NÖSPL – ein Stück DDR-Wirtschaftsgeschichte

Um die von 1963 bis 1970 stattgefundene Entwicklung, die auf deutschem Boden zu einer bis heute einmaligen und zugleich interessanten geldgeschichtlichen Entwicklung geführt hat, besser bewerten zu können, sollte eine kurze Betrachtung zur Vorgeschichte vornan gestellt werden.


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Die DDR entstand am 7. Oktober 1949 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Aufgrund der ausgesprochen hohen Besatzungs- und Reparationslasten, die die Sowjetunion in der Gestalt nachhaltiger Demontage durchführte, hatten die Menschen auf diesem Gebiet im Vergleich zu jenen in den drei westlichen Besatzungszonen ganz besonders stark zu leiden. Zudem wurden wirtschaftliche Schlüsselbereiche durch Überführung in damals so bezeichnete Sowjetische Aktiengesellschaften ganz unmittelbar durch die Besatzungsmacht enteignet. Als Vorwand diente das Argument, dass Industrielle und Großgrundbesitzer ausnahmslos sich als Kriegsverbrecher schuldig gemacht hätten. Fernerhin erwies es sich als fatal, noch im Spätsommer 1945 auf sowjetisches Geheiß hin, mit der Enteignung von landwirtschaftlichen Großflächen zu beginnen. Das Junkerland, welches nunmehr in Bauernhand gelangen sollte, hätte dementsprechend mit genügend Gebäuden und Gerätschaften ausgestattet werden müssen, was so auf die Schnelle gar nicht gelingen konnte. Somit kam es bereits 1946 zu einem massiven Ernteeinbruch und einer drohenden Hungersnot. Zwar war unmittelbar nach Kriegsende die sozio-ökonomische Lage in West- und Mitteldeutschland noch etwa gleich verheerend, doch schon in den kommenden Jahren zeichnete sich ein zunehmendes Gefälle zuungunsten des mitteldeutschen Teils ab. Dies drückte sich denn auch schon Mitte 1948 in konkreten Zahlen aus: als nämlich im Juni 1948 mit amerikanischer Unterstützung die neue Deutsche Mark (DM) eingeführt wurde, drohte mit dem abrupten Kraftloserklären der bisherigen Papiermark ein enormer inflatorischer Überhang im Gebiet der SBZ. Gerade in der SBZ zeichnete sich ohnehin ein immer größer werdender güterwirtschaftlicher Mangel ab. Nun drohte das in den westlichen Besatzungszonen für ungültig erklärte Geld in einem großen Strom in die SBZ herüberzuschwappen. Es musste sofort reagiert werden, und so schuf man die vom Volksmund ehedem so bezeichnete „Tapetenmark“.

Mit kleinen Wertabschnitten wurden damals die Reichsmarknoten beklebt, und nur die auf diesem Wege gekennzeichneten Banknoten behielten bis auf Weiteres ihre Gültigkeit. Natürlich war dies keine Lösung auf Dauer, denn die einfach gestalteten Aufkleber konnten leicht gefälscht werden. Innerhalb von drei Tagen war damit Deutschland zwischen seinem westlichen und seinem mittleren Teil gespalten worden; der ursprünglich östliche Teil jenseits von Oder und Neiße war ja bereits unmittelbar nach Kriegsende Polen zugeschlagen worden. Schon Mitte 1948 gab es auf den an sich illegalen, aber freien Umtauschmärkten ein Wertegefälle zugunsten der westlichen DM. Schließlich füllten sich im Westen schon rasch nach der Einführung der DM wieder die Schaufenster und die Regale, während dies auf dem Gebiet der späteren DDR überhaupt nicht passierte. Konnte man schon Ende 1949 im westlichen Teil Deutschlands damit beginnen, die Wirtschaft der Lebensmittelkarten einzustellen, dauerte dies im mittleren Teil noch fast zehn Jahre länger. Überhaupt war festzustellen, dass es anders als im DM–Währungsgebiet nicht zu einem Gleichgewicht des geld- und des güterwirtschaftlichen Sektors kam, obwohl man bereits mit Einführung einer eigenen Markwährung in der SBZ einen ersten großen Geldabschöpfungsversuch unternahm.

