Die deutsche Gesundheitskasse

Die Kosten im Gesundheitswesen explodieren. Das heutige System scheint unbezahlbar zu sein. Die Regelungen für dieses Gebiet, insbesondere im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung, sind nicht mehr überschaubar. Der Grund: Zahlreiche Änderungsgesetze, die sich als Flickschusterei herausgestellt haben. Deutschland braucht eine bezahlbare und funktionsfähige Krankenversicherung in Solidargemeinschaft unter öffentlicher Aufsicht.


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Erforderlich sind grundlegende Strukturänderungen. Der Verfasser macht hierzu Vorschläge. Als Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Bielefeld und später Erfurt der Holz-Berufsgenossenschaft überschaut er mehr als eine Viertel Million Arbeitsunfälle. Soweit es erforderlich war, hat er bei der ersten Meldung dieser Arbeitsunfälle leitende Verfügungen getroffen. Er hat das Heilverfahren gesteuert und das Rehabilitationsmanagement (Reha-Management) verfügt. Die Berufsgenossenschaften werden neidisch betrachtet. Sie sind finanzierbar. Der Beitragsfuß ist stabil. Die berufsgenossenschaftliche Selbstverwaltung – paritätisch besetzt mit Arbeitnehmern/Arbeitgebern, obwohl die Arbeitgeber den Beitrag allein bezahlen – erfüllt ihre Aufgaben seit über 100 Jahren mit Erfolg. Sie hat mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle zu verhüten und nach einem Arbeitsunfall zu rehabilitieren und zu entschädigen. Die Zahl der Arbeitsunfälle – gerechnet auf 1.000 Vollarbeiter – sinkt kontinuierlich. Seit 1991 hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle halbiert.

Die Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschen nahm ihren Anfang mit der von Bismarck verfassten Kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881. Diese Magna Charta der deutschen Sozialversicherung war der Grundstein für die Errichtung der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung. Diese Sozialversicherung hat sich bewährt – über Kriege und Inflationen hinweg. Sie wurde bei der Herstellung der deutschen Einheit in der ehemaligen DDR wieder eingeführt. Sie war Vorbild für viele Ostblockstaaten. Die Bismarcksche Idee stand Pate bei der Errichtung der Pflegeversicherung. Der Verfasser meint, dass es sich lohnt, im Text der Botschaft zu lesen:

„Für diese Fürsorge, nach Krankheit, Arbeitsunfall, Invalidität und Alter die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben des Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluss an die realen Kräfte diese Volkswillens und das Zusammenfassen der letzteren in Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfang nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erhalten sein.“

Aktueller können Rat und Hilfe nicht sein! Der Staat ist der Aufgabe allein nicht gewachsen. Gefordert wird eine solidarische Genossenschaft mit Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht. Der Verfasser regt an, neu anzufangen und bei null zu beginnen.

Achtung! Die folgenden Ausführungen sind keine Erläuterungen geltenden Rechts der Krankenversicherung (de lege lata). Sie bringen Neues (de lege ferenda).

Utopia

Auf der Insel Utopia ist das Recht des Gesundheitswesens im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – geregelt. Die wichtigsten Regeln sollen hier vorgestellt werden.

Welche Aufgaben hat die Krankenversicherung?

Sie hat 1. mit allen geeigneten Mitteln Krankheiten zu verhüten, 2. nach Eintritt der Krankheit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten wieder herzustellen und sie durch Lohnersatzleistungen abzusichern. Mit der Prävention hat die Krankenkasse ein lohnendes Niemandsland betreten. Im Vordergrund stehen hier nicht die kurative und die rehabilitative Medizin, sondern die präventive. Nunmehr sind andere Wissenschaften gefordert, zum Beispiel Sportmedizin, Gesundheits- und Ernährungswissenschaft, Psychologie. Die Selbstverwaltung hat hier ein großes Betätigungsfeld. Was hat sie in der Vergangenheit geleistet? Man erinnert sich nur noch an Bauchtanz. Mit der neuen Prävention sind bereits erhebliche Kosten eingespart worden. Sie wirkt langfristig und nachhaltig. Die Selbstverwaltung hat begonnen einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln. Er muss ausgebaut und verbessert werden. Erste Maßnahmen waren zum Beispiel: 1. Wer das Deutsche Sportabzeichen erwirbt – ein Zeichen von Fitness, erhält 100 Euro. 2. Jeder Rentner erhält auf Kosten der Krankenversicherung regelmäßig Fußpflege – Ziel: Gehen gleich Bewegung. Das Ziel der Prävention ist messbar: Die Prävention hat die Zahl der Krankheiten pro 1000 Versicherte bereits reduziert. Der Erfolg der früheren Aufgabe, Gesundheit zu erhalten, war nicht messbar.

