht zu viel werden.


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