Versuchswerkstatt für Vollbeschäftigung

Die Magnetschwebebahn TRANSRAPID ist für die technologische „Heranfütterung“ eines gefährlichen Wettbewerbers nur ein der breiten Öffentlichkeit bekanntes und besonders ärgerliches Beispiel für den Konkurrenzkampf unserer Außenwirtschaft mit dem asiatischen Zweidrittel der Menschheit. Unter Führung der USA ist die westliche Großindustrie in kurzsichtiger Expansionsgier der raffinierten Strategie Deng Xiaopings (1904–1997) mit umfangreichen Direktinvestitionen auf den Leim gegangen und hat durch die Übertragung von Kapital, Wissen und Technologie (einschließlich Internet) hierzulande nicht nur menschliche Arbeitskraft abgewertet, sondern in vielen Branchen auch die Hoffnung auf beruflichen Aufstieg und Wohlstand in Frage gestellt.


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Verglichen mit der erfolgreichen Zugewinn-Politik der chinesischen Regierung bezeichne ich die Verlust-Politik westlicher Führer als armselig und kurzsichtig, werden notwendige Genehmigungen für joint-ventures doch nur noch erteilt, wenn deutsche Industrielle ihr geistiges Eigentum und Know-how der chinesischen Seite gleich mit überlassen. Schon längst interessieren sich chinesische Unternehmen auf einem der am stärksten regulierten Märkte der Welt weniger für die Produkte, als für die zu deren Herstellung erforderliche innovative Technik aus Deutschland. Das autokratische China – inzwischen zweitgrößte Wirtschaftsmacht und Exportweltmeister im Warenhandel mit Währungsreserven über 2,5 Billionen US-$ – will den demokratischen Westen mit seinen eigenen Waffen schlagen nach dem Motto: „Jetzt sind wir dran! Die gemütliche Welt in Westeuropa, die Ihr Euch nach dem Zweiten Weltkrieg (zunehmend auf Pump) geschaffen habt, ist zu Ende.“

Den Technologievorsprung verteidigen

Möge sich zu dazu jeder seine eigenen Gedanken machen. Wahr bleibt, dass wir unseren Lebensstandard nicht halten können und weitere Wohlfahrtsverluste erleiden werden, falls das, was wir produzieren, in Übersee gleich gut und oftmals deutlich preisgünstiger hergestellt werden kann. Unser mit nennenswerten Energie- und Rohstoffressourcen ohnehin nicht gesegnetes Land befindet sich in einer angreifbaren und sich zuspitzenden Situation, da schneller Altes wegbricht als Neues hinzukommt. Unsere kommunalen Gebietskörperschaften bluten zunehmend aus; ihre Steuerkraft reicht schon seit Jahren nicht mehr, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben finanzieren zu können, von den vielfach zu Holperstrecken verfallenen westdeutschen Stadtstraßen ganz zu schweigen. In konfliktscheuer Realitätsverweigerung leben wir seit den siebziger Jahren über unsere Verhältnisse und laufen seit der auf Druck der deutschen Industrie mit schleichenden Souveränitätsverlusten am Bürger vorbei erkauften Währungsunion von 1999 Gefahr, vor lauter Einebnung und Umverteilung im Kollektivismus europäischer Zentralverwaltungswirtschaft zu ersticken. Eine bedrohliche Entwicklung, aus der neben unseren politischen Repräsentanten eigentlich nur die deutsche Exportindustrie Vorteil zieht, der eine Weginflationierung von Schulden gelegen käme und der nicht nur die erweiterten Absatzmärkte innerhalb Europas zugute kommen, sondern die durch gleichzeitige Verlagerung ehemals deutscher Arbeitsplätze in die Bedarfsschwerpunkte und Niedriglohnländer in Fernost auch preisgünstiger produzieren und die heimische Konkurrenz mit reimportierten Preisbrechern in die Knie zwingen kann. Wir verlieren an Innovationskraft und drohen überrollt zu werden von Riesenkräften, die schneller lernen, als wir uns anzupassen bereit sind. Und unsere wohlversorgten Umverteilungsmanager im Berliner Reichstagsgebäude denken gar nicht daran, Konsequenzen zu ziehen und dringliche Reformen in die Wege zu leiten:

