Bin ich schön ?

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Liebe Leser,
ab dem dritten Mal ist es Tradition: Diesen Status hat das Hermann Ehlers Symposion nun erreicht. Die
politische Jahrestagung ist fester Bestandteil im Veranstaltungskalender unseres Verbandes geworden.
Das bewährte Format mit Vorträgen, Workshops und Exkursionen zog auch diesmal viele VDSter an von
nah und fern. Halle war gern ein guter Gastgeber. Davon wollen wir in diesem Heft berichten; den Teilnehmern zur Erinnerung, allen anderen Lesern als Gelegenheit, noch teilzuhaben an den spannenden
Diskussionen vor Ort. „Was ist des Deutschen Vaterland?“ lautete diesmal das Tagungsthema, angeregt
durch das Arndt-Jubiläum. „Nation, Staat, Europa: wohin geht die Reise?“ Fragen des Staatsrechts, der
Kulturgeschichte, der Sprache, der persönlichen Identität wurden aufgeworfen und besprochen. Ohne
endgültige Antwort; mit Teil-Antworten, Annäherungen, Anregungen zum Selbstdenken. Mit Spaß an
der provokanten These, Geduld aber auch und Wille zum Zuhören.
Wir wünschen allen viel Freude an der Lektüre und blicken bereits voraus auf das dann vierte Symposion im Herbst 2020: in Österreich im schönen Graz an der Mur!

Parteien in der DDR – gab es da wirklich eine CDU!?

Fünfundzwanzig Jahre Deutschland in Einheit und Freiheit – ein guter Zeitpunkt, um nochmals in den Rückspiegel zu schauen. Manches überrascht nämlich bei genauerem Hinsehen. Dazu gehört auch das Parteienwesen in der damaligen DDR.

Fürwahr überraschend ist nämlich, dass es im seinerzeitig mitteldeutschen Landesteil, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) verwaltet wurde, bereits am 10. Juni 1945, und damit sogar etwas früher als die Westalliierten in ihren Sektoren, zur Etablierung von Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) kam. Ex definitione mussten diese aber antifaschistisch-demokratischer Ausrichtung sein, womit über die neuen Parteizentralen in Berlin der Prozess der Parteibildung in (Mittel-)Deutschland im sowjetischen Sinn alsbald zu beeinflussen war.

Die Christlich Demokratische Union (CDU) als neue Partei

Die Christlich Demokratische Union (CDU) wurde am 26. Juni 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten u. a. Jakob Kaiser, Ernst Lemmer, Walther Schreiber und der Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten Andreas Hermes, der als erster Vorsitzender der CDU in der SBZ gewählt wurde.

In der ersten Zeit vertrat die CDU wie ihre Schwesterparteien im Westen eine christlich-soziale, auf parlamentarisch-demokratische Verhältnisse zielende Politik. Grundlegender Gedanke war, nunmehr eine die beiden großen christlichen Konfessionen gemeinsam ansprechende Partei auf den Weg zu bekommen. Sie trat konsequent für die Wiedervereinigung Deutschlands ein und stand in ständiger Auseinandersetzung mit der KPD und späteren SED, die in ihrem politischen Führungsanspruch von der SMAD massiv und nachhaltig unterstützt wurden.

Eine angestrebte gesamtdeutsche CDU konnte es aufgrund der Lizenzbestimmungen der einzelnen Besatzungsmächte allerdings nicht geben. Auf dem Reichstreffen (verbal gesehen gab es zu dem Zeitpunkt noch keine alternative Institutionalisierung) der CDU in Bad Godesberg im Dezember 1945 einigte man sich auf den reichsweit (außer Bayern) einheitlichen Namen CDU. Bis zum Prozess der Blockparteiwerdung der Ost-CDU erfolgte diese reichsweite Koordinierung der politischen Arbeit der Union im „Zonenverbindungsausschuss“. An der Mitwirkung hierzu wurden die CDU-Vertreter der SBZ durch die SMAD wiederholt gehindert.

Die schrittweise Gleichschaltung der CDU in der SBZ/ DDR

Die Möglichkeiten, christlich-demokratische Politik in der SBZ umzusetzen, wurden zudem bereits nach kurzer Zeit unterbunden. Erstes Konfliktfeld war die im Herbst 1945 auf Befehl der Sowjets durchgeführte Bodenreform mit entschädigungsloser Enteignung größerer Bauerngüter; Gleiches widerfuhr auch unternehmerisch Selbständigen. Der Vorstand der CDU sprach sich gegen dieses Vorhaben aus. Die Herren Hermes und Schreiber wurden daraufhin auf Befehl der SMAD als Vorstände abgesetzt.

Ihren Nachfolgern, den Herren Kaiser und Lemmer, gelang es trotz massiver Repressalien, einen Aufbau einer Parteiorganisation in der SBZ durchzuführen. Trotz umfangreicher Behinderungen und Nichtzulassung vieler Orts- und Kreisverbände gelang es bei den halbfreien Landtagswahlen im Oktober 1946, gut 23 % der abgegebenen Stimmen zu erreichen.

Da es der SMAD trotz aller Störmanöver (s. o.) nicht gelungen war, eine absolute Mehrheit für die (aus SPD und KPD zwangsvereinigte) SED zu erreichen, wurde eben der Druck auf die demokratischen Parteien (hier gab es nicht zuletzt auch die Liberal Demokratische Partei Deutschlands – LDPD) noch weiter erhöht. Hierzu zählte die Verweigerung von Papier und Druckmöglichkeiten, die Nichtzulassung von Gliederungen der Partei und Kandidaten zu Wahlen, aber auch die Vertreibung und Verhaftung führender Mitglieder.

Mit der Absetzung des demokratisch gewählten Parteivorstandes im Dezember 1947 endete final die Möglichkeit der CDU, ihre Positionen selbst bestimmen zu können. Vorangegangen war Kaisers aufsehenerregende Rede auf dem zweiten Parteitag der CDU in Berlin im September 1947, in der Kaiser forderte, die CDU müsse „Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus und seiner totalitären Tendenzen“ sein.

Die Arbeit der CDU wurde weiterhin in vielfältiger Weise durch die SMAD behindert. Alle Veranstaltungen der CDU, selbst interne, bedurften inzwischen der Genehmigung durch die SMAD. Hierzu waren vorab Texte von Reden oder Entschließungen vorzulegen. Beschlüsse unterlagen der (vorherigen) Zustimmungspflicht der SMAD. Auch gab die SMAD vielfach die Beschlusstexte vor. Die CDU erhielt weiterhin nur Bruchteile der Zuweisungen an Papier und Druckkapazitäten, wie sie im Vergleich dazu der SED zugeteilt wurden. Ihre Publikationen unterlagen der Zensur. Es kam zu einer Vielzahl von Verhaftungen und ebenfalls die persönliche Existenz bedrohenden Entlassungen.

