Die DDR links überholt

Die Lektüre zum jüngsten Streit, ob die Hochschule in Greifswald noch weiterhin den Namen Ernst Moritz Arndt tragen kann, irritiert schon sehr und ich nehme mit Genugtuung zur Kenntnis, dass am 18. März 2010 für einen Verbleib des Namens im Hochschulgremium gestimmt wurde – vielleicht bin ich in diesem Kontext ja auch von meinem „Lokalkolorit“ her als gebürtiger Bonner geprägt.


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Ernst_Moritz_ArndtVor diesem Hintergrund nämlich wuchs ich mit dem Namen der in Rede stehenden Person ganz einfach auf. Wer auf das örtliche Gymnasium mit diesem Namen ging, besuchte die „EMA“, so der verbal abkürzende Jargon in den Schülerkreisen Bonns. Ich selbst war „FEGlianer“, nämlich Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasiums. Das in meiner Geburtsstadt befindliche Museum dieses deutschen Dichters und Lehrbeauftragten an der Universität Bonn aus dem 19. Jahrhundert besuchte ich seinerzeit an der Seite meiner Großmutter natürlich auch. Immerhin hat das damalige Wohndomizil Arndts beide Weltkriege überstanden.

Im Unterricht für Deutsch und Geschichte tauchte der Name gelegentlich auf und – ähnlich wie beim Komponisten Beethoven – wurde mit Stolz auf diesen berühmten (Wahl-)Bonner schulisch verwiesen. Mir ist aus dem mir nahegebrachten Wissen noch in Erinnerung, dass Ernst Moritz Arndt in seiner Frühzeit gegen das Leibeigentum kämpfte. Arndt war sowohl heimatnah als Professor in Greifswald wie auch in Bonn beruflich tätig. Wiederholt wurde er von politischen Entwicklungen betroffen, so wurde er beispielsweise von den monarchistischen Kräften als „Demagoge“ immer wieder politisch verfolgt und erst 1840 rehabilitiert. Arndts Schriften und Anregungen führten zum Entstehen von studentisch-christlichen Vereinigungen in den Hochschulstädten Gießen, Heidelberg, Marburg/Lahn und an anderen Orten. Einige dieser Vereinigungen können als Vorgänger der Burschenschaften gezählt werden, die auf dem Hambacher- bzw. Wartburgfest für ein geeintes, demokratisches Deutschland eintraten. Arndt gilt deshalb auch als bedeutender Literat im Vorfeld der deutschen Einigung. Sein Lied „Was ist des Deutschen Vaterland?“ war lange Zeit die inoffizielle Hymne der Einigungsbewegung. Arndt war zudem Abgeordneter und Alterspräsident der Deutschen Nationalversammlung 1848/49 in der Paulskirche zu Frankfurt am Main. Seine letzte Ruhe fand (und findet) er auf dem Alten Friedhof in Bonn.

Als Briefmarkensammler ergatterte ich in jungen Jahren für 30 Pfennig die Neuausgabe (200. Geburtstag) zu seinen Ehren so um 1970 herum – wobei in Bonn der Vorteil bestand, auf Wunsch auch den Ersttagsstempel gleich vor Ort am Hauptpostamt zu bekommen. Etwa 1 ½ Jahrzehnte später, nämlich Mitte der 1980-er Jahre, erfuhr ich vom Erscheinen einer silbernen Gedenkmünze, die die damalige DDR zu seinen Ehren (125. Todesjahrestag) aufgelegt hatte – siehe Abbildung.

Gedenkmünze Arndt DDRGerne hätte ich dieses Gedenkstück schon rein herkunftsbedingt (s. o.) und auch als Münzensammler bezogen, doch der Verkaufspreis von damals um die DM 100,– schloss einen käuflichen Erwerb als Studiosus ganz einfach aus. Erschienen im Jahr 1985, zeigt die Münze auf der Motivseite das Kopfbild von Ernst Moritz Arndt mit Blickrichtung nach rechts vorn zwischen den Jahreszahlen „1769“ und „1860“. (Der Todestag jährte sich vor kurzem zum 150. Mal.) Darunter befindet sich in Bogenform der Schriftzug „ERNST MORITZ ARNDT“. Auf der Wertseite befindet sich das Staatswappen der DDR über der Jahreszahl, der Nominaleinheit „MARK“, der Wertzahl „20“ des Nominals und dem Kürzel der Prägestätte Berlin. Die Umschrift beinhaltet den Landesnamen „DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK“. Der schöne Silberling hat immerhin ein Gewicht von gut 20 Gramm.

Inhaltlich war ich zunächst ein wenig überrascht und auch sehr erfreut. Bei Lichte besehen verehrte nämlich die DDR völlig zu Recht Arndt als Kämpfer gegen den Feudalismus (was ihm an beiden Universitäten immer wieder den Job gekostet hat) und auch als ein Garant einer Freundschaft mit Russland. Die sozialistische Blockpartei der Nationaldemokraten (NDPD) in der DDR war, wie ich heute weiß, zudem Trägerin der Ernst-Moritz-Arndt-Ehrung. Ferner unterhielten die Jungen Pioniere ausdrücklich einen Ernst-Moritz-Arndt-Chor.

Doch damit nicht genug: in der DDR gab es zudem eine Ernst-Moritz-Arndt-Medaille, die nämlich eine Auszeichnung des Nationalrates der Nationalen Front der DDR war und diese wurde im Lauf der Jahre etwa 10.000 mal – vor allem an Kulturschaffende – verliehen. Die Medaille zeigt Arndts Portrait und die Unterschrift „Das ganze Deutschland soll es sein“. Bekannte Empfänger der Medaille waren unter anderem der Komponist der DDR-Nationalhymne Johannes R. Becher und der Autor der Fernsehsendung „Der Schwarze Kanal“, Karl-Eduard von Schnitzler.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun wirklich die Frage, warum einige Kräfte in Greifswald so nachhaltig versuchten, diese verdiente Persönlichkeit zum Gedanken eines demokratischen Deutschlands in Frieden und Einheit aus der Geschichte unseres Landes zu tilgen und ihm ein zustehendes, ehrendes Angedenken zu verweigern. Natürlich hat es in den Jahren des Dritten Reiches schlimmste Missbräuche (eben auch ein Überstrapazieren des nationalen Gedankens) gegeben; im Jahr 1933 ist die Hochschule in Greifswald erstmals mit dem Namen Ernst Moritz Arndt versehen worden. Deshalb aber gleich die ganze Person zur Unperson zu erklären, ist aber gewiss sehr verkürzt. Da war die Administration der damaligen DDR im Zuge einer namentlichen Bestätigung ganz einfach weitschauender…


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Johannes Engels

geb. 1958, Dr. rer. pol., VDSt Köln.

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