Wer ist kraft Gesetzes versichert?

Gegen Krankheit sind grundsätzlich alle deutschen Staatsbürger versichert – unabhängig, ob sie Beitrag zahlen oder nicht. Die Rettung des Gesundheitswesens verlangte die Solidarität aller Deutschen. Anders war das Gesundheitswesen nicht zu retten. Anders konnte es nicht genesen. Die Versicherungspflicht wurde abgekoppelt von der Tätigkeit als Arbeitnehmer. So sah es der Koalitionsvertrag (2009) richtiger Weise vor: Man müsse „die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abkoppeln“. Eine Jahresarbeitsentgeltgrenze gibt es nicht mehr – Vorbild: Schweiz. Die Besserverdiener werden in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen, nicht weil sie den Versicherungsschutz brauchen, sondern weil sie solidarisch die Krankenversicherung der Geringverdiener mitfinanzieren müssen. Dies verlangt der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz). Es gibt Ausnahmen: Der Deutsche, der sein Einkommen im Ausland versteuert, ist nicht versichert (Ausstrahlung). Der Ausländer mit zu versteuerndem Einkommen in Deutschland ist mit Angehörigen versichert (Einstrahlung). Der Krankenversicherung dürfen keine fremden Lasten aufgebürdet werden – zum Beispiel keine Versicherungspflicht für Gefangene aus Guantánamo, Flüchtlinge. Der Staat hat diese Fremdlasten unmittelbar zu tragen.

Was ist der Versicherungsfall?

Der versicherte Wechselfall des Lebens ist die Krankheit. An der Definition dieses Begriffes wird gearbeitet. Diese Definition wird die Grundsätze der World Health Organization (WHO) und die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von behinderten Menschen von 2006 beachten.

Auf welche Leistungen haben die Versicherten Anspruch?

Versicherte haben neben den Leistungen auf Prävention Anspruch auf die klassischen Leistungen der Heilbehandlung einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und auf Lohnersatzleistungen (Krankengeld). Die Behandlung umfasst insbesondere Erstversorgung, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln; ferner häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen – ambulant/stationär – sowie Belastungserprobung. Belastungserprobung meint nicht nur die stufenweise Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz, sondern die medizinische Behandlung mit dem Ziel – ohne Berufshilfe –, den Kranken wieder an die Arbeit zu bringen. Die Krankenversicherung hat die Leistungen vorrangig zu erbringen und nicht subsidiär. Die Versicherten haben Anspruch auf eine Behandlung nach dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der medizinische Fortschritt ist zu beachten. Kurz: Die Versicherten haben Anspruch auf die erforderlichen Leistungen.

Der Versicherte – der Mensch – steht im Mittelpunkt, nicht das Kostendenken der Krankenkassen. Um es vorweg zu nehmen, das vermeintliche Sparen am Anfang ohne Blick über den Tellerrand hinaus verursacht erhebliche – vermeidbare – Folgekosten zu Lasten der Solidargemeinschaft. Diese Gelder werden zum Fenster hinaus geworfen. Sie bringen den Versicherten keinen Vorteil, sondern Schaden in der Rehabilitation. Der Anspruch der Versicherten ist einklagbar. Im Streitfall wird der medizinische Sachverständige – ein praktizierender Arzt – vorgeben, was dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Die Versicherten erhalten drei Gutachter zur Auswahl. Zur Beschleunigung des Verfahrens ist ein einziger Gutachter pro Instanz verbindlich (Vermeidung eines Gutachtensunwesens).