Die CDU wurde nach und nach von so genannten „reaktionären Elementen gereinigt“ (ein Jargon seitens der SED, an den sich die Bevölkerung ab dann nachhaltig zu gewöhnen hatte). Das Politbüro der SED hatte hierzu bereits 1949/50 entsprechende Beschlüsse gefasst; schließlich wurden diesem ab dem Staatsgründungstag der DDR (hier: 7. Oktober 1949) durch die Sowjetunion erweiterte Kompetenzen zugebilligt. Dass man beim Vollzug der Sowjetpolitik natürlich unter genauester Beobachtung stand, war dort natürlich vollkommen bewusst. Ziel dieser sehr Moskau-hörigen Differenzierungspolitik der SED war es somit, einen Keil zwischen die anpassungsfähigen Funktionäre und die immer noch überzeugten Anhänger der parlamentarischen Demokratie zu treiben. 1950 wurden als widerspenstig angesehene CDU-Politiker, wie der Landesvorsitzende in Sachsen sowie diverse CDU-Landesminister, ausgeschaltet. Mit ihnen war die letzte politische Widerstandskraft der Union radikal beseitigt worden. Auf ihrem sechsten Parteitag im Oktober 1952 erkannte die CDU denn auch brav die führende Rolle der SED „vorbehaltlos“ an. Die Annahme von SED-Positionen war damit auch bei dieser Partei weitgehend abgeschlossen.

Verbunden mit dieser Annäherung war jedoch ein erheblicher Mitgliederschwund. Von ungefähr 200.000 Mitgliedern im Jahre 1947 waren durch Flucht, Austritt und Ausschluss bereits 1950 über ein Viertel wieder ausgeschieden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sank die Zahl um weitere etwa 50.000 Mitglieder. Der erzwungene Rücktritt des bereits erwähnten sächsischen CDU-Vorsitzenden Hickmann wurde erneut mit einer Verfolgungswelle begleitet. Zu der Zeit zählte das im westlichen Berlin ansässige und in seiner Zuständigkeit noch zu kennzeichnende CDU-Ostbüro über einhundert Verhaftungen von eigenen Parteimitgliedern aus politischen Gründen gegenüber gut sechzig im Jahr zuvor. Auch in den Folgejahren blieb die Zahl der Verhaftungen auf dem hohen Zahlenniveau von 1950. Waren im Vorjahr im Schnitt monatlich zwanzig Parteimitglieder in den Westen geflohen, so waren es 1950 schon über einhundert. Die zunehmende Repression zeigte auch in den Folgejahren die Wirkung in kontinuierlich steigenden Fluchtzahlen. Der Höhepunkt der Fluchtbewegung war im März 1953 erreicht, als fast siebenhundert CDU-Mitglieder in den Westen flohen. Diese Flucht trug gleichzeitig zu einer Zementierung der SED-Nähe bei. In der DDR blieben nur noch willfährige Mitläufer und Resignierte.

Die Rolle der CDU in der DDR als „Blockflöte“

Zusammengeschweißt im so bezeichneten Antifaschistischen Block bzw. später der Nationalen Front, nannte man die teilnehmenden Parteien ganz offiziell Blockparteien in der Volkskammer der DDR, zu welchen neben der SED auch die CDU, die LDPD, die NDPD und die Bauernpartei gehörten. Die inoffizielle, und natürlich verbotene Bezeichnung, lautete „Blockflöte“. Das hierzu verwendete Bild: man hatte eben der tonangebenden SED stets zu folgen.

Die CDU etablierte in der DDR also ähnliche Parteistrukturen wie die SED, das Vermögen der Partei wie auch der politische Kurs wurde von einigen wenigen Generalsekretären kontrolliert und die Mitglieder wurden in die gesellschaftlich-politischen Strukturen der DDR integriert. Für hauptberufliche Funktionäre kein schlechtes „Geschäft“: So waren denn ungefähr 30.000 Mitglieder in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen der Nationalen Front, über 15.000 als Abgeordnete und Nachfolgekandidaten in den verschiedensten gewählten Vertretungen tätig und gut fünfzig Abgeordnete gehörten der Volkskammer an. Die CDU war zudem im Präsidium dieser parlamentarischen Kammer, im Staatsrat, im Ministerrat und dessen Präsidium, sowie in den örtlichen Räten (hier: Rat der Stadt, Rat der Gemeinde, Rat des Stadtbezirks und Rat des Kreises) der DDR vertreten.

Artig rechtfertigte die CDU als Blockpartei denn auch den Mauerbau im Jahr 1961, den die SED verbal gerne als friedensichernden, antiimperialistischen Schutzwall aufzuwerten gedachte. Parteinahe Autorenkollektive der CDU betrieben unter anderem auch politische Propaganda, die gegen die West-CDU ausgerichtet war, so beispielsweise der Titel eines Buches aus dem Jahr 1968: „CDU/CSU: Kreuzritter des Kapitals“.

Dennoch: trotz aller Bemühungen der SED, die Ost-CDU völlig gleichzuschalten, fanden sich auch innerhalb der Partei noch in den 1950-er und 1960-er Jahren Anzeichen widerständigen Verhaltens einzelner Parteimitglieder. Entgegen dem Wunsch der Parteiführung war es nicht gelungen, die innere Opposition aus der Ost-CDU vollständig herauszudrängen oder auszuschließen. Wiederholt protestierten Mitglieder gegen einzelne Maßnahmen der Staatsführung oder ihrer eigenen Partei. Ein zentraler Kritikpunkt war die indifferente Haltung der Parteiführung zur Einführung der Jugendweihe in der DDR; dies in ausdrücklicher Konkurrenz zur Konfirmation in der Evangelischen Kirche (und auch der Firmung in der in Mitteldeutschland sehr kleinen katholischen Kirche). Gerade in dieser für eine christliche Partei zentralen Frage hätten sich viele Mitglieder mehr Widerstand gegen die Bestrebungen der SED gewünscht.

