Der Medizinmann kommt

In Teil 5 der Serie begibt sich Wolfgang Bachmann auf eine Rundreise durch die bunte Welt der Esoterik – eine Zwischenwelt, die Religion und Wissenschaft verbindet; und beide dabei verunstaltet.


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serie: physik, gehirn & glaube
von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Bachmann

Teil 1: Religion und Wissenschaft:  Wie hängt dies zusammen, das Ich, das Gehirn, das Gemüt, der Verstand? Was unterscheidet uns vom Tier?
Teil 2:Einbruch der Wissenschaft in die ReligionBiologie ist die Wissenschaft vom Leben. Und „Leben“ ist ein wesentliches Anliegen der Religionen, wie auch der Naturwissenschaften.
Teil 3: Seelenverwaltung.
 Es gibt keine Religion, die sich nicht ausgiebig zum Thema „Seele“ festlegt. Auch die Psychiatrie hat dazu klare Vorstellungen. Die „Seele“, eine Vorstellung, die beim Verlöschen des Lebens in Existenznot gerät.
Teil 4: Technikfeindlichkeit und Glaubenssucht Wir brauchen Technik, können aber nur schwer deren ungewollte Nebenwirkungen akzeptieren. Was sind „Strahlen“? Für den glaubensbereiten Laien sind es magische, sehr schädliche Fernwirkungen.
Teil 5: Der Medizinmann kommt Wenn sich Technikangst paart mit übergroßer Sorge um die eigene Gesundheit, bleibt die Vernunft auf der Strecke. Hokuspokus, Schamanismus – alles soll uns kurieren, nur nicht die wissenschaftliche Medizin.
Teil 6: Zusammenfassung Religion, Macht und Ethik. Wie könnte es weitergehen?

 

Unser Gehirn – unzuverlässig, unerschlossen, rätselhaft – möglicherweise verarbeitet es von außen kommende Informationen in „dreifacher Buchführung“, d. h. in drei nebeneinander bestehenden, eigenen Weltmodellen, die hier als „Sein“, „Soll“ und „Sinn“ bezeichnet werden.

Mit „Sein“ ist das Wissen über die reale Außenwelt gemeint, über Natur und Technik, von „Affe“ bis „Zahnradbahn“, das was wir hier kurz und allgemein „Physik“ nennen.

„Soll“ ist das gesamte Beziehungsgeflecht zu den Mitmenschen, das Soziale, von „Ausländer“ bis „Zollunion“. Wäre ich allein auf der Welt, gäbe es kein Sollen.

„Sinn“ wird gesucht bei fehlender Erklärung und Begründung für „Sein“ und „Soll“. „Sinn“ steht für die gesamte Metaphysik, für Vermutungen über nicht-irdische Kräfte und Seinsweisen.

Je nach Disposition wird unser Leben eher nach Soll oder nach Sinn ausgerichtet sein. Im vorliegenden Beitrag geht es um Sinn und Soll. Das Weltmodell „Sinn“, also die nicht-irdischen Kräfte, wird in quasi-antiker Sichtweise eingeteilt in „überirdische“ und „unterirdische“ Vorstellungen. Der Unterschied zwischen beiden ist beträchtlich – Religion bietet dem Gläubigen Orientierung im Leben und im Sterben, kennt keine Zeit. Der Zugang zu überirdischen Kräften (Götter, Heilige) wird von Priestern vermittelt. Religion ist „Strategie“ – im Gegensatz zur Esoterik.

Für den „unterirdischen“ Bereich, also die nicht-göttlichen jenseitigen Kräfte, sind die esoterischen Vermittler zuständig. Esoterik ist Taktik – unmittelbare „Antworten“ auf Zauberei werden erwartet. Wir teilen die Esoterik ein in Alternativmedizin und Okkultismus. Die Alternativmedizin kann Magiesinnigen durch unerklärlichen Heilzauber helfen. Sie ist dann insoweit genau so ehrenwert wie die wissenschaftliche Medizin. Okkultismus beeindruckt durch unerklärlichen Psycho-Zauber, z. B. Parapsychologie, Astrologie, Radiästhesie; hat eher unterhaltenden Charakter, ist Sammelbegriff für alle nichtmedizinischen „Wunder“.