Etliche Einrichtungen konnten aufgelöst werden, zum Beispiel der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Gemeinsame Bundesausschuss, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (Nebenprodukt durch Wegfall der letzteren: Der Patient darf ambulant im Krankenhaus behandelt werden). Wo ist das Personal dieser Einrichtungen geblieben? Je nach Fähigkeit und Neigung in der neuen Krankenversicherung, in Erziehung, Bildung, Umwelt und Pflege.

Gestrichen wurden die Vorschriften über Praxisgebühren und Zuzahlungen. Sie stellten schädliche Leistungskürzungen dar. In nicht wenigen Fällen konnte der Versicherte die Mittel nicht aufbringen. Er erhielt deshalb die erforderlichen Leistungen nicht. Sein Leiden verschlimmerte sich dadurch – mit erheblichen Folgekosten. Die Maßstäbe ausreichend und notwendig wurden fallen gelassen. Sie führten zu Leistungskürzungen. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit blieb bestehen. Das Beharren auf ausreichend und notwendig durch die Krankenkassen führte zum Beispiel bei Missbrauchsopfern zu Leistungskürzungen. Die Opfer verlangten die Kosten für diese erforderliche Behandlung, die sie von der Krankenkasse nicht erhielten, von den Tätern. Diese zahlten nicht – Verjährung, Zahlungsunfähigkeit. Die Opfer konnten die Zahlungen für die erforderliche – von der Krankenkasse nicht übernommene – Behandlung nicht selbst aufbringen. Die Folgen sind katastrophal. 1. Fall: Ein Mädchen wurde zigmal von ihrem Stiefvater vergewaltigt. Drei Jahre danach – sie ist 17 Jahre alt – begeht sie Selbstmord. Für eine Krankenkasse, bei der nicht der Mensch im Mittelpunkt steht, sondern die kostenorientiert ist: eine kostengünstige Lösung. 2. Fall: Ein Junge wurde missbraucht. Er wurde aus dem Leben geworfen. Er wird niemals eine Arbeit aufnehmen. Lebenslang Sozialhilfe/Grundsicherung. Kosten ungefähr eine Million und mehr Euro. Verursacht durch die Krankenkasse, die nur ausreichende und notwendige Leistungen erbrachte. Bei Erbringung der erforderlichen Leistungen durch die Krankenkasse hätte das Opfer ein menschenwürdiges Leben mit Teilhabe an der Arbeit und Gesellschaft führen können. Eine Million und mehr Euro hätten eingespart werden können. Das wäre wirtschaftlich gewesen. Und vor allem: dem Opfer wäre geholfen worden. Die mangelhaften Leistungen der Krankenkasse führten nicht zur Heilung. Sie verschlimmerten das Leiden des Opfers.

Die Regelleistung in der stationären Behandlung ist das Einbettzimmer. Die frühere Regelleistung Mehrbettzimmer war verfassungswidrig. Sie verstieß gegen das höchste Grundrecht, die Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz). Der Gesetzgeber ließ es nicht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ankommen. Die Nächte, die der Verfasser im Mehrbettzimmer verbringen musste (ein Einbettzimmer gegen Zuzahlung war nicht verfügbar), waren die schlimmsten seines Lebens. Man ist nicht gesund, hilflos und immungeschwächt. Man wird einem gewaltigen Stress ausgesetzt. In die Intimsphäre des Kranken dringen das ungewollte (Schnarchen, Röcheln, Furzen und so weiter) und das gewollte (Schreien, Sex-Fernsehen, Scharen von unbekannten Besuchern) Verhalten der fremden Mitpatienten ein. Die Einführung des Einbettzimmers führte nicht zu einer Kostensteigerung. Das Gegenteil ist der Fall.. Im Einbettzimmer kommt es zu einer schnelleren und besseren Genesung des Kranken. Das Einbettzimmer löste – wie vorher schon in den Niederlanden – das kostenträchtige Hygieneproblem. Das Einbettzimmer führte zum notwendigen Bettenabbau in den Krankenhäusern. Die Reha-Kliniken haben seit Jahrzehnten grundsätzlich das Einbettzimmer.