Im März 1972 geschah dann ein bis zur Wende absolut einmaliges Ereignis: die natürlich immer geschlossen mit „Ja!“ stimmende Volkskammer hatte ein teilweise abweichendes Stimmverhalten zu verzeichnen. Wie kam es bloß zu diesem Skandal!? Seinerzeit stand in der Volkskammer das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft zum Beschluss an. Bei der Abstimmung kam es zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Volkskammer (bis Ende 1989) zu Gegenstimmen. Sich den Bedenken der Kirchen anschließend, stimmten immerhin vierzehn Abgeordnete der CDU – rund ein Viertel der Fraktionsmitglieder – gegen das Gesetz, acht weitere Abgeordnete enthielten sich der Stimme.

Davon einmal abgesehen, nickte die CDU – ihrer zugewiesenen Rolle entsprechend – wie alle in der Volkskammer vertretenen Parteien (s. o.) und Massenorganisationen (hier: die Freie Deutsche Jugend, der Demokratische Frauenbund, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und der Kulturbund der DDR) sämtliche vom Zentralkomitee der SED zugeleiteten Beschlüsse folgsam ab.

Die Exil-CDU und das Ostbüro

Aus den Reihen der Union bildete sich, als Konsequenz aus dem sowjetisch initiierten Druck, ab Ende der 1940-er Jahre eine Vielzahl lokaler illegaler Widerstandsgruppen. Alleine oder in Zusammenarbeit mit dem Ostbüro der CDU wurde versucht, dem Macht- und Meinungsmonopol der Kommunisten entgegenzuwirken. Der persönlich bittere Preis dieser Aktivitäten war die Verhaftung vieler Demokraten, eben auch aus den Reihen der CDU im mitteldeutschen Gebiet.

Da ansonsten aber eine freie Parteiarbeit schon in der damaligen SBZ nach dem Blockbeitritt der CDU nicht mehr möglich war, bildete sich die Exil-CDU. Es war dies eine Organisation der ins westliche Deutschland geflüchteten Mitglieder der CDU aus der „Zone“, wie die SBZ ehedem häufig im freien Teil Deutschlands genannt wurde. Die Exil-CDU wurde von der Bundes-CDU als Vertretung der Christdemokraten in der DDR angesehen und einem Landesverband gleichgestellt.

Alleine von den vierzehn gewählten Mitgliedern des Hauptvorstandes der SBZ-CDU waren zehn in den Westen gegangen. Diese luden die Delegierten des zweiten Parteitages von 1947 zum ersten Parteitag der Exil-CDU im September 1950 im westlichen Berlin ein. Über zweihundert emigrierte Christdemokraten aus der DDR nahmen daran teil.

Die operative Arbeit der Exil-CDU wurde federführend durch das Ostbüro der CDU durchgeführt. Es bildete sich aus dem West-Berliner Büro des ehemaligen Gründungsmitglieds Jakob Kaisers, welches dieser auch nach seinem Eintritt als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen im Kabinett Adenauers beibehielt. Neben der Organisation der Exil-CDU bestand ein wesentlicher Teil der Arbeit in der Unterstützung des Widerstandes in der DDR sowie der Unterstützung der demokratischen Kräfte in der DDR-CDU. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 verlor das Büro jedoch seine Bedeutung.

Kontakte zum Ostbüro der CDU waren in der DDR natürlich streng verboten. Eine Vielzahl von Verhaftungen und Schauprozessen erfolgte wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit dem Ostbüro, man erkannte sodann, basierend auf entsprechenden Gummiparagraphen, auf staatsgefährdende Umtriebe und Staatszersetzungsversuche. 1)

Die Hochschulgruppen der CDU in der SBZ/ DDR

Die Studenten der bürgerlichen Bildungselite in der SBZ engagierten sich in den LDPD- und CDU-Hochschulgruppen. Bis hinein in die Jahre 1949/50 sind diese geistige und politische Oppositions- und Widerstandszentren im akademischen Bereich gewesen. An den Hochschulen und Universitäten der SBZ kam es zu politischen Konflikten, die fast immer um und über die studentischen Vertretungen ausgetragen wurden. Bei den Studentenratswahlen konnten damals sehr beachtliche bürgerliche Mehrheiten zwischen 50 % und 70 % erzielt werden. Die Kommunisten versuchten, parallel zum Geschehen im Parteienspektrum, sich über ihre Einheitsorganisation „Freie Deutsche Jugend (FDJ)” und die Manipulation von Wahlergebnissen Mehrheiten zu sichern.

Bis 1948 konnten sich die demokratischen Studentengruppen an allen sechs Universitäten der SBZ noch halten. Ihre Spielräume schmolzen jedoch durch Verhaftungen (siehe entsprechende Gewaltmaßnahmen im Parteiengefüge) von mindestens 400 bis 500 Studenten, die von Militärgerichten zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden oder gar ums Leben kamen. Mit den Verhaftungen wurden auch die Hochschulgruppen der CDU und der LDPD verboten.

Die Verhaftungen von Angehörigen der CDU-Hochschulgruppe in Berlin leiteten die Auseinandersetzungen in der Humboldt-Universität ein, die schließlich zur Gründung der „Freien Universität (FU)” im westlichen Berlin führten. Auch Hochschullehrer erhoben Widerspruch gegen die schrittweise Einengung der akademischen Freiheiten. Sie konnten sich bei ihrem Protest überdies auf Gesetz und Hochschulordnungen stützen, aber auch dieser Widerspruch wurde brutal unterdrückt. Professoren wurden verhaftet und verschwanden plötzlich, ohne je wieder aufzutauchen.

Besonders „gefährliche” Gegner des SED-Regimes verschwanden in Richtung Sibirien, wie z. B. über dreißig Angehörige der jungliberalen Opposition sowie LDPD-Hochschulreferenten und Mitglieder des LDPD-Landesvorstandes in Mecklenburg-Vorpommern. Sieben von ihnen wurden 1949 zum Tode verurteilt und 1951 erschossen, die anderen verurteilten die Sowjets zu je fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeitslager. Nicht selten wurden auch Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur politisch verfolgt. 2)

Positionen zur Frage der deutschen Einheit in der Bundesrepublik

Im westlichen Deutschland, welches mit Inkraftsetzung des Grundgesetzes im Mai 1949 mit Erlaubnis der westlichen Alliierten ein eigenes Staatswesen entwickeln konnte, gab es in den ersten beiden Jahrzehnten noch einen weitgehenden parlamentarischen Konsens gegenüber dem anderen Teil Deutschlands. So unterhielt auch die SPD im westlichen Berlin ein Ostbüro und sie war bereit, entschlossen radikalen linken politischen Hochgruppen wie dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund entgegenzutreten. Die zwangsweise Vereinigung der SPD in Mitteldeutschland mit der KPD zur SED wurde lange Zeit verurteilt.

