Geld regiert die Welt

An kaum einem anderen Beispiel kann man so klar sehen, wie es in der Geschichte Fortschritt gibt und die Menschen doch nicht klüger werden. Ein kurzer Ritt durch die Kulturgeschichte des Geldes.


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Schwer zu sagen, wie das Geld ursprünglich in die Welt kam. Göttliche Schöpfung scheint es nicht zu sein, im Garten Eden gab es keines – jedenfalls schweigt die biblische Erzählung davon, und rechten Sinn hätte es dort auch nicht gehabt. Geld ist Maßstab für die Knappheit; im Paradiese ist nichts knapp, gibt es nichts, was man mit Geld kaufen könnte, kaufen müsste; und ohne seine Funktion als Wertmaßstab verliert sich auch seine andere, als Machtsymbol, als Schmuck, als Fetisch, im Nichts. Mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis, nicht mit einem Beutel Münzen versucht die Schlange die sündige Eva.

Auch nach ihrer Vertreibung aus dem himmlischen Garten hatte es noch eine gute Weile, bis die Menschen des Geldes bedurften. Solange sie als Jäger und Sammler lebten, ehe sie sesshaft wurden, hatten sie für klingende Münzen keine Verwendung. Auch als Ackerbauern und Viehzüchter nicht, solange sie wesentlich Selbstversorger waren. Erst als ihre Gemeinschaften wuchsen, die Arbeitsteilung Einzug hielt und der Handel ein Ausmaß erreichte, das man nicht mehr über den Tausch von Naturalien sinnvoll abwickeln konnte, wuchs der Bedarf nach einer Verrechnungseinheit. Das Geldwesen ist eine Erfindung der Städte und der städtischen Marktplätze.

Klingende Münze: die Griechen

Vom Münzgeld, wie wir es heute noch kennen, finden wir die frühesten Spuren erst gute sechshundert Jahre vor Christi Geburt, zu Ephesus in Lydien im griechischen Kleinasien. Dann freilich ging es schnell. Bald folgten die Athener mit ihren Drachmen und die Römer mit ihren Denaren und Sesterzen, fand die Geldwirtschaft rund um das Mittelmeer eine rasche Verbreitung, und wo sie einmal Einzug gehalten hatte, ging sie nicht mehr. Dass Metallmünzen die Rolle des Geldes einnahmen, hatte ein Stück historischen Zufalls, die Babylonier verwanden statt ihrer ungefähr zur selben Zeit einfache Tontafeln; aber ohne innere Logik war es nicht. Denn Münzen aus seltenem Metall schienen wie geschaffen dafür, nachhaltig die Funktionen zu erfüllen, welche die gelehrten Professoren der Nationalökonomie dem Geld noch heute zuweisen: als Tauschmittel, als Wertmaßstab und als Wertspeicher.

Freilich war die Sache mit der Geldstabilität, wie man bei näherem Hinsehen erkennt, schon immer eine Illusion. Nicht so sehr, weil ja auch Gold und Silber und andere Münzbestandteile Rohstoffe sind, die natürlichen Preisschwankungen unterliegen; sondern weil dem jeweiligen Regenten, dessen Antlitz die Geldstücke zierte und der Herr über die Münzprägung war, meist andere Dinge wichtiger waren – die Kriegführung etwa. Die Münzverschlechterung, also die Durchmischung von Münzen mit Metallen minderen Werts zur Geldvermehrung, ist fast so alt wie die Münzen selbst; die alten Römer, die Könige von England und von Frankreich, die Habsburger: fast alle Münzherren der Geschichte bedienten sich früher oder später einmal dieser beliebten Praxis, um ihrer Geldnot kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Auf lange Sicht allerdings folgten darauf fast immer Inflation und Krise.