Wie sind die Leistungen zu erbringen?

Dienst- und Sachleistungen sind von Amts wegen zu erbringen. Es gelten die Grundsätze ambulant vor stationär, Heilbehandlung/medizinische Rehabilitation vor Pflege und Rente. Die Krankenversicherung ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Versicherte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Die erforderlichen Leistungen sollen nahtlos ineinander greifen. Die Beachtung dieser Grundsätze wird durch ein Reha-Management in Verantwortung der Krankenversicherung sichergestellt. Die anderen Sozialversicherungen sind einzubinden. Diese haben die Kosten des Reha-Managements der Krankenversicherung mitzutragen, da sie wesentliche Nutznießer des Reha-Managements sind. Erbringt die Krankenkasse für andere Vorleistungen, besteht insoweit ein Erstattungsanspruch. Das Reha-Management ist in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts bei den Berufsgenossenschaften und den Haftpflichtversicherten entwickelt worden. Der Grund für das Reha-Management: Der Versicherte darf nicht durch das gegliederte System der Sozialversicherung leiden oder Schaden nehmen. In der Reha-Kette gab es zu viele Rehabilitationslöcher. Beispiele: Es wurde keine Rehabilitation eingeleitet, zu spät oder nicht im erforderlichen Umfang. Folgen, die durch Reha-Management vermieden worden wären: Der Versicherte wird arbeitslos (er erhält nicht die erforderliche Behandlung, er kann nicht mehr seine alte Arbeit aufnehmen), er wird Rentner (wegen zu geringer Reha-Maßnahmen kann er nicht mehr arbeiten) oder ein Pflegefall (die Krankenversicherung beendet zu früh die Behandlung in einer neurologischen Klink). In der Praxis gab es nicht selten das Verschieben des Patienten von einem Reha-Träger zum anderen. Die vermeidbaren Folgekosten betragen im Einzelfall eine Million Euro und mehr. Die Berufsgenossenschaften und die privaten Versicherer haben die Reha-Löcher frühzeitig erkannt. Sie steuern mit dem Reha-Management dagegen und sparen erhebliche Kosten. Im Einzelfall ist dadurch auch das Reha-Ergebnis für die Versicherten besser. Wieso Haftpflichtversicherung? Beispiel: Sie hat – etwa nach einem Verkehrsunfall – an Stelle ihres Versicherungsnehmers das schwer verletzte Opfer zu entschädigen. Sie hat dem Sozialversicherungsträger die diesem aus dem Unfall entstandenen Kosten zu erstatten. Sie sieht, wie dieser durch schlechtes Management die hohen vermeidbaren Folgekosten produziert. Diese kommen auf die private Versicherung zu. Was macht sie? Sie nimmt den Versicherten an die Hand und bezahlt die erforderlichen Leistungen unmittelbar selbst an den Arzt und die anderen Leistungserbringer. Sie zahlt die erforderlichen acht Wochen in der richtigen Reha-Klinik, damit der Versicherte wieder arbeitsfähig wird. Von der Kranversicherung hätte der Verletzte vielleicht nur vier Wochen Reha in einer billigen Klinik erhalten, ohne wieder arbeitsfähig zu werden. In einem anderen Fall beendet die Krankenversicherung die stationäre Behandlung eines Koma-Patienten in einer neurologischen Klinik nach vier Monaten. Sie verschiebt den Patienten als lebenslangen Pflegefall in die nicht budgetierte Pflegversicherung. Die private Versicherung übernimmt die erforderliche Behandlung von acht Monaten mit der Folge: Der Versicherte ist nicht mehr pflegebedürftig. Damit dieses Verschieben entfällt, wurden Krankenversicherung und Pflegeversicherung voneinander getrennt.

