Ein Leben für die Freiheit

Unter Verbindungsstudenten wird man kaum einen finden, dem seine Gedichte nicht bekannt sind. Auch heute noch werden Lieder wie „Sind wir vereint zur guten Stunde“ und „Was ist des deutschen Vaterland?“ gerne auf festlichen Veranstaltungen gesungen. Den anderen aber muss man sein Leben wieder näher bringen. Vor 150 Jahren, am 29. Januar 1860, ist Ernst Moritz Arndt gestorben, und es ist wohl angemessen, sich zu seinem Todestag noch einmal eingehend mit Leben und Werk des äußerst bekannten und einflussreichen Publizisten und Freiheitskämpfers zu befassen.


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Ernst_Moritz_ArndtBeginnen wir mit den Zahlen und Fakten. Geboren wurde Ernst Moritz Arndt am 26. Dezember 1769 in Groß Schoritz auf Rügen, im damaligen Schwedisch-Pommern. Neun Monate zuvor war sein Vater Ludwig für 80 Taler aus der Leibeigenschaft des Grafen Malte von Putbus entlassen worden. Arndt studierte zwischen 1791 und 1794 in Greifswald und Jena die Fächer Theologie, Philosophie und Geschichte. Nach seinem erfolgreichen Examen arbeitete er von 1796 bis 1798 als Hauslehrer bei dem Pfarrer und bekannten Schriftsteller Gotthard Ludwig Kosegarten am rügenschen Nordkap Arkona. In dieser Zeit entschied er sich gegen einen kirchliche Werdegang.

Der Magisterprüfung und Promotion folgten binnen kurzer Zeit eine Anstellung als Privatdozent (1800), Dozent (1801) und schließlich als außerordentlicher Professor  für Geschichte und Philosophie an der Universität Greifswald (1806).

Gleich zu Beginn seiner langen Laufbahn als Schriftsteller schafft es Arndt, mit seinem Buch „Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ (1803) verändernd in die politische Wirklichkeit einzugreifen. Seine Parteinahme gegen die rücksichtslose Ausbeutung der Hörigen macht ihm zwar die „Edelleute“ und „junkerisch gesinnten Großpächter“ zu Feinden, bewirkt aber maßgeblich die Abschaffung der Leibeigenschaft in den damals schwedisch besetzten Gebieten Pommerns. „Wenn dem so ist, so hat der Mann recht“, soll König Gustav IV. Adolf nach der Lektüre der Anklageschrift Arndts geäußert haben.

In „Germanien und  Europa“ (1803) fasste Arndt seine Ansichten über die Geschichte Europas zusammen, zugleich enthielt es seine erste längere Analyse über die Gewaltherrschaft Napoleons. Aufgrund der Niederlage Preußens gegen die Franzosen in den Schlachten bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 sah sich Arndt  gezwungen, nach Schweden zu flüchten. Dort vollendete er den zweiten Teil seiner später sehr populären Schrift „Geist der Zeit“, in der er sich mit dem Niedergang der europäischen Politik auseinandersetzt und seine Kritik an Napoleon verschärft.

Illegal nach Deutschland zurückgekehrt, nimmt der einst Preußen gegenüber kritisch gesinnte Arndt im Jahr 1809/10 Verbindung mit preußischen Patrioten, Militärs und Reformern auf. In der Hoffnung auf eine an Preußen orientierte deutsche Volksbewegung und auf eine europäische Allianz gegen Napoleon wirkte er ab 1812 als Privatsekretär des Freiherrn vom und zum Stein. In zwei ereignisreichen Jahren, die Arndt nach Russland und später hinter den fliehenden französischen Truppen bis zur Völkerschlacht bei Leipzig führten avancierte er mit seinen zahlreichen Liedern, Gedichten und propagandistischen Schriften zu dem wohl einflussreichsten Dichter der Befreiungskriege. Das Lied „Des Teutschen Vaterland“, welches später von Gustav Reichhardt großartig vertont wurde, galt, neben Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“, lange Zeit als inoffizielle Hymne der deutschen Einigungsbewegung und wurde später auch von Regimekritikern der DDR verwendet. Den nationalliberalen Burschenschaften nahestehend, gilt Arndt als geistiger Wegbereiter des christlichen Wingolfsbundes.

In Deutschland wirkte seine aus militärstrategischer und politischer Sicht entstandene Schrift „Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Gränze“ (1813), die zur Rückgewinnung der linksrheinischen Gebiete aufrief, über das 19.Jahrhundert hinaus. Arndt appellierte an das Freiheitsgefühl der Deutschen und entwarf ein kultur- und sprachhistorisch begründetes Bild von der deutschen Nation.

