Enteignung? Schön wär’s. Zwangsverschuldung!

Der Euro-Kurs stagniert auf einem niedrigen Niveau, die Staatsanleihen werfen kaum noch Zinsen ab oder verlieren an Wert. Die EZB, die Staatsanleihen kauft, um eine Zahlungsunfähigkeit gefährdeter Eurostaaten abzuwenden, muss mit Verlusten rechnen. Eine mittelbare Beteiligung der Steuerzahler an den „Rettungsaktionen“ ist daher nicht von der Hand zu weisen, aber es ist nur der Anfang.


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Die Verlautbarung von Eurogruppenchef Dijsselbloem, das Vorgehen der zypriotischen Regierung gegen die Anleger der zwei größten Kreditinstitute des kleinen Inselstaates könnte ein Modell für andere europäische Länder werden, stieß auf vehemente Kritik aller politischen Kräfte in anderen EU-Staaten, insbesondere in Deutschland. Die Bundeskanzlerin beeilte sich über ihren Regierungssprecher, den Deutschen mitzuteilen, dass ein Merkmal der Einlagen-Garantie sei, „dass sie gilt“. Zypern sei demnach ein Sonderfall, in anderen EU-Ländern könne so etwas niemals passieren, schon gar nicht in Deutschland.

Bankenbranche: Problemkind oder Sündenbock?

Zyperns Finanzsektor sei völlig überdimensioniert, so ist überall zu lesen. Er mache einen Anteil von über 9 % am BIP des Landes aus, das sei viel zu viel! Genau das sei der Grund für die Krise. So hoch sei der Anteil der Finanzindustrie in keinem anderen Euroland. Auf den ersten Blick klingt es plausibel, betreiben die Banken doch keine Wertschöpfung und haben ein Geschäftsmodell, das alles andere als nachhaltig ist. Es wird jedoch außer Acht gelassen, dass der Beitrag der Finanzbranche zum BIP in Großbritannien (ein EU-Land!) oder der Schweiz bei über 10 % liegt, in Liechtenstein gar die Marke von 30 % erreicht. Eine mit Zypern vergleichbare Krise ist in diesen Ländern aber (noch?) nicht in Sicht. Es könnte also sein, dass nicht nur der Anteil der Banken schuld an der Krise ist. Es mag ein Zufall sein, dass gerade die Länder nicht von der Krise betroffen sind, die den Euro nicht haben. Genau wissen wir es nicht.

Niemand hat die Absicht, die Anleger zu enteignen.

Das, was gerade in Zypern geschieht, ist nicht neu in der Wirtschaftsgeschichte. In der Vergangenheit griff der Staat in Zeiten der Krise immer wieder in das Vermögen seiner Bürger ein. Diesmal bekommt der Eingriff jedoch eine neue, bisher noch nicht gekannte Qualität: Die Anleger der Bank of Cyprus werden nicht nur enteignet (nach den aktuellen Meldungen sollen von allen Anlagen über 100.000 Euro 37,5 % eingezogen werden, der Rest könnte eingefroren werden, bis die Zukunft der Bank geklärt ist). Sie werden auch zwangsverschuldet, wenn der Gesetzgeber nichts dagegen unternimmt. Das könnte geschehen, wenn Bankkunden (insbesondere Geschäftskunden) Darlehensvaluta von derselben oder einer anderen Bank auf ihrem Konto parken, um beispielsweise in ihr Unternehmen zu investieren. Es ist bisher nichts darüber bekannt, ob zwischen eigenem und geliehenem Geld unterschieden werden wird, was für sich auch nicht ganz einfach sein dürfte. Von dem geliehenen Betrag sollen nun mindestens 37,5 % abgezogen werden, der Bankkunde muss jedoch weiterhin volle 100 % plus Zinsen zurück zahlen. Zur Enteignung kommt also eine Zwangsverschuldung. Dass das zu einem Einbruch aller anderen Wirtschaftszweige auf Zypern führen wird, ist ausgemacht. Daneben kann der Eingriff in die Privatautonomie der Bürger (Begrenzung des Bankenverkehrs, Höchstbeträge für Auszahlungen und Überweisungen etc.) eher als harmlos bezeichnet werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden kann, und abzuwarten, ob diese Regelung angesichts möglicher handwerklicher Fehler (Ungleichbehandlung der Banken und der Bankkunden, unterschiedlicher Einlagearten, Problematik der Einordnung als Steuer oder Abgabe angesichts ausländischer Bankkunden etc.) vor Gerichten Bestand haben wird.

Dass das Vorgehen in Zypern kein Vorbild für andere Eurostaaten sein wird ist nur eine Glaubensfrage, eine tatsächliche Möglichkeit besteht durchaus. Der nächste Kandidat innerhalb der EU ist Slowenien, gefolgt von Spanien und Italien. Allesamt Spezialfälle, die auf andere nicht übertragbar sind.


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Pavel Usvatov

geb. 1983, Jurist, VDSt Straßburg-Hamburg-Rostock.

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