Fremde Reichtümer: die Spanier

Es ist wichtig, zu begreifen, dass der Wert des Geldes in diesen Fällen nicht zusammenschmolz, nur weil es weniger wertvolles Silber enthielt, also nach einem exogenen Maßstab gemessen an Wert verlor; sondern weil der niedrigere Silbergehalt die Prägung von mehr Münzen ermöglichte und höheres Angebot bei allen knappen Gütern – und auch das Münzgeld ist ein solches Gut – den Preis sinken lässt. Als die Spanier die neue Welt eroberten, nahmen sie deren Reichtum in Besitz – durch Plünderung oder durch Zwangsarbeit der Einheimischen wie in der sagenhaften Silberstadt Potosí am Cerro Rico. Mit jedem Schiff, das den Atlantik überquerte, nahm die Silbermenge zu, nicht ab; dennoch verfiel der Geldwert, und nach einem kurzen Aufschwung, welcher der Tatsache geschuldet war, dass die Geldmenge in der europäischen Wirtschaft zuvor ungesund gering gewesen war, folgte die Zerrüttung des Geldmarkts. Für Spanien selbst war der Reichtum aus Übersee auf lange Sicht jedenfalls kein Segen. Trotz des Imports von Gold und Silber musste das Königreich in seiner Glanzzeit regelmäßig den Staatsbankrott erklären, und vom scheinbar nie versiegenden Geldstrom aus Amerika verwöhnt, verpasste es die Entwicklung zum modernen Bankwesen.

Bankhandel: die Italiener

Die hatte anderswo stattgefunden, in den Städten Norditaliens zuerst, in Pisa, Florenz, Venedig, Genua, Mailand. Dort ereignete sich, als mehrere Faktoren zusammenkamen, im 13. Jahrhundert eine wahre Finanzrevolution. Als die Kreuzfahrer viele Hafenstädte im östlichen Mittelmeer unter ihre Kontrolle gebracht hatten, begann der Seehandel wieder aufzublühen, der nach der arabischen Invasion fast zum Erliegen gekommen war. Solcher Fernhandel war nun dadurch gekennzeichnet, dass die Investition in Waren, Schiffe, Mannschaften den Erträgen zeitlich weit vorauslief und die Zwischenperiode finanziert werden musste – Hauptbetätigungsfeld der Banken, wie man sie, italienisch banchi, nach den Bänken zu nennen anfing, auf denen sitzend man dergleichen Geschäfte auf den Marktplätzen machte. Freilich war der Seehandel risikobehaftet, viele Schiffe gingen verloren, und mit den Kaufleuten ging auch so mancher Kreditgeber bankrott – banca rotta, einer der italienischen Begriffe jener Zeit, die im Finanzwesen bis heute überlebt haben. Auf Gründungswellen folgten regelmäßig Pleitewellen; die Geschichte der Bankenkrisen ist so alt wie die Banken selbst. Mit der Zeit freilich begann man, sich nicht von einzelnen Unternehmungen abhängig zu machen, sondern die Risiken zu verteilen.

Die Banken und die Politik

Die Familie, die das am gründlichsten lernte, wurde bald die mächtigste, ihr Name ist noch heute klangvoll: die Medici. Sie stellte Herzöge, Kardinäle, Päpste, aber ihr Aufstieg begann als Finanzdynastie. Die Medici finanzierten buchstäblich alles, auch manche Fürsten, die an der aufkommenden Kreditfinanzierung rasch Gefallen gefunden hatten. Ohne ideologische Scheuklappen – mit den Herrschern in Italien machte man ebenso Geschäfte wie mit Sultan und Gegenpapst; so war man nur wenig davon betroffen, mit welcher Seite gerade zufällig das Kriegsglück war. Da nun die Mächtigen von ihnen abhängig waren, wurden die Kreditgeber selber mächtig und begannen sich in die politischen Händel zu mischen. Historisch in Erinnerung geblieben ist die Renaissance in Italien vor allem als Blütezeit von Geist und Kunst, was sie auch war; doch vor allem und über allem blühte das Geld, das schrankenlos regierte wie nie zuvor und selten danach. Alles war käuflich in jener tollen Zeit: die Kaiserwahl, die Papstwahl; selbst das Seelenheil machte die römische Kirche im Ablasshandel zu einer Sache des Marktpreises.

Der Fernhandel und europaweite Bankhäuser wie das der Medici brachten freilich noch andere Geldinnovationen mit sich. Zum einen die Verbreitung der kaufmännischen Buchführung, wie wir sie, im Kern, noch heute kennen; möglich geworden auch dadurch, dass der Mathematiker Fibonacci um 1200 die arabischen Ziffern nach Italien importierte, die als Recheneinheit deutlich geeigneter waren als die römischen. Zum anderen das Aufkommen des, wie man heute sagen würde, bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Brachte man nämlich eine größere Menge Waren etwa von Neapel nach Antwerpen, war es höchst unpraktisch und gefährlich, die äquivalente Menge Geldmünzen auf dem gleichen Wege retour zu liefern. Darum behalf man sich mit einem neuen Finanzinstrument: dem Wechsel. Mit ihm konnte man sich die festgelegte Geldsumme bei der Bank des Schuldners auszahlen lassen. Man konnte ihn aber auch weiterverkaufen – so dass umlaufende Wechsel bald den Charakter einer Parallelwährung annahmen.

