Gesundheitswesen 2.0

Kein Sektor unserer Wirtschaft ist so institutionalisiert wie das Gesundheitswesen. In über einem Jahrhundert ist es nicht gelungen, das Versicherten- bzw. Patienteninteresse zum Maßstab seiner Weiterentwicklung zu machen.


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Preis, Leistung, Umfang, Zeitpunkt und Qualität des Angebots werden zwischen Krankenkassen und den Selbstverwaltungsorganen anonym festgelegt. Gesetzlich Versicherte sind Zwangsmitglied einer Krankenversicherung, in der Beiträge und Leistungen politisch „verordnet“ werden. Die Leistungsanbieter teilen im System der Selbstverwaltung das Budget, das ihnen die Politik vorgibt, auf. Ob es dem wirklichen Bedarf entspricht, also dem, was die Patienten in freier Selbstverfügung über diese Mittel nachfragen würden, spielt keinerlei Rolle. In der öffentlichen Debatte wird für Defizite dieses Systems jeweils das Unvermögen eines der Beteiligten diagnostiziert. Mal sind es die Kassen, mal die Ärzte und Krankenhäuser, denen Versäumnisse angelastet werden. Letztendlich gibt es nur einen Grund, warum es nicht zu einer grundsätzlichen Reform kommt: das Eigeninteresse der an der Verwaltung des riesigen Budgets von über 260 Mrd. Euro Beteiligten. Der einzige hieran Nicht-Beteiligte ist der Versicherte bzw. Patient. Es ist ein staatlich garantiertes Monopol mit all seinen negativen Ausprägungsformen. Das häufig vorgetragene Argument, Preis und Leistung seien im internationalen Vergleich hervorragend, kann dem nicht abhelfen.

Angebot und Nachfrage

Wie könnte man die individuellen Präferenzen von Versicherten und Patienten in eine Reform unseres Gesundheitswesens einbringen? In einer solchen „neuen Version“ sollten die Versicherten mit ihrer Nachfrage möglichst unmittelbar auf die Angebotsseite einwirken können. Der Versicherte muss sich eine von gesetzlichen Einschränkungen freie, private Krankenkasse suchen können, die ihr Leistungspaket bei den Anbietern frei zusammenstellt und im Markt anbietet. Mindeststandards der angebotenen Leistungen, Kontrahierungszwang und ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Versicherten bilden den ordnungspolitischen Rahmen.

Kapitaldeckung

Das Kapitaldeckungsverfahren müsste integraler Bestandteil eines solchen Systems sein, um nicht weiterhin künftige Generationen mit den eigenen Versäumnissen zu belasten. Die Kapitaldeckung kann in 1–2 Generationen bis zur vollen Höhe der notwendigen Alterungsrückstellungen ausgebaut werden. Auf diese Weise verhindert man die übermäßige Belastung der aktiven Generationen. Die Beitragshöhe müsste vom Lohn entkoppelt werden und auf Basis der am Markt verfügbaren Leistungen, Preise und des Morbiditätsrisikos unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts kalkuliert werden.

Der Marktpreis pendelt sich ein

Medizinische Leistungen würden unter diesen Rahmenbedingungen zu jedem gewünschten Zeitpunkt in gewünschter Menge und Güte zur Verfügung stehen; Produkt- und Preiswettbewerb wären über die Konkurrenz der Versicherungsunternehmen sichergestellt. Ist der Versicherte mit dem Preis/Leistungspaket „seiner“ Krankenversicherung nicht zufrieden, kann er sich eine teurere oder auch günstigere Alternative mit anderem Leistungsspektrum und anderer Preisstruktur suchen. Für Geringverdiener und sozial Bedürftige müsste der Beitrag für den politisch definierten Mindeststandard aus Steuern finanziert werden. Der Willkür der Politik wäre Einhalt geboten und die freie Wahl des einzelnen in einem sozialen und weitgehend freien System garantiert. Die Leistungsanbieter erhielten ein „Markt“-Einkommen, einen fairen Preis, den der Patient über die Wahl seines Tarifes zu zahlen bereit ist. Ob ein solches System teurer oder billiger wäre, ist zweitrangig, solange es die Präferenzen der Menschen für Gesundheitsdienstleistungen in Konkurrenz zu anderen Gütern widerspiegelt. Aber solange Politiker die fehlerhafte Allokation im Gesundheitswesen Ärzten, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie anlasten können, wird es kein Interesse an der Freiheit des Patienten geben, aber viele Talkshows, die ihre Berechtigung weitestgehend daher ableiten, dem staunenden Zuschauer die künstlich erzeugte Komplexität der Welt vorzuführen.

 

Weiterführende Literatur: www.kvzentrale.com/files/ebooks/gkv.pdf (Bauer, Vanessa: Krankenkassen im Vergleich)


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Dieter Heimsath

geb. 1958, Volkswirt, VDSt Hannover.

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