In diesem Umstellungsprozess sperrte man in der SBZ bis auf kleinste Geldbeträge sämtliche Bankguthaben, und es konnten auch nur geringe Summen in physischer Form umgetauscht werden. Alles, was pro Person mehr als 100 Mark ausmachte, galt per se als verdächtig und wurde oftmals entschädigungslos eingezogen. Nachdem alle Versuche zur Abhilfe nicht fruchten wollten und auch alle Beschimpfungen auf den kapitalistischen Klassenfeind im Westen nicht zum gewünschten Erfolg führten, entschied man sich, den verbrecherischen Geldschiebern aus dem Westen das ach so schmutzige Handwerk zu legen.

Der dazu entscheidende Schlag wurde im Oktober 1957 geführt. An nur einem Sonntag mussten die physischen Geldbeträge in neues Geld umgetauscht werden, und just an jenem Tag wurden auch die Bankkonten umgestellt, wobei es auch hier wieder genaueste Prüfungen gab, wenn jemand verdächtig viel „Knete“ gebunkert hatte. Richtig war allemal, dass körperlich vorhandenes Geld, welches sich an jenem Herbsttag nicht im Territorium der DDR befand, fürwahr nicht mehr umgetauscht werden konnte. So mancher Geldwechsler im Westen konnte in diesem Zusammenhang seinen Wertbeständen nur noch müde hinterher winken… Die neue Banknotenserie unterschied von der Vorgängerserie vor allem durch eine andere Farbgebung und ein neues Datum. Offenbar war das Vorhaben schon länger geplant, da die Jahreszahl auf „1955“ lautete.

Auch diese Kaufkraftabschöpfung führte aber nicht zum erhofften Durchbruch. Zum 10. Jahrestag der Republik (anno 1959) wollte man mit „freiwilligen“ Sonderschichten den Tisch der Republik fleißig decken, und zudem wurde eine Störfreimachung der Wirtschaft als Leitmaxime herausgegeben. Zudem hatte bis zum Bau der Mauer die DDR-Führung alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht müde werdend, stets mit der offenen Grenze nach Westen hin begründet. Doch schon im Laufe des Jahres 1962 zeigte sich, dass die Wachstums- und Versorgungsschwierigkeiten der DDR-Wirtschaft mit der Schließung der Grenze keineswegs beendet waren. Der Zuwachs der Industrieproduktion beispielsweise lag 1962 auch nicht höher als im Krisenjahr 1961, und das Nationaleinkommen wuchs 1962 um nur einen Prozentpunkt gegenüber 1961; der einige Jahre zuvor mit großem propagandistischem Aufwand auf den Weg gebrachte Siebenjahrplan musste vorfristig abgebrochen werden. Im Kreis der Wirtschaftsfunktionäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die den VI. Parteitag vorbereiten sollten, wuchs die Einsicht, dass das bisherige System der Planung und Lenkung der Volkswirtschaft reformiert werden musste, wollte die DDR wirtschaftliches Wachstum mit einer besseren Versorgung der Bevölkerung verbinden.

Das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung (NÖSPL)

Zu diesem Zeitpunkt musste nämlich der interne Zirkel der politischen Führung der DDR nüchtern feststellen, dass die Ende der 1950er Jahre propagierte „Störfreimachung der Wirtschaft“ gescheitert war.

Auf dem VI. Parteitag der SED, nämlich im Januar 1963, kündigte Walter Ulbricht eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik nach dem „Grundsatz des höchsten ökonomischen Nutzeffekts“ und der „materiellen Interessiertheit“ an. Wie wichtig diese Neuorientierung genommen wurde, zeigte sich auch in den personalpolitischen Entscheidungen des Parteitages: Eine Reihe von Wirtschaftsspezialisten rückte ins Politbüro der SED ein. Noch im Juni 1963 verabschiedete eine gemeinsam vom Zentralkomitee (ZK) der SED und dem Ministerrat einberufene Wirtschaftskonferenz die „Richtlinie für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖSPL). Sie wurde somit Mitte 1963 vom Staatsrat der DDR als Richtlinie der künftigen Wirtschaftspolitik beschlossen.