Führt mangelndes Reha-Management zu dem Umstand, dass nachrangige Leistungsträger unnötige und vermeidbare Leistungen erbringen müssen, besteht insoweit ein Regressanspruch dieser Leistungsträger gegenüber der Krankenversicherung. Die Sanktion durch den Regress war erforderlich, weil die seit Jahrzehnten im Gesetz vorgesehen Beschleunigungsgebote von den Sachbearbeitern nicht beachtet und in der Praxis nicht umgesetzt wurden. Ein Regress entfällt, wenn die Krankenversicherung – gegen Kostenerstattung – sich des Reha-Managements einer Berufsgenossenschaft oder einer privaten Versicherung (korrekt: letzteres Management ist unabhängig, es arbeitet im Auftrage von privaten Versicherungen) bedient.

Wie wird die Heilbehandlung durchgeführt?

Die Krankenversicherung hat entsprechend den sich bewährten Verfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung eigene Verfahren entwickelt: Erstvorstellung bei einem Gesundheits-Arzt, der als solcher von der Krankenkasse zugelassen wird. Oder Erst-Vorstellung in einem von der Krankenversicherung zugelassenem Krankenhaus (Gesundheitsnetzwerk). Sie entwickelte stationäre Akut-Verfahren und ambulante/stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen.

Der Versicherte hat bei der Abrechnung der Leistungserbringer mitzuwirken. Wie erreicht man hier Transparenz? Zwei Beispiele von zig möglichen: 1. Der Versicherte kontrolliert die Rechnungen. Stellt er einen Fehler fest und wird dieser korrigiert, erhält der Versicherte zehn Prozent des zu viel gezahlten Betrages. 2. Verschafft sich der Patient seine Medikamente günstiger (zum Beispiel im Ausland) erhält er einen Teil der Ersparnis. Die freiwillige Einführung der Gesundheitskarte hat sich auf den verschiedenen Feldern bewährt. Hervorzuheben ist die Reduzierung der Todesfälle bei Polypharmazie (Einnahme von vielen Medikamenten gleichzeitig). Der Anspruch auf Aufklärung zur Patientenverfügung wird gut angenommen.

Wer ist der Krankenversicherungsträger?

Es ist die Deutsche Gesundheitskasse. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht (Bundesversicherungsamt).Organe der Selbstverwaltung sind die Vertreterversammlung und der Vorstand. Der Geschäftsführer/die Geschäftsführung erledigen hauptamtlich die laufenden Verwaltungsgeschäfte. Die Monopolkörperschaft des öffentlichen Rechts ist der richtige Träger für die Krankenversicherung. Die Gesundheitskasse kann ihre Versicherten optimal vor Ort betreuen. Der Lobbyist privater Krankenversicherer schrie vergeblich (Bundesverfassungsgericht, 4. Februar 2004) auf: Versicherungspflicht für alle in einer gesetzlichen Krankenkasse ist verfassungswidrig. Es ist umgekehrt: Es ist verfassungswidrig, wenn sich nicht alle an der gesetzlichen Krankenversicherung solidarisch beteiligen. Pacta sunt servanda: Alte Verträge mit Beamten und Besserverdienern bleiben für die private Krankenversicherung bestehen.

Die zig Krankenkassen der Vergangenheiten haben keinen Wettbewerb betrieben. Geschichtlich musste die Krankenversicherung in einer Krankenkasse enden: 1908 23.000 Krankenkassen, 1938 5.000, 1990 1.000, 1997 500 und nach 2010 unter 100. Eine Monopol-Krankenkasse bedeutet nicht Einheitsversicherung. Die neue Behörde ist keine unbewegliche Mammut-Behörde wie die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte oder die Bundesanstalt für Arbeit. Sie ist ein moderner Dienstleister wie die Bundesagentur für Arbeit. Auch die mit Erfolg arbeitenden Berufsgenossenschaften sind Monopol-Versicherungen. Das Bundesverfassungsgericht (5. März 1974) hat diese Monopolstellung nicht beanstandet. In der Selbstverwaltung sind vertreten: Gesunde Beitragszahler und kranke Beitragszahler. Die zuständigen Vertretungsverbände sind entstanden. Dazu zählen nicht Arbeitgeber, Gewerkschaften und Parteien. An die Stelle von Staat und Politik ist die Selbstverwaltung getreten. Die Selbstverwaltung ist fähig, bezahlbare Verträge mit Leistungserbringern zu vereinbaren, so zum Beispiel Gebührenordnungen mit Ärzten und vernünftige Pharmapreise. Sie forscht und stellt fest, was der Stand der medizinischen Erkenntnisse ist.