Ist Magie schädlich? Nach dem oben Gesagten gibt Magie „Sinn“ – aber nicht für jeden. Im Folgenden wird versucht, was eigentlich kaum gelingen kann – anhand ganz weniger Beispiele einen Eindruck von der Welt der Esoterik zu vermitteln, für Skeptiker eine Märchenwelt, für Gläubige oft die eigentliche Welt.

Okkultismus

Okkult (lat. occulere=verbergen) ist schon die Bedeutung von Okkultismus, weitgehend akzeptiert ist nur der Verweis auf Übersinnliches. Da empfiehlt sich unsere eindeutige Definition des Okkultismus als der Gesamtheit alles Übersinnlichen, soweit es weder mit Heilkunst noch mit Religion zu tun hat.

Kupfer, Wasser, Salzkristalle, Kork, Textilien – unter Magiern ist man sich einig über geheimnisvolle Kräfte und Gesundheitswirkungen, die von manchen Materialien ausgehen. Wir wollen uns in gegebener Kürze nur ein Beispiel heraussuchen – das Wasser.

Einzigartig ist bei Wasser der „magische Dreh-Effekt“: Wasser kann drehen. Wen oder was? Es geht nur um den Drehsinn: ob es „links“ dreht oder „rechts“. Linksdrehendes Wasser ist schlecht, rechtsdrehendes ist gut. Was genau wird da gedreht? Einfluss der Fließgeschwindigkeit? Raumrichtung des Drehvektors? Esoterik mag keine Spitzfindigkeiten.

In der Tat gibt es den physikalischen Effekt der „Drehung der Polarisationsebene eines Feldstärke-Vektors von Lichtquanten“ durch „optisch aktive Substanzen. Einfachstes molekulares Beispiel: Molekül mit wenigstens 4 Atomen, und diese in der Form eines Tetraeders angeordnet. Z.B. die Milchsäure oder die Fruktose. Aber das Wassermolekül hat eben nur drei Atome. Polarisationsdrehung kann also nicht gemeint sein. Aus okkulter Deutung verhält es sich ganz anders:

Alle Materie auf der Erde gibt im Bereich von 0 bis 50 cm Wellenlänge Resonanzstrahlung ab. Die Intensitäten sind sehr gering, können aber je nach Art und Form (Antennenwirkung) größer sein. Für jedes Element gibt es eine spezifische Kennresonanz (z.B. Wasserstoff). Die Resonanzstrahlungen verhalten sich, physikalisch betrachtet, wie elektromagnetische Wellen.

Vielfältige Messungen und Erfahrungen haben bestätigt, dass die linkszirkulare Resonanzstrahlung, besonders bei hohen Intensitäten, organschädigend sein kann und rechtszirkulare Resonanzen in hohen Intensitäten eher nervenschädigend. Eine schwächere Rechtszirkularresonanz oder auch eine stärkere, die kurzfristig einwirkt, hat eine (je nach Wellenlänge) eher aufbauende, wachstumsfördernde, insgesamt also aufbauende Wirkung. Alle Nahrungs- bzw. Lebensmittel sollten rechtszirkular abstrahlen.

Wasser ist mengenmäßig betrachtet Hauptbestandteil des menschlichen Körpers. Solange der Mensch lebt, dürfte alles Wasser in seinem Körper rechtszirkulare Eigenschaften haben. Es liegt also nahe, dem menschlichen Organismus rechtsdrehendes Wasser zuzuführen.

‚Rechtsdrehendes Wasser’ ist ein Begriff der wissenschaftlichen Radiästhesie für die rechtszirkulare Radialkraft des Wassers, die energieaufladend und gesundheitsfördernd wirkt. Wird Wasser unter Druck durch Rohrleitungen geführt, wird es linksdrehend – ‚Das Wasser stirbt’ …’“ – „Wissenschaftliche Radiästhesie“ – „Resonanzstrahlung“, „Rechtszirkulare Radialkraft“, „energieaufladend“ – sprachliche Versatzstücke aus den Naturwissenschaften, entkernt und mit esoterischem Vokabular beladen.