Dies änderte sich dies allerdings ganz öffentlich mit dem Machtantritt der ersten sozial-liberalen Regierung Brandt Scheel. Fortan setzte man in politisch sehr nachgiebiger Form auf Normalisierung und Annäherung, was ja für sich genommen löblich sein mag. Letztlich teuer erkauft wurde dies aber mit großen steuerlichen Mitteln, wirtschaftlichem Entgegenkommen und dem Räumen vieler politischer Positionen gegenüber der DDR. Der seinerzeit im Bundestag oppositionellen CDU/ CSU blieb nur die Rolle des vor Fehlern Warnenden, wie zum Beispiel bei der Frage des Grundlagenvertrags. 3)

Mit Blick auf die Frage der deutschen Einheit gab es innerhalb der SPD seit der Regierungsübernahme in Bonn praktisch keine Kräfte mehr, die diesen Aspekt noch für relevant hielten und Mitte der 1980er Jahre trafen sich Vertreter der SPD mit jenen der SED, um eine schriftliche Positionierung mit inhaltlichen Gemeinsamkeiten zu Papier zu bringen. Die seinerzeitige Zwangsvereinigung mit der KPD, die vielen nicht willfährigen Mitgliedern der SPD ähnliche Drangsalierungen einbrachte, wie zeitgleich jenen von CDU und LDPD, war offensichtlich vergessen. 4)

Noch im Herbst 1989 sprach niemand Geringerer als Herr Egon Bahr betreffs der Frage zur nationalen Einheit von einer „Lebenslüge des CDU Programms“! 5)

Die Partei der Grünen wusste, angesichts der von ihr für prioritär gehaltenen Kernthemen und mangels Relevanz, in ihren ersten Jahren schlicht nichts mit dem Gedanken einer deutschen Einheit anzufangen. 6)

Wenn, dann waren im Parteienspektrum der damaligen Bundesrepublik am ehesten noch aus den Reihen von CDU und CSU Bezugspunkte zur Einheitsfrage erkennbar. Außerhalb dessen blieben noch einige Heimatverbände, studentische Verbindungen und die Kirchen: diese wurden dann dazu aber in den 1970er und 1980er Jahren oftmals als realitätsfern und ewig gestrig bespöttelt. 7)

Die CDU in der DDR im demokratischen Aufbruch und die deutsche Einheit in Freiheit

Als ab Mitte der 1980er Jahre vor dem Hintergrund der Reformbewegungen in Polen, Ungarn und in der UdSSR der Druck der Blockparteimitglieder auf ihre Leitungen wuchs, waren es in der CDU nicht von ungefähr Mitglieder von der Parteibasis, allesamt aus dem Raum der Kirche, die im September 1989 in dem „Brief aus Weimar“ Reformen in Staat und Gesellschaft, insbesondere die Aufhebung der Reisebeschränkungen, forderten. In dreißig Punkten wurde zunächst die Krise der DDR, die sich in der Ausreisebewegung und der Überforderung der Kirche durch ihre politische „Stellvertreterrolle“ zeigte, beschrieben: Die CDU wäre dadurch „herausgefordert, ihre gesellschaftliche Mitverantwortung an höheren Maßstäben zu messen“. Die „innerparteiliche Demokratie“ solle sich nicht am „demokratischen Sozialismus“ orientieren, die Meinungen der Mitglieder sollten „authentisch zum Ausdruck“ kommen. Im Demokratischen Block solle sich die CDU mehr profilieren, mehr Minister in der Regierung und in den Regionen mehr Einfluss fordern. Auf gesellschaftlicher Ebene solle mehr „Offenheit“, Unabhängigkeit der CDU-Presse, Nachprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen, die Respektierung der „Mündigkeit des Bürgers“, völlige Reisefreiheit und Rückreiserecht von Ausgewanderten sowie eine „realistische Sicht ökonomischer Fakten“ befördert werden. Mit diesem Dokument im Vorfeld der friedlichen Revolution war die Basis der CDU nicht unerheblich an den säkularen Umbruchprozessen beteiligt, die schließlich zum Ende der DDR führten.

Die Forderungen des Weimarer Briefes blieben zwar hinter denen der Opposition zurück, weil sie das politische System eher dynamisieren als verändern wollten, bedeuteten aber in der Situation im September 1989 geradezu eine Provokation innerhalb der schon so lange völlig erstarrten Partei. Der Brief wurde in der CDU heftig diskutiert, und die gleichgeschaltete CDU-Propaganda reagierte abwehrend. Die Reformgruppe konnte jedoch einflussreiche Positionen einnehmen und hatte die Partei insgesamt gegen die alte Führung rebellisch gemacht.

Die Wahl Lothar de Maizières zum Parteivorsitzenden im November 1989 setzte dann ein deutliches Signal für einen nun die gesamte Partei erfassenden Umwandlungsprozess. Kurz darauf kündigte die CDU ihre Mitgliedschaft im „Demokratischen Block“ auf. Auf einem Sonderparteitag beschloss die Ost-CDU dann einen grundlegenden politischen Kurswechsel: Die ehemalige Blockpartei definierte sich nun als „Volkspartei mit christlichem Profil“, sprach sich gegen „sozialistische Experimente“ aus und trat für eine Marktwirtschaft sozialer und ökologischer Prägung ein. Der Sonderparteitag endete mit dem Bekenntnis zur deutschen Einheit in einem geeinten Europa. Mit der Distanzierung vom DDR-Sozialismus und dem Bekenntnis zur „Sozialen Marktwirtschaft“ sowie ihrem Schuldbekenntnis war die CDU die erste der einstigen Blockparteien, die den Neuanfang suchte und praktizierte.