1. Solange wir nicht einen wasserdichten Weg finden, dass veränderte parlamentarische Mehrheiten finanzielle Konsolidierungserfolge einer künftigen Bundesregierung nicht wieder zunichte machen können, bin ich für unser hochverschuldetes demokratisches Gemeinwesen ohne Hoffnung. Wir müssen die staatlichen Aufgaben reduzieren, die Ausgabenschwerpunkte gezielter setzen und in den öffentlichen Haushalten endlich Überschüsse erwirtschaften, damit die seit Jahrzehnten mit Rückendeckung höchster Gerichte explizit und implizit auf das über Vierfache des Bruttoinlandprodukts aufgetürmten Staatsschulden schrittweise und nicht zum dritten Mal innerhalb von hundert Jahren durch weitere Aufblähung der Geldmenge mit anschließendem Währungsschnitt und/oder verdeckter Enteignung durch Zerstörung des Geldwertes abgebaut werden können. Das unsägliche Gefeilsche um die Zulässigkeit von Defizit-Prozenten können wir uns sparen, wenn wir bei den öffentlichen Körperschaften in Deutschland zum zwingend vorgeschriebenen Haushaltsausgleich zurückkehren und unseren Verbleib in der Währungsunion von entsprechender Handhabung in den anderen EU-Mitgliedstaaten abhängig machen.

2. Ein Primat der Politik dürfte bei sinkendem Wohlstand und steigenden Abgabenlasten nur hingenommen werden, wenn dem staatsfinanzierenden Publikum in existentiellen Zukunftsfragen unseres Landes künftig mehr Freiheitsrechte durch direktdemokratische Selbstbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Die große Mehrheit unserer Bevölkerung wird nicht länger akzeptieren, dass die Vorbelastung unseres Landes aus beiden von Deutschland verschuldeten Weltkriegen und dem unentschuldbaren, jedem menschlichen Empfinden zuwiderlaufenden Zivilisationsbruch Holocaust vom politischen Raum als Schutzschild benutzt wird, um die in unserer nur von den (westdeutschen) Landtagen verabschiedeten, nicht aber vom deutschen Volk beschlossenen Verfassung vom 23. Mai 1949 vorgeschriebene „Repräsentation“ auf ewig fortzuführen. Der deutsche Bundestag hat sich zu einer neuen Feudalherrschaft entwickelt, die Volksentscheide scheut wie der Teufel das Weihwasser; dabei „ist die erste deutsche Republik nicht etwa an Volksentscheiden zugrunde gegangen, sondern an der dem Reichpräsidenten von der damaligen Verfassung eingeräumten Möglichkeit, eine mit Notstandsverordnungen operierende Minderheitsregierung zu berufen“ (Friedrich Dieckmann).