Kredit und Spekulation

Wie auch auf kulturellem Gebiet strahlten die Finanzinnovationen der italienischen Renaissance auf das übrige Europa aus. Den Medici folgten mit zeitlichem Abstand Bankierskollegen nördlich der Alpen. Augsburg wurde Finanzmetropole mit den Fuggern und Welsern, wo die habsburgischen Kaiser ihr Geld sich liehen, später Amsterdam; in den Niederlanden fanden im frühen 17. Jahrhundert die Girokonten mit Abbuchungen und Überweisungen Verbreitung und wurden die ersten Aktienbanken gegründet, zeitweise waren sie der innovativste Finanzplatz des Kontinents. Innovativ waren freilich auch die Spekulanten; in den 1630er Jahren kam es dort zu einem Musterbeispiel dessen, was wir in späteren Zeiten an Spekulationsblasen immer wieder finden. Spekulationsobjekt waren freilich keine Immobilien oder StartUp-Unternehmen, sondern – typisch holländisch – es waren Tulpen. Die damalige Modeblume war in den vorigen Jahren bei den Wohlhabenden zunehmend populär geworden, immer extravagantere Arten wurden gezüchtet, und die Erwartung steigender Preise heizte die Spirale derart an, dass am Ende einzelne Tulpenzwiebeln so teuer sein konnten wie ganze Häuser. Es wurden Anteile und Terminkontrakte auf Zwiebeln gehandelt, die noch im Blumenbeet schlummerten, und in einer Art frühem Hochfrequenzhandel konnten solche Derivate mehrfach am Tag den Besitzer wechseln, ohne dass einer von ihnen die Zwiebel in die Hand genommen hätte. Als Anzeichen auftraten, dass die Preise fallen könnten, brach die Hausse in Windeseile zusammen, und wer seine Tulpenzwiebeln nicht rechtzeitig loswurde, konnte bald neunzehn Zwanzigstel ihres einstigen Wertes abschreiben.

Krise folgt auf Krise

Es scheint eine Art naturgesetzlicher Notwendigkeit dahinter zu stecken, dass nach jeder Finanzinnovation eine Phase des Aufschwungs folgt, dann eine der krankhaften Übertreibung mit krisenhaften Zusammenbrüchen und schließlich eine der Gesundung und Stabilisierung – bis zur nächsten Innovation. Diese nächste in unserer Erzählung, eigentlich schon eine alte Erfindung, machte in Europa im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert große Karriere: das Papiergeld. Der Geheimrat von Goethe, ein Mann mit wachen politischen Instinkten, hat ihm im Faust II ein literarisches Denkmal gesetzt. Da erlösen Faust und Mephistopheles den chronisch klammen Kaiser von seinen Geldnöten, indem sie ihm den Druck von Papiergeld nahelegen. Nur kurzfristig allerdings; als die beiden aus der Unterwelt wiederkehren, steckt das Reich in Inflationschaos und Bürgerkrieg.

Entkörperlichung des Geldes

Auch in der Wirklichkeit ging die Einführung der Geldnoten so manchesmal gründlich daneben. König Ludwig XV. von Frankreich beispielsweise überließ die Geldpolitik seines Landes einem windigen schottischen Finanzgenie namens John Law. Der Mann löste die Haushaltsprobleme durch Ausgabe von Papiergeld, das – mehr zum Schein als in der Wirklichkeit – durch Grund und Boden gedeckt sein sollte. Anfänglich ging alles gut; dann stieg Law in Rohstoffspekulationen ein und ließ die Geldmenge explodieren. Als die Blase platzte, jagte man ihn außer Landes und kehrte zum Münzgeld zurück.