Seit diesem Sonderparteitag war die DDR-CDU eine qualitativ neue Partei, zumindest in ihrer Führung. Nahezu alle Altkader waren in der Versenkung verschwunden oder auf zweit- und drittrangige Positionen abgeschoben worden. Seit Dezember 1989 setzten sich auch immer stärker diejenigen durch, die die schnelle Vereinigung Deutschlands und mit der West-CDU befürworteten. 2)

Im Zuge dieser sich nun überstürzenden Ereignisse stand die Frage nach einer tatsächlichen demokratischen Legitimierung im Raum, die im März 1990 zu den ersten und zugleich letzten freien Volkskammerwahlen in der noch bestehenden DDR führen sollte. Angesichts der hüben wie drüben unerwartet eindeutig zur deutschen Einheit hinführenden Gesamtstimmung schwenkte der Altbundeskanzler Willy Brandt inhaltlich mit dem heute noch wohl bekannten Satz um: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört!“ Damit war plötzlich aus dieser Partei keine Rede mehr von Lebenslüge und ähnlichem. 8)

Die CDU begann ihrerseits, unterstützt und beraten mit Hilfe des Westens, den Wahlkampf. Im Februar 1990 schloss sie unter dem Motto „Allianz für Deutschland“ ein Wahlbündnis mit dem „Demokratischen Aufbruch“ (DA) und der „Deutschen Sozialen Union“ (DSU), das bei der Wahl zur Volkskammer im März 1990 fast die absolute Mehrheit erreichte (hier: CDU 40,8 %, Allianz 48,15 %). Schon das kurz vor der Wahl verabschiedete Parteiprogramm, in dem eine „von der Basis aus grundlegend gewandelte“ CDU sich auf „ihren Ursprung“ besann und als „Union der Mitte“ einen Neuanfang ankündigte, ließ deutliche Tendenzen der Annäherung an die Schwesterpartei in der Bundesrepublik Deutschland erkennen. Somit spiegelte dieses Wahlergebnis gewiss auch die immer konsequente Haltung von CDU/ CSU zur Frage der deutschen Einheit wieder. 2)

Dass dieses Resultat nicht jedem Politiker gefiel, zeigte noch am Wahlabend die Posse des Herrn Otto Schily (ehemals Mitglied der Grünen, später sodann der SPD), welcher als Erklärung zum so deutlichen Wahlergebnis eine Banane vor laufender Kamera zeigte … 9)

Lothar De Maizière wurde zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt und bildete mit der SPD, dem Bund Freier Demokraten und den Allianz-Partnern DSU und DA eine große Koalition. Mit Sabine Bergmann-Pohl stellte die CDU die letzte Präsidentin der Volkskammer und damit das letzte Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik. 1)

Im Mai 1990 empfahl der Parteivorstand der Ost-CDU die Bildung gemeinsamer Kommissionen mit der West-CDU, die Zusammenarbeit der CDU-nahen Vereinigungen und die wechselseitige Teilnahme von Vertretern an den Sitzungen der Leitungsgremien.

Einen Monat später hatte der Parteivorstand der Bauernpartei den Beitritt zur CDU beschlossen und seinen Mitgliedern empfohlen; im August fasste ein Sonderparteitag des Demokratischen Aufbruchs einen entsprechenden Beschluss.

Die neugebildeten fünf Landesverbände der CDU der DDR traten schließlich auf einem gemeinsamen Parteitag in Hamburg Anfang Oktober 1990 ihrer bundesrepublikanischen Schwesterpartei bei (der Berliner CDU-Landesverband hatte sich bereits im September vereinigt). 2)

Nachdem wirtschaftlich mit Einführung der Deutschen Mark als gemeinsamer Währung die Einheit am 1. Juli 1990 vollzogen wurde, erfolgte am 3. Oktober desselben Jahres auch die politische Wiedervereinigung.

Die damit notwendig gewordenen Bundestagswahl 1990 fand am 2. Dezember 1990 statt. Diese Wahl zum 12. Deutschen Bundestag stand natürlich ganz im Zeichen der kurz zuvor erreichten deutschen Wiedervereinigung. So konnten CDU/ CSU auf zusammen fast 44 % der Stimmen kommen und die FDP als Koalitionspartner auf genau 11 %. Dagegen büßte die SPD mehrere Prozentpunkte ein und vereinte lediglich noch ein rundes Drittel aller Wählerstimmen auf sich. Die Partei Bündnis ’90 – die Grünen mussten sich an jenem Wahlabend mit weniger als 4 % Stimmenanteil zufrieden geben. Offensichtlich unterschied der Wähler auch jetzt, wer wirklich immer zur deutschen Einheit gestanden hatte und wer dieses Thema schon längst vorher ad acta gelegt hatte … 10)

 

Anmerkungen

1) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „CDU“, Abrufdatum: 01.02.2015

2) Ralf G. Jahn: „Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) [Ost]“

3) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort: „Ostpolitik“; Abrufdatum: 02.02.2015

4) „SED/SPD-Dialogpapier zum Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, in: elektronische Netzseite der Konrad-Adenauer-Stiftung; Abrufdatum: 04.02.2015

5) „Egon Bahr lehnte damals die deutsche Einheit ab“, in: elektronische Netzseite des General-Anzeigers Bonn, Abrufdatum: 04.02.2015

6) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „Bündnis 90/Die Grünen“; Abrufdatum: 04.02.2015

7) Hans-Otto Kleinmann, „Geschichte der CDU“, in: elektronische Netzseite der Konrad-Adenauer-Stiftung; Abrufdatum: 02.02.2015

8) Klaus Schönhoven: „Der lange Weg zum Frieden“, in: elektronische Netzseite von Zeit Online; Abrufdatum: 04.02.2015

9) Theo Sommer: „Ausgerechnet Bananen“ in: Zeit Online vom 04.03.1999; Abrufdatum: 04.02.2015

10) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „Bundestagswahl 1990“, Abrufdatum: 04.02.2015

 


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Fürwahr überraschend ist nämlich, dass es im seinerzeitig mitteldeutschen Landesteil, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) verwaltet wurde, bereits am 10. Juni 1945, und damit sogar etwas früher als die Westalliierten in ihren Sektoren, zur Etablierung von Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) kam. Ex definitione mussten diese aber antifaschistisch-demokratischer Ausrichtung sein, womit über die neuen Parteizentralen in Berlin der Prozess der Parteibildung in (Mittel-)Deutschland im sowjetischen Sinn alsbald zu beeinflussen war.

Die Christlich Demokratische Union (CDU) als neue Partei

Die Christlich Demokratische Union (CDU) wurde am 26. Juni 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten u. a. Jakob Kaiser, Ernst Lemmer, Walther Schreiber und der Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten Andreas Hermes, der als erster Vorsitzender der CDU in der SBZ gewählt wurde.

In der ersten Zeit vertrat die CDU wie ihre Schwesterparteien im Westen eine christlich-soziale, auf parlamentarisch-demokratische Verhältnisse zielende Politik. Grundlegender Gedanke war, nunmehr eine die beiden großen christlichen Konfessionen gemeinsam ansprechende Partei auf den Weg zu bekommen. Sie trat konsequent für die Wiedervereinigung Deutschlands ein und stand in ständiger Auseinandersetzung mit der KPD und späteren SED, die in ihrem politischen Führungsanspruch von der SMAD massiv und nachhaltig unterstützt wurden.