Die schleichende Deindustrialisierung stoppen

3. Neben dringlichen Verbesserungen unseres Schul- und Ausbildungssystems ist jedoch von existentieller Bedeutung für uns alle, dass dem Abbau von Arbeitsplätzen, der schleichenden Entindustrialisierung Deutschlands, Einhalt geboten wird und die ins Ausland verlagerten Arbeitsplätze unserer produzierenden und verarbeitenden Industrie repatriiert werden! Durch institutionelle Vorkehrungen, aber möglichst im Einvernehmen mit den Unternehmen und Verbandsspitzen, muss erreicht werden, dass wieder stärker und künftig ausschließlich im Inland geforscht, entwickelt und – mit flexibleren technischen Standards für unterschiedliche Bedarfsanforderungen – produziert wird. Im Verbund mit unseren universitären und privaten Forschungseinrichtungen muss die arbeitsplätzeschaffende Realwirtschaft unseres Landes in die Lage versetzt werden, sich im internationalen Wettbewerb von Deutschland aus zu behaupten. Wenn wir bei andauerndem Frieden in Europa der schrumpfenden Nachfrage und dem Rückgang und der Überalterung unserer Bevölkerung bei zunehmender Abhängigkeit von qualifizierterer Zuwanderung und erfolgreicherer Integration realistisch ins Auge blicken, dann sollten wir uns bei aller Exportfreude nicht mit unrealistischen Wachstumsprognosen selbst etwas vormachen. Unser Geschäftsmodell, das arbeitslose Mitbürger als bedauernswerte Randfiguren eines Automatismus versteht, der deutsche Wirtschaftsunternehmen global nach Gusto zu ihrem Vorteil disponieren, ihre im Inland entlassenen Mitarbeiter dem deutschen Sozialstaat anheimstellen und damit die Staatsverschuldung immer weiter in die Höhe treiben lässt, ist in der bisherigen Form nicht länger durchzuhalten. Wenn chinesische Parteikader unter erheblichen persönlichen Risiken und Gefahren in der Lage waren, alte Zöpfe abzuschneiden und die noch in den siebziger Jahren hoffnungslos rückständige Volkswirtschaft Chinas in Richtung von mehr Marktwirtschaft zu neuen Ufern zu führen, dann ist es doch nicht zuviel verlangt, wenn wir von unseren Regierungspolitikern konkrete, mit den Sozialpartnern abgestimmte Maßnahmenvorschläge erwarten, wie die unübersehbar gewordenen Schwach- und Gefahrenpunkte unseres über viele Jahre erfolgreichen Wirtschaftssystems beseitigt werden können und die Arbeitsbevölkerung unseres Landes auch bei stagnierendem oder schrumpfendem Sozialprodukt und höherem Rentenalter beschäftigt werden und von den Früchten ihrer Arbeit leben kann. Wenn nach vier Jahrzehnten permanenter Aufschuldung mit dem Abbau der Staatsverschuldung ernstgemacht wird und unsere arbeitslosen Mitbürger nicht mehr mit Milliardenbeträgen auf Pump ohne Gegenleistung über Wasser gehalten werden können, müssen endlich auf lokaler und regionaler Ebene praktische Modelle erprobt werden, wie das Auffinden einer Arbeitsstelle durch ein neues volkswirtschaftliches  „burden-sharing“ und eine zielführendere Allokation unserer Steuermittel im Inland erleichtert und beschleunigt werden kann, ohne von Seiten eines Sozialpartners tarifäre Erpressungen befürchten zu müssen. Wenn der fürsorgliche Staat in der heutigen Form unbezahlbar geworden ist und das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit des Individuums an die Stelle umfassender staatlicher Daseinsvorsorge treten muss, dann sollte für jeden, der in unserem Land arbeiten will und zumutbar arbeiten kann, eine Arbeitsstelle auch faktisch erreichbar sein. Deshalb sollten sich – bei allem Respekt vor unseren industriellen „front-runnern“ – diejenigen von einem bindungslosen Weltbürgertum verabschieden, denen die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der örtlichen Gemeinschaften unseres Landes zur Nebensache geworden zu sein scheint, sich auf ein zumutbares Maß an gesellschaftlicher Verantwortung und Gemeinsinn besinnen und (mit Dolf Sternberger) versuchen, unseren Staat als „Gemeinschaftsverband“ zu begreifen, der jedermanns Sache ist. Auch wenn man zurecht „in der Begrenzung der Staatsmacht und der Staatstätigkeit die entscheidende Leistung der abendländischen politischen und Rechtskultur“ sehen kann (Erich Weede), findet die nach meiner Überzeugung notwendige und grundsätzlich wünschenswerte Regression der Staatstätigkeit und Domestizierung politischer Macht sicherlich dort ihre Grenze, wo das staatliche Gemeinwesen zusammenzubrechen droht; das Verhalten von Exponenten der deutschen Industrie während der bereits in Auflösung befindlichen Weimarer Republik sollte in diesem Zusammenhang sehr zu denken geben. Oder um es mit Isabel Paterson (1886–1961) im Originalton auf den Punkt zu bringen: „A production system does not determine the moral relations of society. The moral relations create the production system.“ Deshalb müssen wir alle Anstrengungen unternehmen und die normativen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, dass Deutschland eine Versuchswerkstatt für Vollbeschäftigung wird. Ich bin mir sicher: Auch die weltanschauliche Festigkeit unserer Kinder kann sich nur entwickeln und die Integration der Schüler und Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur gelingen, wenn ihnen eine berufliche Perspektive durch genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze vermittelt werden kann.Und gleichzeitig und gleichgewichtig müssen zur Absicherung der lohnabhängigen Mitarbeiterschaft „nach unten“ praktikable und zumutbare Lösungen gefunden werden, mit denen ein Mehr an Arbeitsplatzsicherheit im Einzelfall auch höher bewertet werden kann als besserer Verdienst. Dass dem auf Betrug der Solidargemeinschaft angelegten Trittbrettfahren und der Drückebergerei bei knappen öffentlichen Kassen entschiedener als bisher begegnet werden muss, versteht sich von selbst.