Die DDR-Führung hielt damit an den Grundprinzipien der sozialistischen Wirtschaftspolitik – dem staatlichen Eigentum an Produktionsmitteln und der zentralen Planung – fest, versuchte aber, ihre Zentralverwaltungswirtschaft leistungsfähiger und flexibler zu machen, indem sie in verstärktem Maße die technisch-wissenschaftliche Intelligenz in die Planung und Leitung einbezog und „materielle bzw. ökonomische Hebel“ zur Steigerung der individuellen und betrieblichen Leistungen ausnutzte. Die Betriebe sollten in begrenztem Maße selbst über die Verwendung erzielter Gewinne entscheiden können. An die Stelle des bisherigen primär auf Mengenplanung und zentrale direkte Steuerung ausgerichteten Systems trat eine Planfestsetzung, die mehr auf indirekte Steuerung durch Zinsen, Prämien, Abgaben und Preise setzte. Neu waren nunmehr Vereinbarungspreise zwischen den Betrieben; fest dagegen blieben unverändert die Endverbrauchspreise (EVP). Durch Festlegung neuer Arbeitsnormen und Leistungskennziffern und durch ein System von Geld- und Urlaubsprämien sollten Werktätige und Betriebsleitungen zu größeren Leistungen angespornt und damit Rentabilität und Produktivität der DDR-Wirtschaft insgesamt gesteigert werden.

Konsequenzen im NÖSPL/ Einführung von Genossenschaftsgeld auf lokaler Ebene

Ein nach außen hin sichtbares Zeichen war ab 1963 die Möglichkeit zur Einführung von so genanntem „LPG-Geld“. LPG, das hieß Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich praktisch alle Bauern in der damaligen DDR in den über 10.000 dementsprechenden Genossenschaften und Volkseigenen Gütern „eingebracht“. Dabei gab es gewisse Typisierungen des Vergesellschaftungsgrades. Am stärksten fiel diese bei dem LPG Typ III aus, während LPG Typ I noch etwas eigenes Gartenland um den bewohnten Hof gestattete. Somit stellte der Volksmund zutreffend fest: „LPG Eins – jedem seins – LPG Drei – einerlei!“

Besagtes LPG-Geld wurde zunächst als innerbetriebliche Verrechnung der einzelnen Arbeitsgruppen und Produktionsbereiche verwendet. Dabei wurden in einzelnen Bezirken zunächst neutrale Wertzeichen ohne Angabe einer bestimmten Genossenschaft gedruckt und auf Antrag über die Bezirksebene den LPG zur Verfügung gestellt. Diese stempelten dann ihren Namen ein und brachte diese Wertzeichen in Umlauf. Der Gegenwert musste natürlich bei der Deutschen Notenbank bzw. später bei der Staatsbank der DDR hinterlegt werden, um eine inflatorische Geldschöpfung zu verhindern; mit Kaufkraftüberhängen hatte man ja in den Vorjahren bereits mehr als genug an Kummer gehabt. Kennzeichnend ist aber, dass Investitionen aus Gewinnakkumulation im NÖSPL erstmals (und letztmals) möglich wurden.

Nach dem Stand der Forschung (Hans Fillmann/ Kai Lindman) gab es knapp zwei Dutzend verschiedener Neutraldrucke, die offensichtlich in den Gebieten von sieben der insgesamt fünfzehn Bezirke Anwendung fanden. Die erste LPG, die das innerbetriebliche Verrechnungsgeld einführte, war die LPG in Dahlen bei Leipzig. Sie trug den Namen des damaligen Staatsoberhauptes „Walter Ulbricht“ – diese Namensgebung war zu jener Zeit keineswegs außergewöhnlich.

Trugen die ersten Ausgaben von Genossenschaftsgeld bis zum Sommer 1964 noch die Bezeichnung „DM“, so änderte sich dieses für die kommenden Jahre in „MDN“, nämlich Mark der Deutschen Notenbank. Jahreszahlen sind auf den Genossenschaftsgeldern nur selten zu finden und wenn überhaupt, dann nur am unteren Rand in verschlüsselter Form bzw. gelegentlich durch Stempelungen. Obiger Hinweis hilft aber damit zumindest ein Stück weit, eine zeitliche Eingrenzung vornehmen zu können.