Eine angestrebte gesamtdeutsche CDU konnte es aufgrund der Lizenzbestimmungen der einzelnen Besatzungsmächte allerdings nicht geben. Auf dem Reichstreffen (verbal gesehen gab es zu dem Zeitpunkt noch keine alternative Institutionalisierung) der CDU in Bad Godesberg im Dezember 1945 einigte man sich auf den reichsweit (außer Bayern) einheitlichen Namen CDU. Bis zum Prozess der Blockparteiwerdung der Ost-CDU erfolgte diese reichsweite Koordinierung der politischen Arbeit der Union im „Zonenverbindungsausschuss“. An der Mitwirkung hierzu wurden die CDU-Vertreter der SBZ durch die SMAD wiederholt gehindert.

Die schrittweise Gleichschaltung der CDU in der SBZ/ DDR

Die Möglichkeiten, christlich-demokratische Politik in der SBZ umzusetzen, wurden zudem bereits nach kurzer Zeit unterbunden. Erstes Konfliktfeld war die im Herbst 1945 auf Befehl der Sowjets durchgeführte Bodenreform mit entschädigungsloser Enteignung größerer Bauerngüter; Gleiches widerfuhr auch unternehmerisch Selbständigen. Der Vorstand der CDU sprach sich gegen dieses Vorhaben aus. Die Herren Hermes und Schreiber wurden daraufhin auf Befehl der SMAD als Vorstände abgesetzt.

Ihren Nachfolgern, den Herren Kaiser und Lemmer, gelang es trotz massiver Repressalien, einen Aufbau einer Parteiorganisation in der SBZ durchzuführen. Trotz umfangreicher Behinderungen und Nichtzulassung vieler Orts- und Kreisverbände gelang es bei den halbfreien Landtagswahlen im Oktober 1946, gut 23 % der abgegebenen Stimmen zu erreichen.

Da es der SMAD trotz aller Störmanöver (s. o.) nicht gelungen war, eine absolute Mehrheit für die (aus SPD und KPD zwangsvereinigte) SED zu erreichen, wurde eben der Druck auf die demokratischen Parteien (hier gab es nicht zuletzt auch die Liberal Demokratische Partei Deutschlands – LDPD) noch weiter erhöht. Hierzu zählte die Verweigerung von Papier und Druckmöglichkeiten, die Nichtzulassung von Gliederungen der Partei und Kandidaten zu Wahlen, aber auch die Vertreibung und Verhaftung führender Mitglieder.

Mit der Absetzung des demokratisch gewählten Parteivorstandes im Dezember 1947 endete final die Möglichkeit der CDU, ihre Positionen selbst bestimmen zu können. Vorangegangen war Kaisers aufsehenerregende Rede auf dem zweiten Parteitag der CDU in Berlin im September 1947, in der Kaiser forderte, die CDU müsse „Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus und seiner totalitären Tendenzen“ sein.

Die Arbeit der CDU wurde weiterhin in vielfältiger Weise durch die SMAD behindert. Alle Veranstaltungen der CDU, selbst interne, bedurften inzwischen der Genehmigung durch die SMAD. Hierzu waren vorab Texte von Reden oder Entschließungen vorzulegen. Beschlüsse unterlagen der (vorherigen) Zustimmungspflicht der SMAD. Auch gab die SMAD vielfach die Beschlusstexte vor. Die CDU erhielt weiterhin nur Bruchteile der Zuweisungen an Papier und Druckkapazitäten, wie sie im Vergleich dazu der SED zugeteilt wurden. Ihre Publikationen unterlagen der Zensur. Es kam zu einer Vielzahl von Verhaftungen und ebenfalls die persönliche Existenz bedrohenden Entlassungen.

Die CDU wurde nach und nach von so genannten „reaktionären Elementen gereinigt“ (ein Jargon seitens der SED, an den sich die Bevölkerung ab dann nachhaltig zu gewöhnen hatte). Das Politbüro der SED hatte hierzu bereits 1949/50 entsprechende Beschlüsse gefasst; schließlich wurden diesem ab dem Staatsgründungstag der DDR (hier: 7. Oktober 1949) durch die Sowjetunion erweiterte Kompetenzen zugebilligt. Dass man beim Vollzug der Sowjetpolitik natürlich unter genauester Beobachtung stand, war dort natürlich vollkommen bewusst. Ziel dieser sehr Moskau-hörigen Differenzierungspolitik der SED war es somit, einen Keil zwischen die anpassungsfähigen Funktionäre und die immer noch überzeugten Anhänger der parlamentarischen Demokratie zu treiben. 1950 wurden als widerspenstig angesehene CDU-Politiker, wie der Landesvorsitzende in Sachsen sowie diverse CDU-Landesminister, ausgeschaltet. Mit ihnen war die letzte politische Widerstandskraft der Union radikal beseitigt worden. Auf ihrem sechsten Parteitag im Oktober 1952 erkannte die CDU denn auch brav die führende Rolle der SED „vorbehaltlos“ an. Die Annahme von SED-Positionen war damit auch bei dieser Partei weitgehend abgeschlossen.

Verbunden mit dieser Annäherung war jedoch ein erheblicher Mitgliederschwund. Von ungefähr 200.000 Mitgliedern im Jahre 1947 waren durch Flucht, Austritt und Ausschluss bereits 1950 über ein Viertel wieder ausgeschieden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sank die Zahl um weitere etwa 50.000 Mitglieder. Der erzwungene Rücktritt des bereits erwähnten sächsischen CDU-Vorsitzenden Hickmann wurde erneut mit einer Verfolgungswelle begleitet. Zu der Zeit zählte das im westlichen Berlin ansässige und in seiner Zuständigkeit noch zu kennzeichnende CDU-Ostbüro über einhundert Verhaftungen von eigenen Parteimitgliedern aus politischen Gründen gegenüber gut sechzig im Jahr zuvor. Auch in den Folgejahren blieb die Zahl der Verhaftungen auf dem hohen Zahlenniveau von 1950. Waren im Vorjahr im Schnitt monatlich zwanzig Parteimitglieder in den Westen geflohen, so waren es 1950 schon über einhundert. Die zunehmende Repression zeigte auch in den Folgejahren die Wirkung in kontinuierlich steigenden Fluchtzahlen. Der Höhepunkt der Fluchtbewegung war im März 1953 erreicht, als fast siebenhundert CDU-Mitglieder in den Westen flohen. Diese Flucht trug gleichzeitig zu einer Zementierung der SED-Nähe bei. In der DDR blieben nur noch willfährige Mitläufer und Resignierte.