Nach der Hochzeit mit Anna Maria Schleiermacher, der Halbschwester des Theologen Friedrich Schleiermacher, zog Arndt 1817 nach Bonn, wo er ab 1818 an der neu gegründeten preußischen Universität zum ordentlichen Professor für neuere Geschichte berufen wurde. Nach dem Mord an Kotzebue wurde Arndt, der entschieden für die Einheit der deutschen Staaten, für eine Verfassung, demokratische Grundrechte und Pressefreiheit kämpfte, im Jahr 1819 im Zuge der sogenannten Demagogenverfolgung verhaftet und schließlich 1820 ohne Gerichtsurteil seines Lehramtes enthoben.

Erst 1840 wurde Arndt durch Friedrich Wilhelm IV. rehabilitiert, unter Beifall der Studenten und Bonner Öffentlichkeit wieder in seine Professur gehoben und kurze Zeit später zum Rektor der Universität gewählt. Als „gutes altes deutsches Gewissen“ wirkte Arndt 1848/49 als Abgeordneter der gemäßigt national-liberalen Partei Heinrich von Gagerns in die Frankfurter Nationalversammlung. Als der preußische König die Kaiserkrone ablehnte, zog sich Arndt schwer enttäuscht zurück. Bis zu seinem 84. Lebensjahr lehrte Arndt wieder als Professor in Bonn, bis er am 29. Januar 1860 im Alter von 90 Jahren aus dem Leben schied. Seine Grabstelle befindet sich noch heute auf dem Alten Friedhof in Bonn.

Wahrscheinlich würde sich Ernst Moritz Arndt im Grabe umdrehen, würde er jene Ereignisse miterleben, die sich zurzeit an der Greifswalder Universität abspielen. Dort hat sich eine Allianz aus Angehörigen der Hochschulgruppen der Grünen, des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes und der Jungsozialisten formiert mit dem Ziel, ihn als Namenspatron der Universität Greifswald zu entfernen. Die Begründung: Arndt war Antisemit, Franzosenhasser und Nationalist. In einer Abstimmung der Studentenschaft ergab sich zwar eine Mehrheit gegen die Umbenennung; da die letzte Entscheidung aber beim Senat der Universität liegt, geht die Debatte vorerst noch weiter.

Es besteht kein Zweifel daran, dass man sich kritisch mit Arndts franzosenfeindlichen und antijudaistischen Schriften auseinandersetzen muss; es besteht aber ebenso kein Zweifel daran, dass diese nur einen sehr kleinen Teil von Arndts Gesamtwerk ausmachen. So urteilte die berühmte Philosophin Hannah Arendt, die selbst jüdischen Glaubens war und aufgrund dessen 1937 von den Nationalsozialisten ausgebürgert wurde: „Von spezifischen Rasseelementen oder selbst von völkischen Vorstellungen ist bei ihm [Arndt] nicht viel zu finden.“ Es ist auch falsch, zu meinen, dass Arndt erst von den Nationalsozialisten seine späte Würdigung erhalten habe. Bereits zu Lebzeiten, im Jahre 1856 wurde Arndt zum 400jährigen Jubiläum der Universität Greifswald auf dem damals neu eingeweihten Rubenowdenkmal als Vertreter der Philosophischen Fakultät ein Denkmal gesetzt, was er humorvoll als frühzeitig ausgestellten Totenschein kommentierte. Auch andere historisch bedeutsame Persönlichkeiten beriefen sich auf Ernst Moritz Arndt, so zum Beispiel der deutsche Freiheitskämpfer Robert Blum, und auch der heute von den Linken glühend verehrte und 1919 von den Freikorps ermordete Kommunist Karl Liebknecht berief sich in einer hitzigen Reichstagsdebatte auf Ernst Moritz Arndt. Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass sich auch der deutsche Widerstand gegen Hitler innerhalb der Wehrmacht auf Arndts Katechismus für den deutschen Soldaten berief, worin er aufrief: „Denn wenn ein Fürst deutschen Soldaten befiehlt, Gewalt zu üben gegen die Unschuld und das Recht, […] müssen sie nimmer gehorchen.“. Auch an anderen Stellen finden wir in Arndts Werk pazifistisches Gedankengut, zum Beispiel: „Sprechet den großen Grundsatz aus und lehret ihn eure Kinder und Kindeskinder als das heiligste Gebot eurer Größe und Sicherheit: Daß ihr nie fremde Völker erobern wollet…“.

Ernst Moritz Arndt steht in der deutschen Geschichte für den Kampf gegen die Leibeigenschaft, für Meinungsfreiheit und vor allem für Demokratie. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Greifswalder Universität nicht von den zurzeit aktiven Bilderstürmern beeinflussen lässt und ein Ort der Erinnerung an diesen großen deutschen Freiheitskämpfer bleibt.


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Sebastian Jakubzik

geb. 1985, Historiker, VDSt Greifswald.

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