Bei der Umsetzung des NÖSPL in die Praxis traten aber auch Schwierigkeiten auf. Ein wirklicher Kosten-Nutzen-Vergleich war nicht möglich, da auch die in drei Etappen durchgeführte Industriepreisreform nicht die geforderten „kostengerechten Preise“ festsetzen konnte. Das komplizierte System der Löhne, Prämien und Urlaubsvergütungen führte nicht nur zu Leistungssteigerungen, sondern auch zur Unzufriedenheit bei den Betroffenen. Die Leistung und damit die Entlohnung waren oft abhängig von Faktoren, die nicht der einzelne Arbeiter, sondern die Betriebsleitung oder die zentrale Planung zu verantworten hatten: fehlendes Material, veraltete Maschinen, mangelnde Ersatzteile. Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob sich Ende 1965 der damalige Wirtschaftsminister Apel wirklich selbst erschossen hat oder ob hier die Hände Dritter im Spiel waren. Auf alle Fälle verlangte die Gesamtsituation trotz erkennbar werdender Erfolge nach Korrekturen.

Ökonomisches System des Sozialismus (ÖSS)

Der VII. Parteitag der SED vom April 1967 verkündete somit schließlich den Übergang vom Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung zum Ökonomischen System des Sozialismus und das Konzept der „Struktur bestimmenden Aufgaben“. Das ÖSS brachte weitere Fortschritte in der Entwicklung eines flexiblen Preissystems. Die Betriebe erhielten größere Entscheidungsbefugnisse. Auch im ÖSS wurde der Abbau der Planauflagen fortgesetzt. Investitionen und der Bau neuer Anlagen sollten sich nunmehr auf einige „Fortschrittsindustrien“ konzentrieren, wie die Elektrotechnik und den Werkzeugmaschinenbau. Für diese Schwerpunktprogramme galten wieder umfassende Plankennziffern. Die forcierte Förderung dieser Sektoren sollte die Leistungen der DDR-Industrie auf Weltniveau bringen und den Stand der Bundesrepublik erreichen. Vor allem im Bereich der Automatisierung hatte die DDR-Industrie einen großen Nachholbedarf. Unter dem Motto „Überholen ohne einzuholen“ sollte dieser Rückstand so schnell wie möglich beseitigt werden – typisches Denken nach Machart des Dialektischen Materialismus.

1967 wurde zudem die Zahl der zentral vorgegebenen Kennziffern erheblich reduziert, fernerhin wurden acht Industrieministerien gebildet (wie beispielsweise die Ministerien für Chemische Industrie, für Elektrotechnik, für Leichtindustrie), die die zum jeweiligen Industriezweig gehörenden Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB, die Konzernspitzen der angegliederten volkseigenen Betriebe) leiten, koordinieren und kontrollieren sollten. Neu war auch, dass ein Stück weit ein eigener Außenhandel von den Betrieben wahrgenommen werden konnte. Ein recht bekanntes Beispiel war das Uhrenkombinat Ruhla aus dem Raum Thüringen.

Konsequenzen im ÖSS/ Die bunte Welt des Genossenschaftsgeldes

Für viele sichtbar wurde diese Entwicklung in einer fürwahr besser werdenden materiellen Versorgung sowie beschleunigt ansteigenden Löhnen und Renten. NÖSPL bzw. ÖSS brachten für jedermann bemerkenswerte Verbesserungen mit sich.

Sichtbar wurde dies aber auch in einer nunmehr sich rascher ausbreitenden Anwendung des Genossenschaftsgeldes. Dieses konnte nämlich jetzt auch individuell von den einzelnen Kombinaten ausgefertigt und angewendet werden; eine entsprechend gleich hohe Hinterlegung bei der Notenbank bzw. der späteren Staatsbank der DDR natürlich unverändert vorausgesetzt.

Schnell dehnte sich nun auch der Umlauf auf Firmen außerhalb der landwirtschaftlichen Genossenschaften aus. So wurden Produkte und Leistungen mit den Volkseigenen Gütern und den ortsansässigen Betrieben verrechnet. So gab es auch Beispiele, wo einzelne Geschäfte oder private Handwerksbetriebe dieses Geld in Zahlung nahmen. Es fand zudem Anwendung in LPG-eigenen Kantinen bzw. Einkaufsgeschäften; ein Einkaufsbummel am Alex war damit aber zu keinem Zeitpunkt möglich.

