Die Siebenbürger Sachsen

Rund eintausend Jahre schon währt die Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen. Über das geschichtliche Herkommen der Siebenbürger Sachsen und die Herausforderungen heute schreibt Karl Scheerer.


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Ansiedlung und Konsolidierung

„Hier wurde deutsch gesprochen, als Berlin noch ein slawisches Fischernest war.“ Dies ist sinngemäß in der evangelischen Kirche in Rotberg, dem Wohnort des bekannten siebenbürgisch-sächsischen Gegenwartsschriftsteller Eginald Schlattner, zu lesen. In der Tat ist Siebenbürgen das älteste deutsche Siedlungsgebiet im Südosten Europas.

Nach der Befriedung der Ungarn durch Otto den Großen im Jahre 955 und ihre Christianisierung wenige Jahrzehnte danach begannen die ungarischen Könige Siebenbürgen von Westen nach Osten zu erschließen. Der militärische Vorstoß oblag einer ungarischen Subethnie, den Szeklern, die abschnittsweise bis zu den Ostkarpaten vorstießen. Die dabei frei gewordenen Gebiete wurden zu königlichem Besitz, zum „Königsboden“, der mit überwiegend deutschen Kolonisten aus dem moselfränkischen Raum aufgesiedelt wurde. Ihre Bezeichnung lautete hospites, teutonici, flandreses, in Einzelfällen auch latini, was auf eine zunächst heterogene Siedlergruppe hindeutet. Später bürgerte sich der Name saxones ein, der jedoch keine Herkunftsbezeichnung ist, sondern eher auf einen terminus technicus in der ungarischen Kanzleisprache schließen lässt, der auch auf andere Siedlergruppen im Königreich Ungarn mit ähnlich weitgehenden Privilegien angewendet wurde.

Das Interesse der ungarischen Könige war es, wehrtüchtige und mit einer fortschrittlichen Technologie ausgestattete loyale „hospites“ mit den frei gewordenen Gebieten zu belehnen, die unmittelbar der Krone unterstellt waren. Auf diese Weise erhofften sie sich nicht nur eine prosperierende Landschaft mit einem hohen Steueraufkommen, sondern auch ein starkes Gegengewicht zu dem steuerbefreiten und unzuverlässigen Adels zu schaffen. Die spätere Zeit erwies, dass die Rechnung voll aufging. Natürlich konnte ein solches Siedlungswerk nur erfolgreich sein, wenn den angeworbenen Siedlern weitestgehende Freiheiten und Privilegien in Aussicht gestellt wurden. Im „Goldenen Freibrief der Siebenbürger Sachsen“, dem Andreanum, vom Jahre 1224 sind diese Rechte und Freiheiten schriftlich fixiert. Es handelt sich um ein einzigartiges Dokument, das den Siedlern eine fast vollständige Selbstverwaltung, selbst in der kirchlichen Organisation, zugestand. Trotz des verheerenden Rückschlags durch die mongolische Invasion im Jahre 1241 erfüllten sich die Erwartungen der ungarischen Könige voll und ganz, denn es entstanden auf dem Königsboden wehrhafte und, begünstigt durch den Orienthandel, wohlhabende Städte und eine überdurchschnittlich hoch entwickelte Landwirtschaft. Eine Episode blieb das Siedlungswerk des Deutschen Ordens unmittelbar im Karpatenknie, dem Burzenland, der nach nur 14 Jahren (1211–1225) Tätigkeit (In dieser Zeit begann nicht nur der Aufstieg Kronstadts zu einer mächtigen Stadtrepublik, sondern auch das Umland wurde deutsch besiedelt.) des Landes verwiesen wurde, weil er seine Kompetenzen überschritten hatte. Danach wandte er sich seinem Aufbauwerk in Preußen zu.