Wasser-Gedächtnis

Es gibt auch Schein-Wunder. Homöopathie stützt sich unter anderem auf der märchenhaft klingenden Vermutung ab, dass sich Wasser „erinnern“ kann an ehemals darin gelöste Wirkstoffe. Hier kommt ausnahmsweise die physikalische Erklärung eines nur scheinbar okkulten Phänomens: Zur großen Überraschung besteht flüssiges Wasser keineswegs nur aus isolierten Wassermolekülen, die etwa wie Schüttgut, z. B. Reiskörner in einem Sack voll Reis, in ständiger Drängelei umeinander kugeln. Das Wassermolekül bildet infolge seines Dipolcharakters in der flüssigen Phase lockere Anhaftungen an andere Wassermoleküle; es bilden sich „Cluster“, die auch geschlossene Kugelschalenform annehmen können und die fremde Moleküle (z. B. homöopathische Wirkstoffe) einschließen können. Bei 4 °C ist diese Clusterbildung besonders ausgeprägt, in kochendem Wasser hingegen zerfallen die Cluster. Insofern, durch seine Clustereinschlüsse, kann sich Wasser „erinnern“.

Wünschelruten

Noch vor wenigen Jahrzehnten war allgemeine Überzeugung in der Magierszene, dass virtuelle Kräfte direkt die Wünschelrute in Bewegung setzen. Neuerdings breitet sich die Vorstellung aus, dass wünschel-sensible Menschen ein okkultes Empfangsorgan für parapsychologische Bestrahlungen haben.

Wünschelruten können virtuell „programmiert“ werden, so dass sie brav auf jede in jeglicher Sprache gestellte Frage mit ja oder nein antworten. Etwa 66 % der Deutschen glauben an Wünschelruten, und 5–10 % der Bevölkerung gelten als „rutenfähig“. Bei der Suche nach verborgenen Wasseradern, Quellen, wird durch „Muten“ nicht nur das Vorhandensein, sondern gar Menge, Qualität und Tiefe ermittelt.

Alice im Wunderland. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wer sich seiner Wünschel-Kunst so sicher ist, könnte berühmt und gefragt werden, z. B. ganz erdverbunden mit der Ortung von Kanal- und Trinkwasserrohren tief unter der Asphaltdecke der Großstädte, gar mit der Entdeckung von deren Lecks.

Im „Kasseler Wünschelrutentest“ von 1990 musste in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk unter strenger Überwachung fließendes Wasser in vergrabenen, kontrollierten Rohren gefunden werden. Ergebnis: Reines Ratespiel.

Vielleicht der überzeugendste „Langzeit-Test” zur Unwirksamkeit der Wünschelrute (oder des Pendels) ist das Angebot der Randi-Stiftung in den USA, 1.000.000 $ (eine Million Dollar) an die Person auszuzahlen, die unter strenger wissenschaftlicher Prüfung die entsprechende Fähigkeit (oder auch andere paranormale Fähigkeiten) zeigt. Warum liegt das Geld immer noch bereit?

Astrologie

Astrologie ist Astronomie plus Zauber. Der astronomische Teil der Astrologie befasst sich mit der komplizierten Berechnung der auf einen Standpunkt der Erdoberfläche bezogenen Ortsvektoren der Planeten, hauptsächlich Mars, Venus, Jupiter und Saturn, als Funktion der Zeit. Dazu kommen die Koordinaten des Erdmondes. Und schließlich noch die Position der Erde auf ihrer Umlaufbahn („Zodiak“ und „Aszendent“ ) entsprechend dem Monat und der Stunde der Geburt.

Der zauberhafte Teil der Astrologie zieht Schlüsse aus solchen gewesenen und gegenwärtigen Planetenkonstellationen. Zwei von drei Erdbewohnern können sich durchaus vorstellen, dass solche esoterischen Informationen mit der Realität zu tun haben. In der Tat gibt es statistische Aussagen über Unterschiede in der körperlichen Konstitution von Sommer- und Wintergeborenen. Für Astrologen allerdings ist das viel zu wenig Information.