Die Rolle der CDU in der DDR als „Blockflöte“

Zusammengeschweißt im so bezeichneten Antifaschistischen Block bzw. später der Nationalen Front, nannte man die teilnehmenden Parteien ganz offiziell Blockparteien in der Volkskammer der DDR, zu welchen neben der SED auch die CDU, die LDPD, die NDPD und die Bauernpartei gehörten. Die inoffizielle, und natürlich verbotene Bezeichnung, lautete „Blockflöte“. Das hierzu verwendete Bild: man hatte eben der tonangebenden SED stets zu folgen.

Die CDU etablierte in der DDR also ähnliche Parteistrukturen wie die SED, das Vermögen der Partei wie auch der politische Kurs wurde von einigen wenigen Generalsekretären kontrolliert und die Mitglieder wurden in die gesellschaftlich-politischen Strukturen der DDR integriert. Für hauptberufliche Funktionäre kein schlechtes „Geschäft“: So waren denn ungefähr 30.000 Mitglieder in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen der Nationalen Front, über 15.000 als Abgeordnete und Nachfolgekandidaten in den verschiedensten gewählten Vertretungen tätig und gut fünfzig Abgeordnete gehörten der Volkskammer an. Die CDU war zudem im Präsidium dieser parlamentarischen Kammer, im Staatsrat, im Ministerrat und dessen Präsidium, sowie in den örtlichen Räten (hier: Rat der Stadt, Rat der Gemeinde, Rat des Stadtbezirks und Rat des Kreises) der DDR vertreten.

Artig rechtfertigte die CDU als Blockpartei denn auch den Mauerbau im Jahr 1961, den die SED verbal gerne als friedensichernden, antiimperialistischen Schutzwall aufzuwerten gedachte. Parteinahe Autorenkollektive der CDU betrieben unter anderem auch politische Propaganda, die gegen die West-CDU ausgerichtet war, so beispielsweise der Titel eines Buches aus dem Jahr 1968: „CDU/CSU: Kreuzritter des Kapitals“.

Dennoch: trotz aller Bemühungen der SED, die Ost-CDU völlig gleichzuschalten, fanden sich auch innerhalb der Partei noch in den 1950-er und 1960-er Jahren Anzeichen widerständigen Verhaltens einzelner Parteimitglieder. Entgegen dem Wunsch der Parteiführung war es nicht gelungen, die innere Opposition aus der Ost-CDU vollständig herauszudrängen oder auszuschließen. Wiederholt protestierten Mitglieder gegen einzelne Maßnahmen der Staatsführung oder ihrer eigenen Partei. Ein zentraler Kritikpunkt war die indifferente Haltung der Parteiführung zur Einführung der Jugendweihe in der DDR; dies in ausdrücklicher Konkurrenz zur Konfirmation in der Evangelischen Kirche (und auch der Firmung in der in Mitteldeutschland sehr kleinen katholischen Kirche). Gerade in dieser für eine christliche Partei zentralen Frage hätten sich viele Mitglieder mehr Widerstand gegen die Bestrebungen der SED gewünscht.

Im März 1972 geschah dann ein bis zur Wende absolut einmaliges Ereignis: die natürlich immer geschlossen mit „Ja!“ stimmende Volkskammer hatte ein teilweise abweichendes Stimmverhalten zu verzeichnen. Wie kam es bloß zu diesem Skandal!? Seinerzeit stand in der Volkskammer das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft zum Beschluss an. Bei der Abstimmung kam es zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Volkskammer (bis Ende 1989) zu Gegenstimmen. Sich den Bedenken der Kirchen anschließend, stimmten immerhin vierzehn Abgeordnete der CDU – rund ein Viertel der Fraktionsmitglieder – gegen das Gesetz, acht weitere Abgeordnete enthielten sich der Stimme.

Davon einmal abgesehen, nickte die CDU – ihrer zugewiesenen Rolle entsprechend – wie alle in der Volkskammer vertretenen Parteien (s. o.) und Massenorganisationen (hier: die Freie Deutsche Jugend, der Demokratische Frauenbund, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und der Kulturbund der DDR) sämtliche vom Zentralkomitee der SED zugeleiteten Beschlüsse folgsam ab.

Die Exil-CDU und das Ostbüro

Aus den Reihen der Union bildete sich, als Konsequenz aus dem sowjetisch initiierten Druck, ab Ende der 1940-er Jahre eine Vielzahl lokaler illegaler Widerstandsgruppen. Alleine oder in Zusammenarbeit mit dem Ostbüro der CDU wurde versucht, dem Macht- und Meinungsmonopol der Kommunisten entgegenzuwirken. Der persönlich bittere Preis dieser Aktivitäten war die Verhaftung vieler Demokraten, eben auch aus den Reihen der CDU im mitteldeutschen Gebiet.

Da ansonsten aber eine freie Parteiarbeit schon in der damaligen SBZ nach dem Blockbeitritt der CDU nicht mehr möglich war, bildete sich die Exil-CDU. Es war dies eine Organisation der ins westliche Deutschland geflüchteten Mitglieder der CDU aus der „Zone“, wie die SBZ ehedem häufig im freien Teil Deutschlands genannt wurde. Die Exil-CDU wurde von der Bundes-CDU als Vertretung der Christdemokraten in der DDR angesehen und einem Landesverband gleichgestellt.

Alleine von den vierzehn gewählten Mitgliedern des Hauptvorstandes der SBZ-CDU waren zehn in den Westen gegangen. Diese luden die Delegierten des zweiten Parteitages von 1947 zum ersten Parteitag der Exil-CDU im September 1950 im westlichen Berlin ein. Über zweihundert emigrierte Christdemokraten aus der DDR nahmen daran teil.

Die operative Arbeit der Exil-CDU wurde federführend durch das Ostbüro der CDU durchgeführt. Es bildete sich aus dem West-Berliner Büro des ehemaligen Gründungsmitglieds Jakob Kaisers, welches dieser auch nach seinem Eintritt als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen im Kabinett Adenauers beibehielt. Neben der Organisation der Exil-CDU bestand ein wesentlicher Teil der Arbeit in der Unterstützung des Widerstandes in der DDR sowie der Unterstützung der demokratischen Kräfte in der DDR-CDU. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 verlor das Büro jedoch seine Bedeutung.