Siebenbürgen war von Anfang an ein Sonderterritorium des Königreichs Ungarn auf ständischer Basis. Nach zähem Ringen etablierten sich endgültig im 15. Jh. die drei staatstragenden Stände, die zu je einem Drittel im Landtag vertreten waren, nämlich die ungarische Adelsnation Siebenbürgens, die Nation der Szekler und die „Nationsuniversität der Siebenbürger Sachsen“ (universitas saxonum). Die Binnenstruktur der Stände war unterschiedlich. Die sächsische Nationsuniversität war quasi-demokratisch organisiertt und an ihrer Spitze stand der frei gewählte Comes Saxonum = Sachsengraf. Der Adel war mittlerweile innerhalb der Nationsuniversität nahezu vollständig abgeschafft worden.. 1583 erließ die Nationsuniversität das auf ihrem Gebiet geltende „Eigen-Landrecht“, das bis zu Einführung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1853 in Kraft blieb.

Auf diesen Grundlagen etablierten die Siebenbürger Sachsen ihr politisches, wirtschaftliches und kulturelles Gewicht in der Region. Auf sie konnten sie sich auch stützen, nachdem durch die Zerschlagung des Königreichs Ungarn durch die Osmanen im Jahre 1526 Siebenbürgen zu einem selbständigen Fürstentum unter türkischer Oberhoheit wurde (bis 1691). Ohne diese Machtbasis hätten sie wohl in den äußerst kriegerischen Zeiten nicht überleben können. Es war auch die Zeit, in der sie das nach dem Mongolensturm begonnene Befestigungswerk systematisch ausbauten. Das Resultat sind die bis zum heutigen Tag noch erhaltenen zahlreichen Kirchenburgen, ein in Europa einzigartiges Ensemble.

Zur inneren Konsolidierung trug in besonderer Weise die Reformation bei. Ohne größere Friktionen entschieden sich die Siebenbürger Sachsen für das Luthertum. 1547 erlangte die vom siebenbürgisch-sächsischen Reformator Johannes Honterus in enger Absprache mit Luther und Melanchthon verfasste „Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen2 in allen sächsischen Gemeinden Gültigkeit. Die Ungarn und Szekler entschieden sich in ihrer Mehrheit für den Calvinismus und den Unitarismus, die Rumänen blieben dem orthodoxen Glauben treu. Die traditionelle religiöse Toleranz wurde in Frage gestellt, als nach 1691mit der Umwandlung Siebenbürgens in  ein österreichisches Kronland eine aggressive Phase der Gegenreformation einsetzte, der gegenüber jedoch die Sachsen erfolgreich Widerstand leisteten.

Verlust der Privilegien

Schwere Zeiten kamen auf die Sachsen zu, als im 19. Jh. bei den Ungarn ein überhitzter Nationalismus zum Ausbruch kam, der 1848/49 zu einem blutigen Bürgerkrieg führte. 1867 kam es schließlich zum österreichisch-ungarischen Ausgleich und und damit zum Anschluss Siebenbürgens an das Königreich Ungarn. 1876 wurde die sächsische Nationsuniversität aufgelöst und die Sachsen verloren auf einen Schlag sämtliche Privilegien. Damit mutierten die Siebenbürger Sachsen von  einer staatstragenden staatlichen Säule zu einer mehr oder weniger geduldeten nationalen bzw. ethnischen Minderheit, was in ihrer Wahrnehmung selbstverständlich einem Fall in die Bedeutungslosigkeit gleichkam. In dieser Situation ergriffen vor allem die Würdenträger der evangelischen Kirche, die auch Trägerin der deutschen Schulen war, die Initiative und nahmen den Kampf gegen die aggressive Madjarisierungspolitik und den Versuch, das deutsche Schulwesen zu beseitigen, auf. Das deutsche Schulwesen hatte ein sehr hohes Niveau  (Immerhin war schon 1722 für beide Geschlechter die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden) und wurde auch von den Eliten anderer Nationalitäten häufig in Anspruch genommen. Der Kampf blieb nicht ohne Erfolg, denn bereits Anfang des neuen Jahrhunderts begann die Obrigkeit einzulenken.