Biotensoren

Hier biegen sich die Balken:

„Der BIOTENSOR® ist ein polarisiertes Testgerät zur Erforschung, Lokalisierung und Identifizierung energetischer Zustände von elektrischen, magnetischen und atomaren Strukturen und Polaritäten in der Natur, im menschlichen Organismus und an technischen Geräten. Die Bipolarisation bzw. Multipolarisation wird augenblicklich beim Hautkontakt mit dem Handgriff durch Human-Kybernetik ausgelöst. Der Biotensor reagiert durch Rotationen und Oszillationen auf polare Ladungszustände, die von den Hautsensoren des menschlichen Körpers aufgenommen, von der thalamischen Zentrale im Gehirn ausgewertet, durch Induktionsresonanz auf den Tensor-Ring … Der Biotensor ist in den Ausführungen Ag (mit versilbertem Handgriff) und Au (mit vergoldetem Handgriff) erhältlich …“ –

Kundenverdummung durch pseudophysikalische Phrasenhuberei: „Polarisierung“ – Pole sind wohlbekannt, „Arisierung“ weniger wohl, aber „Polarisierung“? „Elektrische Strukturen“? Was das wohl sein mag? „Atomare Strukturen“? Hier hat ein gerissener Quacksalber ein Lehrbuch der Physik durchstöbert und ihm imposant vorkommende, unverstandene Fachausdrücke notiert, die er dann in seinem Märchenpamphlet zu einem völlig sinnlosen Text zusammengesetzt hat.

Das Pendel

Was ist eigentlich ein Pendel? Bei allen Pendeln haben wir eine Masse und eine Rückstellkraft. Wird die Masse aus ihrer Ruhelage gestoßen, so sorgt die Rückstellkraft dafür, dass sie wenn der Schwung verbraucht ist, sich wieder in Richtung Ruhelage bewegt. Besonders einfach konstruiert ist das „Fadenpendel“ („siderisches Pendel“), eine Masse, die an einem dünnen Faden aufgehängt ist. Der Faden wird am anderen Ende mit der Hand festgehalten: Hier sorgt die Erdanziehung für die Rückkehr zur angestammten Ruhelage. Ein Weiteres kommt hinzu – die Dämpfung. Das Fadenpendel ist so schwach gedämpft, dass es bei der Rückkehr weit über die Ruhelage hinausschießt, und dann wieder und wieder. Es „schwingt“. Der Anstoß zur Schwingung kommt ausschließlich durch die natürliche Unruhe der Hand. Hätte die Masse eine Tintendüse, so würde sie eine Ellipse auf den Tisch malen. Auch die Richtung der Hauptachse dieser Ellipse ist durch die Unruhe der Hand gegeben.

Die Unruhe der Hand besteht aus einem Zusammenspiel verschiedener kaum merklicher Schwingungen, die, falls ihre Periodendauer genau zur Periodendauer des Fadenpendels passt, enorm verstärkt werden. Die Unruhe der Hand kommt im wesentlichen durch die Unruhe des Pulses zustande. Wenn die Periodendauer des Pendels abgestimmt ist auf die Periodendauer des Pulses, ist die Verstärkung so groß, dass auch mit dem Auge nicht mehr erkennbare geringe Zitterbewegungen der Hand zu großen Pendelausschlägen führen. Es kommt also bei diesem einfachen Gebilde einiges zusammen – Masse, Rückstellung, Dämpfung, Periodendauer, Anregung, Abstimmung.

Aus esoterischer Sicht klingt das so:

„Du kannst Dir Dein Pendel auch selber anfertigen und es ist sehr einfach: Nimm am besten einen Ring und ziehe durch ihn einen langen Faden. Halte die Schnur des Pendels zwischen Daumen und Zeigefinger. Setze Deinen Ellenbogen auf den Tisch und halte das Pendel etwa drei Zentimeter über den Gegenstand, den Du auspendeln möchtest (Foto etc.). Stelle dem Pendel zuerst einmal eine Frage, deren Antwort Du kennst: zum Beispiel – ‚Habe ich heute morgen eine Banane gegessen’ – am Ausschlag des Pendels erkennst Du dann das NEIN oder JA – und damit lernst Du ohne Probleme die Sprache des Pendels. Nur so kannst Du dein Pendel kennenlernen. Wie bewegt es sich, wenn ‚Ja’ gemeint ist, und wie bei ‚Nein’? …“

Wunderbare Verabreichungen

Alternative Medizin. Es ist die Sehnsucht nach dem Leben in unverfälschter Natur. Aber nicht jede Natur – keine Arktis, keine Wüste, keine Sümpfe, eher vielleicht ein Leben als Tarzan im Bayrischen Wald.