Eine einheitliche zentrale Ausgabe der Wertscheine gab es also nicht. Die Deutsche Bauernbank sollte in den einzelnen Verwaltungsbezirken dafür Sorge tragen. Es war aber letztlich den Genossenschaften überlassen, ob sie dieses innerbetriebliche Zahlungsmittel einführen und anwenden wollten oder nicht. Zumeist wurden derartige Emissionen häufig bei der nächsten Druckerei in Auftrag gegeben. Damit kam es zu einer höchst unterschiedlichen Gestaltung im Druckbild, der Größe, der Materialqualität und auch der Bezeichnung auf den Scheinen.

Folgende Bezeichnungen sind – neben dem Begriff Genossenschaftsgeld – auf den bisher bekannt gewordenen Scheinen zu finden: Innerbetriebliches Verrechnungsgeld oder einfach nur Verrechnungsgeld, Betriebsgeld, Prämiengeld, Wertschein und Gutschein.

Es gab zudem keine vorgegebenen, einheitlichen Wertstufen auf den einzelnen Ausgaben der Genossenschaften; es kamen Wertstufen von 5 Pfennig bis 1.000 Mark bzw. MDN vor. Da nämlich die Währungsbezeichnung Ende 1967 erneut geändert wurde, fand dies auch Niederschlag auf den LPG-Wertscheinen. Die auf „Mark“ lautenden Exemplare sind zumeist von 1968 bis 1970 in Verkehr gebracht worden. Somit ist auch hier eine hilfreiche, zeitliche Eingrenzung möglich.

Dr. Fernau ermittelte insgesamt 278 LPG-Geldemissionen mit ca. 1820 Wertzeichen. Bereits wenige Jahre nach der Wende wiesen die Forscher Fillmann/ Lindman nach, dass vor allem in den Bezirken Erfurt und Halle sehr rege von der Möglichkeit der Genossenschaftsgeldemission Gebrauch gemacht wurde. In einigen anderen Bezirken ist nahezu gar kein Nachweis solchen Geldes zu finden.

Es ist aus der Sicht des interessierten Sammlers immer nicht ganz einfach, Angaben zum Wert der einzelnen Scheine zu machen. Die Bewertungen liegen im Schnitt zwischen 10 und 30 Euro und sind mit ca. 50 Euro nach oben begrenzt. In absoluten Ausnahmefällen, so bei einem bisher unbekannten Stück, wird ein Sammler durchaus auch mal etwas mehr auf den Tisch legen.

In seinen ersten Jahren hatte das NÖSPL bzw. das nachfolgende ÖSS ausgesprochen positive Auswirkungen auf die Entwicklung der DDR-Wirtschaft, vor allem auf die Industrieproduktion. Dies steht nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der ökonomischen Unabhängigkeit der Betriebe, die in jener Zeit mit eigenem Geld arbeiten durften.

Das gesamtwirtschaftliche Wachstum verlief in dieser Zeit vergleichsweise rasch und auch recht stetig: Zwischen 1963 und 1970 stieg das Bruttosozialprodukt (damals: Volkseinkommen) in der DDR jährlich um durchschnittlich knapp sechs Prozent; ein nie mehr davor oder danach erreichter Wert. Vergleicht man den Zielerreichungsgrad von Fünfjahrplänen nach NÖSPL und ÖSS mit dem zuvor abgebrochenen Siebenjahresplan bzw. den folgenden Fünfjahresplänen, so ist auch hier ein Erfolg unübersehbar. Angesichts der forcierten Förderung der industriellen Schwerpunktbereiche sagen diese Zahlen allerdings noch nichts über den Lebensstandard der Bevölkerung aus.