Der „Sprachenkampf“ hatte aber für das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen weitreichende Konsequenzen. Die in Mehrheit an deutschen Universitäten studierenden sächsischen Abiturienten wurden vom nationalen Aufbruch im entstehenden Bismarck-Reich erfasst und erhofften sich von dort tatkräftige Hilfe im Kampf um ihr ethnisches und sprachliches Überleben. Nachdem die Siebenbürger Sachsen schon mit der Reformation eine starke emotionale und kulturelle Bindung an alles „Deutsche“ zu spüren begannen, so verorteten sie sich nun vollends in der deutschen Kulturnation im Sinne von Friedrich Meinecke. Deutschösterreich spielte in ihrer neuen Identitätsbestimmung keine Rolle mehr, wohl eine verspätete Reaktion auf die Zeit der Gegenreformation.

Zwischenkriegszeit

Die schlechten Erfahrungen mit dem ungarischen Nationalismus führte dazu, dass sie den Anschluss Siebenbürgens an das nach dem 1. Weltkrieg geschaffene Großrumänien freudig begrüßten, da sie sich in diesem Staatsverband größere Entfaltungsmöglichkeiten erhofften.

Diese Hoffnung wurde jedoch rasch enttäuscht. Benachteiligungen aus ethnischen Gründen, Enteignungen, Drangsalierung des deutschen Schulwesens und andere diskriminierende Maßnahmen waren an der Tagesordnung. Als Reflex darauf, aber auch infolge der Faszination, die der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland auf die akademische Jugend der Siebenbürger Sachsen ausübte, setzte auch bei ihnen eine nationalistische Radikalisierung ein, die z. T. tumultuarische Formen annahm und zu einer tiefen ideologischen Spaltung der sächsischen Gemeinschaft führte. Der radikale Flügel propagierte offen den Nationalsozialismus und schreckte auch nicht vor terrorartigen Übergriffen zurück. Mit der Errichtung der Militärdiktatur unter Marschall Antonescu im September 1940 und der Entsendung deutscher „Lehrtruppen“ nach Rumänien wurde der deutschen Volksgruppe auf Druck Berlins der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen und ein fanatischer Nationalsozialist zum Volksgruppenführer ernannt, der sofort mit der Gleichschaltung sämtlicher sächsischer Einrichtung begann. Ähnliches geschah in Nordsiebenbürgen, das 1940 durch den 2. Wiener Schiedsspruch an Ungarn abgetreten werden musste, wodurch die sächsische Gemeinschaft in zwei Teile gespalten wurde. Tragische Folgen hatten die Abkommen mit Ungarn (1942) und Rumänien (1943) in deren Folge die Angehörigen der deutschen Volksgruppen (nunmehr „Volksdeutsche“) offiziell „freiwillig“ zur Waffen-SS eingezogen wurden. Der Druck, sich zur Waffen-SS zu melden, war so stark, dass sich kaum ein Rekrut anders entscheiden konnte. Dies hatte zur Folge, dass ihnen nach dem Krieg die Rückkehr in die Heimat versagt blieb und nicht wenige von ihnen sogar vor Gericht gestellt wurden.