Magier erzielen unbestreitbar respektable Heilerfolge. Allerdings ist der Placebo-Effekt längst fester Bestandteil der wissenschaftlichen Medizin. Auch wenn es den Skeptiker schmerzt – „Wer heilt, hat recht“ – jedenfalls mit seiner Behandlung.

Beispiel Bach-Blüten-Therapie: Diese alternative Therapieform (engl. Bach flowers) hat nichts mit einem blütenumsäumten Bachufer zu tun. Der englische Arzt Dr. Edward Bach (1886–1936) entdeckte bei Spaziergängen dank seiner „hochentwickelten instinktiven Befähigung“ an besonders „energiereichen Orten“ in England, dass die Blüten von 38 Blütenpflanzen „Psyche und Persönlichkeit stärken“. Es war „Inspiration“. Dabei stellte er fest, dass diese Blüten eine Seele oder Energie haben, die auf Wasser übertragbar ist und auch in homöopathischer Verdünnung wirkt. Die hochverdünnten Blütentinkturen sind in jeder Apotheke erhältlich, von „Agrimony“ über „Honey Suckle“ bis „Wild Rose“ – die Wilde Rose hilft – man muss nur daran glauben können.

Homöopathie

Homöopathie beruht auf vier Glaubenssätzen: 1.) Simile-Prinzip: „Ähnliches heilt Ähnliches“, (Similia similibus curentur) und 2.) Verdünnungs-Prinzip, „Infinitesimal-Prinzip“ („Verdünnung stärkt die Wirkung“). Der 3. Glaubenssatz wird heute kaum noch erwähnt: „Psora“ (infektiöses Hautjucken) als angeblich fundamentale Ursache für 7/8 aller Krankheiten. Auch der 4. Satz nicht (Vitalismus): „Leben ist eine geistige Kraft, die die Selbstheilung steuert.“

Das Wort „Homöopathie“ ist aus den griechischen Begriffen „homoios“ (ähnlich) und „pathos“ (leiden) zusammengesetzt. Ein Mediziner namens Samuel Hahnemann verfasste in der Napoleon-Zeit vor 200 Jahren seine Schrift „Organon“, die seither als „heilige Schrift“ eines Heilkultes gilt.

Was versteht der Homöopath nun unter Verdünnung? Ein leerer Messbecher wird zu 10 % seines Messvolumens mit Wirkstoffkonzentrat befüllt. Die restlichen 9/10 werden mit Lösungsmittel aufgefüllt. Dann muss genau nach Vorschrift „geschüttelt“ werden. Auf diesen ersten Verdünnungsschritt folgt der zweite in gleicher Art: Ein neuer leerer Messbecher erhält zu 1/10 das Mittel aus Becher Nr. 1 und wird wieder mit Lösungsmittel aufgefüllt und geschüttelt. Damit erhalten wir ein Präparat mit dem Verdünnungscode D2 („D“ für 10-fach verdünnen; „2“ für 2 Prozessschritte). D2 enthält somit die Ursubstanz in 10²-facher Verdünnung, also 100fach. Beliebt sind Verdünnungen des Grades D24 … D1000. Genormt ist z. B. D60 – es entspricht der Konzentration von 1 Wirkstoffmolekül im ganzen Sonnensystem. Der homöopathische Medikamentenhersteller kann ab D24 auf das Etikett aufdrucken, was er will, „Arsen“, „Strychnin“, „Plutonium“, „Whiskey“ – ab einer Verdünnung von „D24“ bedeutet dies, dass er garantiert, dass die angegebene Substanz nicht drin ist. Homöopathen wissen das.

Ayurveda

Ayu = sanskr. Leben, veda = sanskr. Wissenschaft. Ayurveda ist eine fernöstliche Ganzheitsmedizin, nach angeblich 5000 Jahre alter Tradition ursprünglich aus Indien kommend, später mit chinesischen Elementen angereichert – gegründet auf der psychokultischen Vorstellung vom „intelligenten Universum“. Die Ayurveda-Diagnose ermittelt den Zustand der Harmonie zwischen Seele und Körper. Diagnostisch festgestellt werden geheimnisvolle Kräfte, wie „Vata, „Pitta“ und „Kapha“. Die „Diagnose“ endet mit der Verordnung schmackhafter Speisen, wie je nach Diagnose scharf Gewürztes, oder Süßspeisen, oder Nüsse. Dazu esoterische Vorträge über Quantenphysik und Bewusstsein. „Quanten-Kuren“ werden versprochen, Quanten gegen das Altwerden. Wen stört’s – esoterische Klänge, sanfte Massagen, freundliche Bedienung können angenehm ablenken.