Ab Mitte dieses Jahrzehnts stiegen auch die Löhne signifikant schneller an als zuvor: lag der durchschnittliche Bruttolohn je Arbeitnehmer 1960 bei 500 Mark monatlich, so war er 1965 auf ca. 550 Mark und 1970 auf rund 650 Mark gestiegen. Mitte der 1960er Jahre wurden auch die Renten, die in der DDR immer noch höchst bescheiden waren, erhöht. Die Verbesserung kam vor allem denjenigen Rentnerinnen und Rentnern zugute, die auf ein langes Arbeitsleben zurückblickten. Der nunmehr größer werdende Kuchen ermöglichte es auch, den Schwangerschafts- und Wochenurlaub für alle berufstätigen Frauen auf vierzehn Wochen zu verlängern. Ab September 1967 führte auch die DDR durchgängig die Fünf-Tage-Woche ein. (Ein Vorgang, der im damaligen Bundesgebiet bereits ab 1957 Einkehr gehalten hatte).

Vielleicht ist für diese Phase der wirtschaftlichen Stabilisierung auch kennzeichnend, dass die im Sommer 1964 eingeführte, neue Banknotenserie nunmehr Schritt für Schritt die Vorgängerserie ablöste; eine weitere abrupte Währungsumstellung an nur einem Tag, verbunden mit einer radikalen Kaufkraftabschöpfung, blieb der Bevölkerung in der DDR diesmal erspart. In jenem Jahr stieg die Arbeitsproduktivität übrigens um gleich sieben Prozent.

Es ist auch heute unstrittig, dass das NÖSPL bzw. ÖSS zu einer im Vergleich mit den 1950er Jahren wirtschaftlich und sozial besseren Versorgung der DDR-Bevölkerung führte. Auch verglichen mit den übrigen Ländern des RGW-Raumes verlief die Entwicklung der DDR-Wirtschaft in den 1960er Jahren eindeutig positiv. Die DDR stieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nach der Sowjetunion auf. Zwar sah man im Volksmund Ungarn als die „fröhlichste Datsche“, die eigene „Datsche“ aber als die relativ am besten ausgestattete an. Somit konnte der „Tisch der Republik“ am 20. Jahrestag auch schon wesentlich besser gedeckt werden als noch zehn Jahre zuvor. Niemals mehr beging die DDR einen Jahrestag mit soviel Pomp und Aufwand; es wurden in einigen großen Städten hierfür sogar zeitweilige Sonderstudios eingerichtet. Just am 7. Oktober 1969 führte man das Farbfernsehen ein, wenngleich ein Empfang zunächst nur in der näheren Umgebung des Fernsehturms am Berliner Alexanderplatz möglich war und ein entsprechender Empfänger erst einmal viele tausend Mark kostete…

Palastrevolte gegen Ulbricht?

1970 allerdings wurden allerdings Schwierigkeiten offenkundig, die sicherlich das Konzept der „strukturbestimmenden Aufgaben“ mit der bevorzugten Förderung der Schlüsselindustrien mit verursacht hatte. Diejenigen Industriezweige, die nicht in den Genuss dieser Förderungen gekommen waren, konnten die von ihnen geforderten Leistungen als Zuliefer- oder weiterverarbeitende Betriebe nicht erbringen, und so waren auch die geförderten Industriezweige nicht in der Lage, ihre Pläne zu erfüllen. Die für die Automatisierung investierten Mittel fehlten bei der Erzeugung von Konsumgütern. Im Laufe des Jahres 1970 wuchs – ähnlich wie zeitgleich in Polen – die Unzufriedenheit der Bevölkerung, weil es in vielen Bereichen Versorgungslücken gab. Das Angebot an Kleidung, Schuhen und Möbeln sowie an hochwertigen Nahrungsmitteln reichte nicht aus und konnte folglich auch nicht mit Genossenschaftsgeld bezahlt werden – noch nicht einmal damit.

Als grundsätzliches Problem erwies sich letztendlich, dass die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und Eigeninitiative der Betriebe das Prinzip der zentralen Planung und einheitlichen Strukturpolitik durchlöcherte und damit auch den Führungsanspruch der SED gefährdete.