Krieg und Nachkriegszeit

Mit dem 23.08.1944, dem Tag des rumänischen Frontwechsels, setzte eine jahrzehntelange Leidenszeit ein. Die Sachsen in Nordsiebenbürgen wurden fast in ihre Gänze nach Österreich und Deutschland evakuiert und nur sehr wenige kehrten später in ihre Heimat zurück. Im Januar 1945 wurden 30.000 Sachsen beider Geschlechter zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, von denen ein Teil der Überlebenden nach Ableistung der Zwangsarbeit nach Deutschland entlassen wurde, ein anderer Teil jedoch nach Rumänien zurückgeschickt wurde. Es gab daher kaum noch Familien, die nicht auseinandergerissen worden wären. Hinzu kam noch die nahezu vollständige Enteignung, die staatsbürgerliche Entrechtung und politische Verfolgung. Erst Mitte der 50er Jahre setzte eine allmähliche „Normalisierung“, allerdings im Sinne eines sozialistischen Staates, ein, die jedoch immer wieder durch aufsehehnerregende politische Prozesse unterbrochen wurde. Ab Mitte der 60er Jahre kann erst von einer Wiedereingliederung der Sachsen in die nunmehr sozialistische Gesellschaft gesprochen werden. Immerhin wurde der Gebrauch der deutschen Sprache und der Besuch deutscher Schulen nie in Frage gestellt. Ebenso hat es durchgängig deutsche Zeitungen und Buchpublikationen gegeben, wenn auch unter strenger Zensur. Allerdings stellte sich vermehrt das dringende Problem der Familienzusammenführungen. Nach allen den traumatischen Erfahrungen und den massenhaften Familientrennungen wurde der Auswanderungswille, der durch die paranoide Politik der Ceausescu-Ära  zudem noch immens verstärkt wurde, nahezu zur kollektiven Obsession. Eine Obsession, die durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien in den 70er Jahren zum Abkauf auswanderungswilliger Deutscher aus Rumänien zu festgesetzten Preisen und jährlichen Zahlenkontingenten noch verstärkt wurde. Daher war es nicht verwunderlich, das in den ersten beiden Jahren nach der Beseitigung des Ceausescu-Regimes Ende 1989 Hunderttausende Rumäniendeutscher geradezu fluchtartig das Land verließen, da sie befürchteten, „das Fenster“ könnte sich wieder schließen, denn immerhin gab es ja damals die Sowjetunion noch. Die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachen ist heute auf unter 10% ihrer ehemaligen Kopfzahl geschrumpft. In vielen Dörfern ist das Deutschtum entweder ganz erloschen oder auf einen minimalen Rest reduziert. Die evangelische Landeskirche umfasst nur noch knapp 15.000 Seelen und ist zur Diasporakirche geworden.

Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien

Ungeachtet dessen ist die deutsche Gemeinschaft in Rumänien und die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft im Besonderen auch heute noch eine beachtliche kommunalpolitische und kulturelle Kraft, die von der Mehrheitsbevölkerung hoch geschätzt wird. In den letzten Dezembertagen des Jahres 1989 bereits formierte sich das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien auf Landes-, Regional- und Ortsebene und nahm die Verhandlungen mit der Übergangsregierung auf. Es verstand und versteht sich auch heute als politische Vertretung der Deutschen in Rumänien. Schon früh begann man im Rahmen des Forums Themen wie Enteignung und Rückerstattung auf die Agenda in Bukarest zu setzen. Es wurden Vertreter in die vorläufige parlamentarische Versammlung entsandt, ebenso wurde der Fortbestand der deutschen Presse gesichert und die Anerkennung der Russland-Deportierten als politisch Verfolgte durchgesetzt.

Ein besonderes Anliegen des Forums war und ist der Erhalt des deutschen Schulwesens und der deutschen Kulturtraditionen. Durch die massenhafte Auswanderung in den Jahren 1990/91drohte die Gefahr, dass das gut organisierte und hoch renommierte deutsche Schulwesen keinen Bestand mehr haben würde. Dank der intensiven Bemühungen und zähen Verhandlungen des Forums konnte das deutsche Schulwesen im Wesentlichen fortgeführt werden, ja teilweise sogar ausgeweitet werden. Dieser Erfolg wurde durch 3 Umstände begünstigt. Erstens war der Andrang auf die deutschen Schulen dank ihres sehr guten Rufes seitens der Mehrheitsbevölkerung so groß, dass sogar eine qualitative Auswahl getroffen werden konnte. Ohne diesen Andrang hätten die Schulen nicht fortgeführt werden können, denn heute sind nur noch knapp 5% der Schüler deutscher Abstammung. Zweitens wurden deutschsprachige Studiengänge an mehreren Universitäten ausgebaut, um u. a. den deutschsprachigen Lehrernachwuchs zu sichern. Drittens wurden seitens der Bundesrepublik Deutschland (in geringerem Umfang auch seitens der Republik Österreich) Programmlehrer und Fachberater zur Qualitätssicherung des deutschen Schulwesens entsandt, eine sehr hilfreiche Maßnahme, ebenso wie die Entsendung etlicher DAAD-Lektoren. Mittlerweile wurde auch ein deutschsprachiges Lehrerfortbildungsinstitut ins Leben gerufen. Bemerkenswert ist auch die intensive Kulturarbeit des Forums und seiner Gliederungen (Publikationen sowie eine Fülle von größeren und kleineren Veranstaltungen).