Radionik

Radionik wird von Radionikern definiert als „Instrumentelle Entdeckung von Vitalenergie-Mustern sowie die zugehörige Diagnose und Therapie“ oder als „Methode zur Entdeckung und Veränderung feinstofflicher Energie, die mit körperlicher Materie zusammenhängt“. Es gilt hier der Satz „Alles ist Energie“. Folglich erkennt die Radionik alle Organe, Erkrankungen und Heilmittel aufgrund der individuellen Schwingungsfrequenzen. (Soweit die Stimme aus dem Radionik-Milieu).

Grundlage der Radionik sind die Untersuchungen des amerikanischen Arztes Albert Abrams (1863–1924). Nach einer Karriere als Arzt konvertierte Abrams zum Okkultismus. Er entwickelte Instrumente, mit denen angebliche, esoterische Vibrationen des Körpers gemessen werden konnten. Das erste hieß „ERA- Electronic Reactions of Abrams“. Mit diesem Instrument diagnostizierte und therapierte er an Tausenden seiner Opfer die von ihm erfundene „Schweine-Syphillis (bovine syphillis). Das Abrams-Gerät wurde untersucht, unter anderem auch durch den amerikanischen Physiker Robert A. Millikan (1868–1953), Nobelpreisträger. Ergebnis: „Unphysikalische Absurdität. Nur Drähte und ein Widerstand.“ Der Amerikanische Ärzte-Verband AMA nannte Abrams 1924 den „Dekan aller Scharlatane des 20. Jahrhunderts“.

Faszination der Anti-Physik

Wer in der Schule nicht aufgepasst hat, neigt für den Rest seiner Tage dazu, Wissenschaft für unverständlich und geheimnisvoll zu halten. Da kommt die Esoterik gerade recht: Sie erklärt sich zur eigentlichen Wissenschaft – und alles ist plötzlich so einfach, man braucht keine Experimente, keine Falsifikationen, keine Mathematik.

Esoterik kann helfen. Magier verschreiben nicht nur leere „Globuli“ und garantiert wirkstofffreie Lösungsmittel, sondern sie liefern heilsame Atmosphäre – endlich hört mir jemand zu, endlich werde ich mit meinen Leiden ernst genommen. Seit die teure Kupferspirale im Keller neben dem Holzstoß plaziert wurde, schlafe ich nachts wieder gut.

Der „unterirdische Sinn“ wirkt sofort. „Überirdischer Sinn“ (Religion) kann auch hilfreich sein. Aber nicht so konkret und nicht unmittelbar – ja, schon die Frage nach Nützlichkeit, Wirksamkeit verbietet sich.

Die Taktiker des Übersinnlichen haben ganz selten Zugang zu den Quellen des wissenschaftlichen Denkens. Sie vermuten eher, dass die vorwissenschaftlichen Weltdeutungen aus der Zeit der Pharaonen verborgene Schätze der Weisheit horten. Indien, China, Ägypten – dort weiß man Bescheid.

In Indien, z. B., lebt ein Großteil der Bevölkerung in unbeschreiblicher Rückständigkeit und Armut. Das zweitgrößte Land der Erde, vom Klima verwöhnt, geographisch in optimaler Position, steht sich selbst im Wege. Unbefahrbare Straßen und Schienen, unberührbare Kasten, unverstehbare 100 Sprachen. Entwicklungsland und doch weltgrößter Softwareproduzent. Wo bleibt der indische Weise, der die brachliegende Tatkraft und Intelligenz seines Volkes befreite?


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Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Bachmann

geb. 1939, AH VDSt Darmstadt, Hochschullehrer für Nachrichtentechnik, Autor des 400s. Lehrbuchs „Signalanalyse“, Vieweg Verlag 1992, als Erfinder genannt in über 50 Patentschriften, macht sich Gedanken, weit über die Grenzen der eigenen Fakultät hinaus.

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