„Schluss mit Lustig“

Als das ZK der SED auf seiner Tagung im Dezember 1970 die Bilanz des Fünfjahresplans 1966 bis 1970 zog, musste es feststellen, dass zwar die Industrieproduktion jährlich um sechs Prozent zugenommen hatte, zugleich aber dennoch wichtige Ziele des Plans nicht erreicht worden waren. Das galt für die Energieversorgung, die Zulieferindustrie, das Bauwesen und die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität war um die Hälfte unter dem geplanten Soll geblieben. Diese Befunde und die zur gleichen Zeit in Polen stattfindenden Streiks unzufriedener Arbeiter veranlassten das Zentralkomitee der SED, die Experimente mit dem Neuen Ökonomischen System zu beenden. Einige Investitionsvorhaben wurden storniert, die Entscheidungsbefugnisse der Betriebe, der Vereinigungen Volkseigener Betriebe und anderer mittlerer Instanzen eingeschränkt. Die zentrale staatliche Planung und Leitung kehrte zum System der detaillierten Vorgaben und Plankennziffern zurück.

Das Scheitern des Neuen Ökonomischen Systems war einer der Gründe für die von Moskau gedeckte Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker im Mai 1971. Somit verschwanden leider auch ganz schnell wieder die Genossenschaftsscheine, in denen die SED zunehmend ein Symbol zur Gefährdung ihrer Machtposition erblickte. Fortan galt das Credo von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in der Bevölkerung zunächst populär war. Schließlich wirkten ja die positiven Effekte aus der NÖSPL- bzw. ÖSS-Phase durchaus noch nach, und nicht zu vergessen sind die ab 1970 von der seinerzeitigen Bundesregierung in höchst willfähriger Weise überbrachten Vergünstigungen. Da zeitigte anno 1972 zunächst selbst die letzte große Verstaatlichungswelle der DDR keine einschneidenden sozio-ökonomischen Katastrophen und die Regierung Honecker glaubte sich auf dem richtigen Weg.

Auch wollte man sich deutlich von der letzten Phase der Regierungszeit Ulbrichts abgrenzen. Neben dem Einziehen sämtlichen Genossenschaftsgeldes brachte die Staatsbank der DDR eine letzte, neue Banknotenserie heraus, die nicht nur der DDR-Bevölkerung eher wie Spielgeld vorkam. Dementsprechend wurde dieses bisweilen auch zum Ziel von Witzen.

Das Vorhaben Honeckers, sämtliche Entscheidungen wieder in die alleinige Staatsmacht ganz unmittelbar zurückzuführen, ebnete letztlich den beschleunigten Weg in die Einheit Deutschlands.

Zusammenfassend kann man sagen, dass NÖSPL bzw. ÖSS die wirtschaftlich erfolgreichste Phase der DDR gewesen ist. Mit ihr hätte man auch bei weiterer Fortsetzung zwar auch kein „Überholen ohne Einzuholen“ gegenüber dem westlichen Klassenfeind bewerkstelligen können. Jedoch hätte man mit folgenden Weiterführungen gewiss eine bessere Entwicklung fahren können, als dann tatsächlich geschehen; schließlich reichte die befreundete Sowjetunion die Energiepreissteigerungen durchaus an die Satellitenstaaten ihres Systems weiter. Wenn auch in gleitenden Fünfjahresschnitten, so schlugen diese Preiserhöhungen doch im Gebiet der DDR gewaltig zu Buche.

Folgende Aspekte hätten der DDR Wirtschaft zu mehr Dynamik und damit einer verbesserten Abhilfe der Probleme führen können:

a) Die Aufhebung der totalen Devisenbewirtschaftung

Mit der Rückkehr zur detaillierten Planwirtschaft wurde auch die Möglichkeit des Investierens aus erzielten Gewinnen wieder abgeschafft. Nicht nur das Genossenschaftsgeld fiel diesen Entscheidungen zum Opfer, sondern auch die Möglichkeit, erwirtschaftete Devisen aus Ausfuhrerlösen für betriebliche Investitionszwecke halten zu können, wurde wieder gestrichen. Jegliche Westdevisen waren unverzüglich der Staatsbank der DDR anzudienen. Als Ersatz gab es ab Frühjahr 1979 so genannte Forum-Schecks, die innerhalb der DDR genauso wie DM-Geld eingesetzt werden konnten.

Hierzu gab es Wertstufen von 50 Pfennig bis 500 Mark. Dies blieb der Bevölkerung somit als Trost, zumindest galt dies für jene, die Westverwandtschaft bzw. entsprechende Kontakte hatten. Die Mark der DDR dagegen war nur eine reine Binnenwährung.