Das deutsche Forum ist im Rahmen der Minderheitenregelung in Rumänien (es gibt 18 anerkannte Minderheiten) mit einem eigenen Abgeordneten im Abgeordnetenhaus vertreten und stellt traditionsgemäß von Anfang an den Unterstaatssekretär im Departement für intererethnische Beziehungen in der rumänischen Regierung. Es versteht sich zwar nicht als politische Partei, ist jedoch befugt, Kandidaten aus den eigenen Reihen für die Kommunalwahlen aufzustellen. Vor allem in Siebenbürgen haben die Kandidaten des Forums beachtliche Erfolge erzielen können. Herausragendes Beispiel ist Hermannstadt (Sibiu), wo das Forum schon in der 4. Wahlperiode den Oberbürgermeister und die absolute Mehrheit des Stadtrats stellt, obwohl der deutsche Bevölkerungsanteil bei unter 1% liegt. Die Finanzierung der Forumsaufgaben erfolgt zum einen auf gesetzlicher Grundlage durch die rumänische Regierung, zum anderen durch Zuwendungen aus dem Etat des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen der Bundesrepublik Deutschland. Diese Mittel werden jährlich ausgehandelt und zweckgebunden über Mittlerorganisationen eingesetzt. Fördergebiete sind beispielsweise Betriebsmittel für Altenheime, Entsendung von Kulturmanagern, Jugendarbeit, Darlehen für Existenzgründungen rumänischer Staatsangehöriger deutscher Abstammung. Diese Darlehen werden von den regionalen Forums-Stiftungen treuhänderisch verwaltet und die Rückflüsse werden gemeinschaftsfördernden Zwecken zugeführt. Ebenso wurden bisher auch Ankäufe und Instandsetzungen von Forumssitzen mit Bundesmittel unterstützt.

Siebenbürgenforum und evangelische Kirche

Das Regionalforum Siebenbürgen und die evangelische Kirche arbeiten in enger Partnerschaft zusammen, nachdem ihre Mitglieder nahezu identisch sind, sie also „im selben Weinberg“ tätig sind. Der Kirche obliegt neben ihren geistlichen Aufgaben samt eigener theologischer Fakultät und evangelischer Akademie die Instandhaltung und Pflege ihres außerordentlich reichhaltigen Kulturerbes, nicht zuletzt der sehr zahlreichen Kirchenburgen und anderer Baudenkmäler. Diese Aufgabe übersteigt ihre finanzielle und personelle Kraft und sie ist auf vielfältige Hilfe angewiesen. Das Siebenbürgenforum unterstützt tsieie mit seineMöglichkeiten beibei der Aquirierung von Fördergeldern (europäische Fonds, Kulturstiftungsgelder, Regierungsgelder). Sehr hilfreich ist auch die Unterstützung der ausgewanderten Sachsen, die sich in ihrer Mehrheit im „Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland“, der „Siebenbürgisch-Sächsischen Landsmannschaft Österreich“ und ähnlichen Vereinigungen in Übersee zusammengeschlossen haben. Sehr wertvolle Hilfe leisten auch die Heimatortsgemeinschaften (HOG) in Deutschland in ihren Heimatgemeinden (Friedhofspflege, Reparaturen an den Kirchenburgen u.a.).