Im Ganzen besser machte es die Bank of England, wenngleich auch die Geschichte des britischen Aufstiegs zur Industrieweltmacht immer wieder von Finanzkrisen begleitet ist. Das Wachstum der Wirtschaft war so groß geworden, dass die durch die Gold- und Silbervorkommen limitierte Geldmenge nicht mehr rasch genug mitwachsen konnte und sich zum Hemmnis für das reale Wachstum entwickelte. Am Papiergeld führte kein Weg vorbei. Fraglich war nur, wie man die Geldnutzer davon überzeugen sollte, dass ein Stück Papier auf Dauer ebenso werthaltig bleiben sollte wie ein Stück Gold. Man versuchte es, indem man Papiernoten emittierte, aber so tat, als seien sie Gold oder besser Bezugsrechte auf Gold und werde die Zentralbank jedem, der es verlangte, seine Geldnoten in Gold umtauschen – eine ganz ähnliche Praxis wie die, welche schon die alten Babylonier einst mit ihren Tontafeln angewendet hatten. In Wahrheit war das Zahlungsversprechen weitgehend fiktiv, denn die Idee war ja gerade, die Geldmenge durch Ausgabe des Papiergeldes zu erhöhen; die vorhandenen Goldreserven hätten im Ernstfall nie ausgereicht, um alle Noten umzutauschen. Aber die Maßnahme wirkte vertrauensbildend, und lange glaubte man noch, ihrer zu bedürfen, fast bis vorgestern, 1971, als die Amerikaner, die die Briten als Finanzweltmacht abgelöst hatten, die Goldbindung ihres Dollars aufgaben, auf die man in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs in Bretton Woods noch einmal sich verständigt hatte. Seitdem ist Geld nicht mehr Gold, oder Silber, oft nicht einmal mehr Münze oder Papier, sondern reines, körperloses Geld, Giralgeld, Computergeld, das in großer Geschwindigkeit um die Welt zirkuliert. Es hat, auch ohne Rückbindung im Stofflichen, unser Vertrauen. Und das ist eben die eigentliche Währung unserer Zeit, wie sie es im Geheimen schon immer war: das Vertrauen. Vertrauen in denjenigen, der letztlich für den Wert des Geldes, gegen das man Waren oder Dienstleistungen tauscht, garantiert: den Staat.

Kredit und Credo

Nicht zufällig trugen schon die Geldmünzen Abbilder des jeweiligen Landesherrn und tragen Banknoten allerlei Hoheitszeichen. Geld wird zu Geld, indem es durch den Staat als Geldherrn zu Geld erklärt wird. Was er dazu erklärt, Metall, Papier, Plastikkarten, spielt dabei theoretisch keine Rolle und praktisch nur insofern, dass dieser Erklärung geglaubt werden muss. Vertraut man ihm, so vertraut man dem Geld, das man gerade aus der Hand eines Fremden empfängt. Verfolgt man, wie die Bindung des Geldes an reale Werte über die Jahrhunderte abgenommen hat, scheint dieses Vertrauen im Ganzen gewachsen zu sein.

Freilich wird das Vertrauen gelegentlich enttäuscht, und wenn es nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, so doch eine nicht ganz seltene Ausnahme. Eigentlich ist es zwangsläufig. So wie das Geld eine Doppelnatur hat, Wertmaßstab für Waren ist und zugleich selbst eine Ware, so hat auch der Staat einen Januskopf. Er ist Garant des Geldes und zugleich Konsument von Geld. Beides zusammen kann man aufrichtigerweise nicht sein. Weshalb weitsichtige Politiker einst sich mühten, diese Rollen aufzuteilen und die Hauhalts- und Wirtschaftspolitik von der Zentralbankfunktion zu trennen. Freilich: Sieht man die Zauberdinge an, die Amerikaner und EU-Europäer mit ihren Zentralbanken derzeit vollführen, scheinen wir nicht in weitsichtigen Zeiten zu leben. Momentweise mag es gewiss hingehen, dass klamme Staaten sich dadurch finanzieren, dass ihre Anleihen von Banken gekauft werden, die selber klamm sind, oder von einer Zentralbank, für die am Ende niemand einsteht als sie selbst. Nur wie lange und ob lange genug: das kann man nicht wissen. Das kann man nur glauben.

 

Zum Weiterlesen

Dieter Schnaas: Kleine Kulturgeschichte des Geldes. München, 2010.

Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte. Berlin, 2009.


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