Der historische Konjunktiv

Immerhin konnte man im Zuge des NÖSPL bzw. des ÖSS die Westausfuhren einschließlich des damaligen innerdeutschen Handels glatt verdoppeln, denn kein Kombinat wollte auf die Möglichkeit, Westdevisen erwirtschaften zu können, verzichten. Zugleich stiegen natürlich auch die Einfuhrvolumina aus der westlichen Hemisphäre. An dieser Stelle machte sich in der politischen Führung der DDR die Sorge breit, Devisenengpässe bekommen zu können. Hätte man eine schrittweise Konvertierbarkeit der eigenen Währung zugelassen (vielleicht sogar des Genossenschaftsgeldes), wäre es zu keinem Engpass in dieser Frage gekommen. Statt – wie geschehen – an den 1970er Jahren Kredite im Ausland aufnehmen zu müssen, hätte man auf diesem Wege die Importe gleich mit eigner Währung bezahlen können. Aber die Aufrechterhaltung des Valutamonopols schien wohl wichtiger gewesen zu sein.

b) Die Dezentralisierung der Wirtschaftsplanung

Drückt man die Entwicklung in der NÖSPL- bzw. ÖSS-Phase in absoluten Zahlen aus, so kam es von 1963 bis 1970 immerhin zu einer Wirtschaftsleistung, die man damals noch in produziertem Nationaleinkommen ausdrückte, und zwar von ca. 77.300 Mio. Mark auf 109.500 Mio. Mark. Das produzierte Nationaleinkommen bestand aus erbrachtem wirtschaftlichen Gesamtprodukt minus Produktionsverbrauch sowie abzüglich von Verrechnungen, womit Subventionen gemeint waren. Gewisse Schwierigkeiten erwuchsen aus dem Tatbestand der Kompetenzverteilungsfrage. So gelang es keineswegs vollkommen, die unterschiedlichen ökonomischen Hebel so zu koordinieren, dass eine Übereinstimmung zwischen volkswirtschaftlichen, gesamtstaatlichen, betrieblichen und individuellen Interessen herbeigeführt werden konnte. Die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Förderung führten zwangsläufig zum Vernachlässigen anderer Bereiche, wie z.B. der Infrastruktur und des Immobilienwesens. Auch hier hätte eine weiterreichende Dezentralisierung eine Lösung sein können. Mit einer Unterteilung in überschaubare Planungseinheiten sind Engpässe besser erkennbar und dem Erstellen von so bezeichneten „weichen Plänen“ hätte man eher auf die Spur kommen können. Die Sorge um den Machterhalt stand aber im Vordergrund, und so beging man bekanntermaßen ab 1970 wieder den gegenteiligen Weg.

c) Verbesserung des Genossenschaftsgeldes um die Wesensmerkmale des heutigen Regionalgeldes

Gewiss wäre eine Weiterentwicklung in Richtung einer Mehrausstattung des damaligen Genossenschaftsgeldes ein geradezu unvorstellbarer Schritt gewesen. Zeigen ja gerade die Beispiele aus der Zwischenkriegszeit, dass diese zwar erfolgreich waren, aber in totalitären Systemen, wie sie nun einmal in Deutschland und Österreich in den 1930er Jahren von Bestand waren, unerwünscht gewesen sind. Ähnlich wie in der Situation um 1970 in der damaligen DDR, vermutete man in dieser Frage eine schwer kontrollierbare Situation und setzte auch seinerzeit lieber auf Unterdrückung dieser Idee. Es ist ja bereits eine erstaunliche Tatsache, dass eine geldgeschichtliche Entwicklung, wie oben beschrieben, überhaupt ein ¾-Jahrzehnt lang in einer Planwirtschaft wie jener der DDR existieren konnte. Eine Mehrausstattung im Sinne unseres heutigen Regiogeldes hätte sicherlich einen noch stärkeren Wirtschaftsimpuls setzen können, hätte aber mit großer Wahrscheinlichkeit so manchen Planbürokraten ganz schön ins Schwitzen gebracht.


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Johannes Engels

geb. 1958, Dr. rer. pol., VDSt Köln.

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