Wie werden die Mittel aufgebracht?

Beitragspflichtige sind die Versicherten. Die Beiträge werden nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grund nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (Vorbild: Umlageverfahren der Berufsgenossenschaften). Gegebenenfalls nicht im darauffolgenden Jahr. Zur Sicherung des Beitragsaufkommens erhebt die Gesundheitskasse Vorschüsse bis zur Höhe des voraussichtlichen Jahresbedarfs. Die Beiträge werden vom Fiskus erhoben. Dieser erhält für die Bearbeitung von der Gesundheitskasse eine Entschädigung. Arbeitgeber gehören nicht zu den Beitragspflichtigen. Wir haben nicht mehr das Zeitalter der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Damals waren die Arbeitgeber die Ursache für die sozialen Probleme der Arbeiter. Heute gibt der Arbeitgeber den Versicherten durch Arbeitsplätze die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben. Warum sollte der Arbeitgeber weiter beteiligt sein? Es war nicht einzusehen, dass ein Arbeitgeber mit vielen Beschäftigten (zum Beispiel Gebäudereiniger) einen sehr hohen Beitrag zur Krankenversicherung zahlen musste, während der Arbeitgeber, der Roboter einsetzte und einen hohen Gewinn erzielte, mit einem ganz geringen Beitrag davon kam. Die Entlastung des Arbeitgebers hat nicht zu einem höheren Gewinn geführt. Die Entlastung wird verwandt für Loherhöhung, Investitionen, Neueinstellungen, Bildung und Umwelt. Da im Raubtierkapitalismus (Helmut Schmidt) die Arbeitgeber diese Maßnahmen nicht freiwillig ergriffen, mussten Staat und Gewerkschaft/Arbeitgeber dies regeln.

Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Höhe der Einkommenssteuer des Versicherten im Umlagejahr für alle Einkunftsarten (Einkommensteuer) und das gesamte Aufkommen der Einkommensteuer (Gesamteinkommensteuer). Der Beitrag errechnet sich wie folgt: Einkommenssteuer mal Umlagesoll durch Gesamteinkommenssteuer. Beispiele: 1. Alleinverdiener mit 40.000 Euro pro Jahr, verheiratet, ein Kind, Einkommensteuer Steuerklasse 3,1: 3.830 Euro. Beitrag gleich Einkommensteuer 3.830-mal Umlagesoll (nach Abzug der staatlichen Zuschüsse) 140 Milliarden durch Gesamteinkommensteuer 157 Milliarden gleich 3415 Euro, wenig mehr als der bisherige Krankenkassenbeitrag in Höhe von 3.160 Euro (aber: wahrscheinlich mehr Lohn, weil der Arbeitgeber keine Beiträge entrichtet). 2. Fall wie zuvor, Jahreseinkommen jedoch 20.000 Euro. Dieses Einkommen ist nicht steuerpflichtig. Es sind keine Beiträge zur Krankenkasse zu zahlen. Der frühere Kassenbeitrag betrug 1.580 Euro. Eine echte Verbesserung für die Geringverdiener.

Fazit: Einsparungen und bessere Heilbehandlungsergebnisse

Die vorgestellten Regelungen haben bereits erhebliche Einsparungen gebracht. Folgende Einsparungen sind das Ziel (die Beträge sind gegriffen; sie können höher oder niedriger sein):

  • Bürokratieabbau: 10 Milliarden Euro
  • Prävention: 20 Milliarden Euro
  • Reha-Management/Regress: 20 Milliarden Euro
  • Gesundheitskarte: 10 Milliarden Euro
  • Rechnungsprüfung durch die Versicherten: 5 Milliarden Eur

Trotz Einsparungen wurden für die Versicherten die Qualität ihrer Behandlung und ihr Behandlungserfolg verbessert.


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Jürgen Nehls

geb. 1939, Jurist, VDSt Berlin & Charlottenburg.

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