Bundeskanzler(in) und Länderchefs müssen sich daran messen lassen, dass auf dem Weltmarkt konkurrierende Inlandsunternehmen den notwendigen Freiraum bekommen und durch objektbezogene radikale Verkürzung von Bauleitplan-, Bodenordnungs-, Erschließungs- und Baugenehmigungsverfahren nirgends besser als im Inland investieren können. Auch im Steuerwettbewerb muss der Standort Deutschland – bei gleichzeitiger Reduzierung des staatlichen Ausgabevolumens – so günstig gestellt und müssen die steuerlichen Rahmenbedingungen für exportabhängige Unternehmen so angepasst werden, dass die Verlagerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen in ein Niedrigsteuerland oder nach Übersee unter Berücksichtigung sämtlicher Parameter vernünftigerweise unterbleibt. Die steuerliche Subventionierung ausländischer Investitionen durch steuermindernde Verrechnung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten mit Gewinnen im Inland und Abschreibung von Auslandsbetriebsstätten sollten im Rahmen deutscher Steuersouveränität eingeschränkt oder abgeschafft und die „Funktionsverlagerungsbesteuerung“ verschärft werden.

Solide Finanzpolitik unerlässlich

Und schließlich: Ohne unsere enge und unverbrüchliche Verbindung mit den Vereinigten Staaten von Amerika in Frage zu stellen, sollten wir der Keynes-verseuchten Niedrigstzinspolitik der Europäischen Zentralbank mit mehr Skepsis begegnen, mit der (nach Maßgabe der Federal Reserve) Investitionskapital nicht durch Ersparnis der Wirtschaftsteilnehmer, sondern künstlich durch inflationstreibende Geld- und Kreditschöpfung in immer größeren Mengen erzeugt worden ist. Wenn ich der Währungsunion nach der gezielten Missachtung der no-bail-out-Klausel als ihrem wirksamsten Stabilisierungsinstrument noch etwas abgewinnen soll, dann nur unter der Voraussetzung, dass sich Europa aus dem Zangengriff einer verantwortungslosen und zutiefst zerstörerischen Politik des billigen Geldes befreit, die einen Lebensstandard vorgaukelt, der längst nicht mehr vorhanden ist. Bei allen unbestreitbaren Vorzügen von Marktwirtschaft als erfolgreichem Ordnungs- und unverzichtbarem Wettbewerbsprinzip, das zur Befreiung vieler Entwicklungsländer aus tiefster Armut wesentlich beigetragen hat, dem wir zu einem guten Teil unseren Wohlstand verdanken und an dem festzuhalten wir gut beraten sind, besteht die wesentliche Schwäche eines entriegelten Laissez-Faire-Kapitalismus in seiner Unersättlichkeit, die den Kragen nicht voll bekommt. Für erfolgreiches marktwirtschaftliches Tun sind mehrhundertfach über dem Vergütungsdurchschnitt gezahlte Vorstandsgehälter, Boni und Sicherheitsleistungen, die in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zur tatsächlich erbrachten Leistung stehen und den innerbetrieblichen Zusammenhalt gefährden, nun einmal nicht erforderlich. Auch hier gilt es, den Hebel anzusetzen, ohne in leistungstötenden Egalitarismus zurückzufallen, der realiter überall gescheitert ist. Wenn wir die Zukunft bewältigen und politischen Extremismus verhindern wollen, sind durch ein gezieltes Anheben des ethisch-moralischen Anspruchs auf allen Gebieten, auf allen Ebenen und von allen Beteiligten mehr Selbstdisziplin, mehr Realitätssinn und Pflichtbewusstsein und größere persönliche Genügsamkeit und Bescheidenheit – auch in unseren Ansprüchen an den Staat und an die Gewinnmargen der Unternehmen –, nicht zuletzt aber auch mehr persönliche Rechenschaft und Haftung unserer politischen Amtsträger, einzufordern! Unter Verteidigung unserer individuellen Freiheits-, Eigentums- und Verfügungsrechte als dem unverrückbaren Fundament unseres Denkens müssen wir Deutschen eigene Wege ausfindig machen und das schädliche politische Kurzfristdenken überwinden, das unserem Gemeinwesen allmählich die Luft abschnürt.

Wenn Thomas Mann (1875–1955) die „innere Versklavung“ der Deutschen auf der Grundlage von Römer 13 auch bis auf Martin Luther zurückgeführt und das deutsche Obrigkeitsdenken, die jahrhundertelange unterwürfige Haltung der Deutschen gegenüber der Staatsgewalt, historisch begründet hat, die zu keinem Zeitpunkt – weder 1525, 1813, 1848 noch 1918 – durch eine geglückte bürgerliche Revolution überwunden werden konnte, sollte man daraus nach Jahrzehnten allgemeinen Wohlstands und vermeintlich wohlerworbener Anspruchsrechte besser keine „Ewigkeitsgarantie“ ableiten: Der Krug unserer reformfeindlichen und ziemlich verlogenen und selbstbetrügerischen Konsensdemokratie geht solange zum Brunnen, bis er an Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bricht.


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