Gradlinig, unabhängig, unbequem
Marc Zirlewagen zur neuen Biographie über den Diplomaten und VDSter Rudolf Nadolny von Peter Hahn.
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AnmeldenRudolf Nadolny war „der unbequeme Diplomat“ schlechthin. So beurteilt FAZ-Autor Peter Hahn in seinem neuen Buch einen der profiliertesten VDSter. Dass dieser trotz teilweise hoher Posten (siehe unten) heute nur noch wenigen bekannt ist, begründet Hahn mit Nadolnys gescheiterten politischen Alternativkonzepten: 1933 warb er für eine Normalisierung des Verhältnisses zur UdSSR, 1945 für den Erhalt eines einheitlichen deutschen Staates. Jeweils stellte er sich damit gradlinig, unabhängig und eben auch unbequem gegen die herrschende Regierungsmeinung. Seine Erlebnisse hat Nadolny in „Mein Beitrag – Erinnerungen eines Botschafters des Deutschen Reiches“ geschildert. Dieser Tatenbericht fiel allerdings „ausschweifend“ aus, so der Historiker Günter Wollstein. „Nadolny aber sollte gelesen, in Erinnerung gebracht werden“, sagt Hahn. Auf Anregung des Enkels Sten Nadolny hat er daher ein Buch zur Annäherung an Rudolf Nadolny herausgegeben. Dessen Leben in Kaiserreich, Weimarer Republik, „Drittem Reich“ und im Nachkriegsdeutschland bringt er in über 20 Geschichten aus verschiedenen Perspektiven auf den Punkt und ergänzt sie mit einer Fülle von bislang teils unbekanntem Bildmaterial. Kurze Einführungen machen den jeweiligen Zusammenhang klar, einige Exkurse spannen den Bogen vom Damals zum Heute. Zugute kamen Hahn neben der Nutzung des umfangreichen Nachlasses im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts auch Unterlagen von Nadolnys Nachfahren. Nadolnys Zeit im VDSt Königsberg, die sein Leben nach eigenem Bekunden maßgebend beeinflusste, ist zwar nur kurz erwähnt, aber immerhin mit einem Chargenfoto unterlegt. Seit 1. April 2014 ist Nadolnys Nachlass frei zugänglich. Hoffentlich trägt Hahn mit seinem sehr lesenswerten Buch zu einer Neuentdeckung Nadolnys und einer intensiven Nutzung seines Nachlasses bei.

Peter Hahn: Rudolf Nadolny. Der unbequeme Diplomat, Oase Verlag, Badenweiler 2014, 312 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Dokumenten, ISBN 978-3-88922-100-1, 22 Euro
Zitate
„Nun hätten sie gehört, der deutsche Kaiser habe seinen Stellvertreter nach Urmia geschickt, um hier Ordnung zu machen. Daher fragten sie mich, ob ich nicht an ihre Spitze treten und den Oberbefehl über ihre Truppen übernehmen möchte. Ich bekam einen Schreck. König von Kurdistan, um Gottes willen! Aber die Leute waren wirklich rührend. Ich erklärte also, ich sei nur ein einfacher deutscher Legationsrat.“ (Rudolf Nadolny, 1913)
„Hitler wurde sehr heftig und sagte mir, er habe vierzehn Jahre richtig getippt und werde auch diesmal richtig tippen. Hierauf sprang er auf, lief um den Tisch herum und schlug mit der Faust darauf. Auch ich wurde erregt. Ich sagte ihm, dass ich seit dreißig Jahren Außenpolitik machte, und er könne mir keinen Fehler nachweisen, und schlug ebenfalls mit der Faust auf den Tisch.“ (Rudolf Nadolny, 1933)
Beide Zitate entstammen dem besprochenen Buch.
Lebensdaten
Rudolf Nadolny 1873–1953
1892–96 Jurastudium in Königsberg, Mitglied im VDSt
1902–03 Tätigkeit im Auswärtigen Amt, Referate Recht und Handelspolitik
1903–07 Vizekonsul in St. Petersburg
1907–13 Auswärtiges Amt, Referat Russland
1913 Sonderbeauftragter in Persien
1914 Geschäftsträger in Albanien
1915/16 Leiter der Sektion Politik im Großen Generalstab der Armee
1916 Gesandter in Kermanshah (Persien)
1917 Auswärtiges Amt, Leiter des Referats Russland
1919 Leiter des Büros von Reichspräsident Friedrich Ebert
1920–24 Gesandter in Stockholm
1924–33 Botschafter in Ankara
1932/33 Delegationsleiter bei der Genfer Abrüstungskonferenz
1933/34 Botschafter in Moskau
1934 Versetzung in den Ruhestand
1936–41 Landwirt auf Gut Briesen
1941–48 Pächter des Guts Katharinenhof in Gransee
1950 Stellv. Vorsitzender der „Gesellschaft für die Wiedervereinigung Deutschlands“
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