Friede auf Erden

Über das Vermächtnis von Papst Johannes XXIII. (1881–1963) und seine letzte Enzyklika Pacem in terris schreibt zum fünfzigsten Jahrestag Dominik Matuschek.


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Einen besseren Tag hätte sich der schwer krebskranke Papst Johannes XXIII. nicht aussuchen können, um sein letztes Rundschreiben „Pacem in terris“ zu veröffentlichen. Der 9. April 1963 war ein Gründonnerstag; die Kirche begann die Feiern von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Diese Feiern beginnen mit dem Abendmahl, das Christus als sein Vermächtnis hinterlassen hat. Welches „Testament“ wollte also der Papst stiften, der ein Jahr zuvor das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet hatte, um die katholische Kirche zu erneuern?

Das Anliegen des Papstes drückt sich bereits in der Form aus: Die Enzyklika wendet sich nicht nur an Bischöfe, nicht nur an Katholiken, sondern an alle Menschen guten Willens. Denn auch das titelgebende Thema betrifft alle Menschen, geht es doch um den Frieden auf Erden. Wie bedroht dieser Friede war, hatte kurz zuvor die Kubakrise gezeigt: Die Stationierung von sowjetischen Raketen auf Kuba, in Reichweite der Vereinigten Staaten, hatte die Welt gefährlich nahe an einen Atomkrieg gebracht. Nicht zuletzt aufgrund vatikanischer Diplomatie und des hohen Ansehens des „guten Papstes Johannes“ sowohl beim Katholiken Kennedy als auch bei der (nicht so katholischen) sowjetischen Führung konnte dieses Szenario abgewendet werden.

Friede und Menschenrechte

Frieden kann aber nicht nur aus der Vermeidung von offenem Krieg bestehen. Einen echten Frieden kann es nur geben, wenn die von Gott gesetzte Ordnung gewissenhaft beobachtet werde, wie der Papst gleich zu Anfang deutlich macht, eine Ordnung, wie sie aus der Natur des Menschen ablesbar ist.

Wie stellt sich Johannes XXIII. diese göttlich-natürliche Ordnung vor? Er beginnt mit einer Benennung der Rechte, die allen Menschen als Menschen zustehen. Oft ist zu lesen, damit wäre Johannes XXIII. der erste Papst, der die Menschenrechte anerkenne. Das Rundschreiben selber macht deutlich, dass der Inhalt dessen, was auch von den Vereinten Nationen 1948 verkündet wurde, schon lange von den Vorgängern auf dem Stuhle Petri gelehrt wurde. Ihrem Amt gemäß haben sie dabei immer wieder das Augenmerk darauf gerichtet, dass sowohl Frieden als auch Freiheit nicht nur durch menschlichen guten Willen zu erreichen sind.

Das kann aber nicht bedeuten, man solle die Hände in den Schoß legen oder nur zum Friedensgebet falten. Die naturgegebenen Rechte jedes Menschen sind nicht ohne ebensolche Pflichten zu haben. Johannes XXIII. betont, dass ein Frieden auf Erden sehr wohl von menschlichen Anstrengungen abhängt, angefangen vom Zusammenleben einzelner über die staatlichen Gebilde bis zu den globalen Organisationen. Dabei würdigt er die Aufgaben und Anstrengungen aller, die das Gemeinwohl zu mehren suchen, seien es einzelne, Vereine, Gewerkschaften, Parteien. Ausdrücklich geht der Papst auch auf die Rolle der Vereinten Nationen ein. Er macht deutlich, dass das Gemeinwohl, also das, was möglichst allen Menschen nützt, das oberste Ziel politischen und wirtschaftlichen Handelns sein muss.

Gemeinwohl ist nicht eine Sache von Mehrheitsentscheidungen, von Eigeninteressen oder zynischen Machbarkeitsüberlegungen. In der Konsequenz können daher ungerechte, menschenverachtende Gesetze nicht binden, auch wenn sie von noch so großen Mehrheiten beschlossen wurden. Nur wenn der Mensch in seiner Würde geachtet wird, kann sich wahrer Friede einstellen.

Auch heute erschreckend aktuell

Immer wieder verbindet der Papst philosophische Gedankengänge mit konkreten Hinweisen, wie der Frieden zu fördern ist. Als Kind ihrer Zeit greift die Enzyklika dabei die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg auf: die Aufteilung der Welt in einander „kalt“ bekriegende Machtblöcke; die damit verbundene Aufrüstung, besonders an Nuklearwaffen; die Entkolonialisierung weiter Teile der Welt und die damit verbundenen Probleme neuer Staatsgebilde; die Wirklichkeit von Diktaturen, Kriegen und Flüchtlingen. Schließlich weist Johannes XXIII. deutlich darauf hin, dass es bisher nicht gelungen ist, wirklich gerechte Strukturen zu schaffen, insbesondere in Zusammenhang mit den Entwicklungsländern und der sogenannten Dritten Welt. Auch die Vereinten Nationen und ihre Organisationen sind hier bei weitem nicht leistungsfähig genug. Dabei steht die Problematik klar vor Augen: Ein gerechter Frieden kann nicht durch Zwang und Waffengewalt erreicht werden, sondern nur durch Verständigung, Ausgleich und freiwillige Zusammenarbeit auf allen Feldern zwischenmenschlichen und -staatlichen Handelns. Dass dieser Weg keine sinnlos-utopische Bemühung ist, zeigt der Blick auf Jesus, den Friedensfürsten, der nicht durch Zwang und Gewalt herrschen will.

Fünfzig Jahre nach „Pacem in terris“ hat sich scheinbar vieles verändert auf der politischen und ökonomischen Weltkarte. Dennoch bleibt der Rundbrief von erschreckender Aktualität angesichts der vielen Konflikte unserer Zeit und lohnt eine erneute Lektüre.


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Dominik Matuschek

geb. 1982, Dr. theol., VDSt Bonn, Chefredaktion.

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