Ausblick

Es ist das Verdienst des Deutschen Forums und der evangelischen Kirche in Siebenbürgen in einer dramatischen Umbruchzeit und angesichts einer Schrumpfung der Siebenbürger Sachsen auf unter 10% ihrer ehemaligen Kopfstärke für eine stabile rechtliche, politische und kirchliche Basis und eine Konsolidierung der sächsischen Gemeinschaft gesorgt zu haben. Wie sind nun die Aussichten, dass auf diesen Grundlagen auch eine dauerhafter Bestand der Gemeinschaft gesichert ist? Bei genauer Betrachtung gelangt man zu einer gewissen Skepsis. Seitens der politischen Parteien und des Staates drohen zumindest zur Zeit keine Gefahren von Beeinträchtigungen der deutschen Gemeinschaft, denn außer bei einigen radikalen Splittergruppen genießen die Deutschen ein hohes Ansehen und sie werden mit Wohlwollen betrachtet. Allerdings weist die Gemeinschaft selbst, wenngleich unverschuldet, Schwächen auf, die an einem anhaltenden und kraftvollen Weiterbestand zweifeln lassen. Die Auswanderungsdynamik der 90er Jahre hat eine stark reduzierte und überalterte sächsische Gemeinschaft hinterlassen, deren Durchschnittsalter Jahr für Jahr gestiegen ist und noch weiter steigen wird, nachdem es fast keinen Nachwuchs mehr gibt. Die evangelische Kirche und das Forum werden sich daher zunehmend diakonische Aufgaben zueigen machen müssen. Bedenklich ist auch die Tatsache, dass die Leistungsträger an Zahl immer mehr abnehmen, weswegen immer mehr Aufgaben auf sie zukommen, was zwangsläufig zu Ämterhäufung und Überlastung führt. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, sind bereits Initiativen zur Vitalisierung der Gemeinschaft ergriffen worden, die bisher jedoch noch ohne sichtbaren Erfolg geblieben sind. So scheiterte die Integrierung der vielen deutschen und deutschsprachigen Ausländer an den staatlichen Vorgaben,  nach denen das Forum die Interessenvertretung ausschließlich rumänischer Staatsbürger deutscher Nationalität ist. Aus dem gleichen Grund scheiterte der Versuch, die vielen Abiturienten der deutschen Gymnasien, die sich der deutschen Kultur verpflichtet fühlen, zu integrieren. D. h. im einen Fall ist die mangelnde Staatsangehörigkeit im anderen Fall die nichtdeutsche Abstammung das Hemmnis. Ein Aufruf zur Rückwanderung mit gleichzeitigem Angebot zur Existenzneugründungshilfe hat bis auf wenige Einzelfälle noch nicht gewirkt. Zu bedauern ist auch die Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland aus Spargründen ihr finanzielles Engagement zugunsten der deutschen Gemeinschaft in Rumänien stetig zurückfährt. Leider nimmt auch das deutsche Schulwesen in letzter Zeit an Niveau ab, da die muttersprachlichen deutschen Lehrkräfte aus Altersgründen weitgehend ausgeschieden sind, und der qualifizierte in deutscher Sprache ausgebildete Nachwuchs entweder besser bezahlte Jobs bei deutschen Investoren bevorzugt oder auswandert. Das Lehrerentsendeprogramm kann diese Lücke nicht ausfüllen, sondern wird sogar zurückgefahren. Dennoch werden die deutsche Kultur und die deutsche Sprache auch in Zukunft noch eine große Rolle spielen, wenn auch nicht der gleichen Dimension wie in der Vergangenheit.

Literatur:
Ernst Wagner, Geschichte der Siebenbürger Sachsen – Ein Überblick. Thaur 1990 ISBN 3-85373-3055-8
Konrad Gündisch, Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen, Langen Müller, München 1998. ISBN 3-7844-2685-9
Harald Roth, Kleine Geschichte Siebenbürgens, Böhlau, Köln 2007. ISBN 978-3-412-13502

Weblinks:
Sibiweb
Siebenbuerger.de
Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien


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Karl Scheerer

geb. 1943, Dr. phil., VDSt Königsberg-Mainz.

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