Kontakte zum Ostbüro der CDU waren in der DDR natürlich streng verboten. Eine Vielzahl von Verhaftungen und Schauprozessen erfolgte wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit dem Ostbüro, man erkannte sodann, basierend auf entsprechenden Gummiparagraphen, auf staatsgefährdende Umtriebe und Staatszersetzungsversuche. 1)

Die Hochschulgruppen der CDU in der SBZ/ DDR

Die Studenten der bürgerlichen Bildungselite in der SBZ engagierten sich in den LDPD- und CDU-Hochschulgruppen. Bis hinein in die Jahre 1949/50 sind diese geistige und politische Oppositions- und Widerstandszentren im akademischen Bereich gewesen. An den Hochschulen und Universitäten der SBZ kam es zu politischen Konflikten, die fast immer um und über die studentischen Vertretungen ausgetragen wurden. Bei den Studentenratswahlen konnten damals sehr beachtliche bürgerliche Mehrheiten zwischen 50 % und 70 % erzielt werden. Die Kommunisten versuchten, parallel zum Geschehen im Parteienspektrum, sich über ihre Einheitsorganisation „Freie Deutsche Jugend (FDJ)” und die Manipulation von Wahlergebnissen Mehrheiten zu sichern.

Bis 1948 konnten sich die demokratischen Studentengruppen an allen sechs Universitäten der SBZ noch halten. Ihre Spielräume schmolzen jedoch durch Verhaftungen (siehe entsprechende Gewaltmaßnahmen im Parteiengefüge) von mindestens 400 bis 500 Studenten, die von Militärgerichten zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden oder gar ums Leben kamen. Mit den Verhaftungen wurden auch die Hochschulgruppen der CDU und der LDPD verboten.

Die Verhaftungen von Angehörigen der CDU-Hochschulgruppe in Berlin leiteten die Auseinandersetzungen in der Humboldt-Universität ein, die schließlich zur Gründung der „Freien Universität (FU)” im westlichen Berlin führten. Auch Hochschullehrer erhoben Widerspruch gegen die schrittweise Einengung der akademischen Freiheiten. Sie konnten sich bei ihrem Protest überdies auf Gesetz und Hochschulordnungen stützen, aber auch dieser Widerspruch wurde brutal unterdrückt. Professoren wurden verhaftet und verschwanden plötzlich, ohne je wieder aufzutauchen.

Besonders „gefährliche” Gegner des SED-Regimes verschwanden in Richtung Sibirien, wie z. B. über dreißig Angehörige der jungliberalen Opposition sowie LDPD-Hochschulreferenten und Mitglieder des LDPD-Landesvorstandes in Mecklenburg-Vorpommern. Sieben von ihnen wurden 1949 zum Tode verurteilt und 1951 erschossen, die anderen verurteilten die Sowjets zu je fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeitslager. Nicht selten wurden auch Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur politisch verfolgt. 2)

Positionen zur Frage der deutschen Einheit in der Bundesrepublik

Im westlichen Deutschland, welches mit Inkraftsetzung des Grundgesetzes im Mai 1949 mit Erlaubnis der westlichen Alliierten ein eigenes Staatswesen entwickeln konnte, gab es in den ersten beiden Jahrzehnten noch einen weitgehenden parlamentarischen Konsens gegenüber dem anderen Teil Deutschlands. So unterhielt auch die SPD im westlichen Berlin ein Ostbüro und sie war bereit, entschlossen radikalen linken politischen Hochgruppen wie dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund entgegenzutreten. Die zwangsweise Vereinigung der SPD in Mitteldeutschland mit der KPD zur SED wurde lange Zeit verurteilt.

Dies änderte sich dies allerdings ganz öffentlich mit dem Machtantritt der ersten sozial-liberalen Regierung Brandt Scheel. Fortan setzte man in politisch sehr nachgiebiger Form auf Normalisierung und Annäherung, was ja für sich genommen löblich sein mag. Letztlich teuer erkauft wurde dies aber mit großen steuerlichen Mitteln, wirtschaftlichem Entgegenkommen und dem Räumen vieler politischer Positionen gegenüber der DDR. Der seinerzeit im Bundestag oppositionellen CDU/ CSU blieb nur die Rolle des vor Fehlern Warnenden, wie zum Beispiel bei der Frage des Grundlagenvertrags. 3)

Mit Blick auf die Frage der deutschen Einheit gab es innerhalb der SPD seit der Regierungsübernahme in Bonn praktisch keine Kräfte mehr, die diesen Aspekt noch für relevant hielten und Mitte der 1980er Jahre trafen sich Vertreter der SPD mit jenen der SED, um eine schriftliche Positionierung mit inhaltlichen Gemeinsamkeiten zu Papier zu bringen. Die seinerzeitige Zwangsvereinigung mit der KPD, die vielen nicht willfährigen Mitgliedern der SPD ähnliche Drangsalierungen einbrachte, wie zeitgleich jenen von CDU und LDPD, war offensichtlich vergessen. 4)

Noch im Herbst 1989 sprach niemand Geringerer als Herr Egon Bahr betreffs der Frage zur nationalen Einheit von einer „Lebenslüge des CDU Programms“! 5)

Die Partei der Grünen wusste, angesichts der von ihr für prioritär gehaltenen Kernthemen und mangels Relevanz, in ihren ersten Jahren schlicht nichts mit dem Gedanken einer deutschen Einheit anzufangen. 6)

Wenn, dann waren im Parteienspektrum der damaligen Bundesrepublik am ehesten noch aus den Reihen von CDU und CSU Bezugspunkte zur Einheitsfrage erkennbar. Außerhalb dessen blieben noch einige Heimatverbände, studentische Verbindungen und die Kirchen: diese wurden dann dazu aber in den 1970er und 1980er Jahren oftmals als realitätsfern und ewig gestrig bespöttelt. 7)

Die CDU in der DDR im demokratischen Aufbruch und die deutsche Einheit in Freiheit

Als ab Mitte der 1980er Jahre vor dem Hintergrund der Reformbewegungen in Polen, Ungarn und in der UdSSR der Druck der Blockparteimitglieder auf ihre Leitungen wuchs, waren es in der CDU nicht von ungefähr Mitglieder von der Parteibasis, allesamt aus dem Raum der Kirche, die im September 1989 in dem „Brief aus Weimar“ Reformen in Staat und Gesellschaft, insbesondere die Aufhebung der Reisebeschränkungen, forderten. In dreißig Punkten wurde zunächst die Krise der DDR, die sich in der Ausreisebewegung und der Überforderung der Kirche durch ihre politische „Stellvertreterrolle“ zeigte, beschrieben: Die CDU wäre dadurch „herausgefordert, ihre gesellschaftliche Mitverantwortung an höheren Maßstäben zu messen“. Die „innerparteiliche Demokratie“ solle sich nicht am „demokratischen Sozialismus“ orientieren, die Meinungen der Mitglieder sollten „authentisch zum Ausdruck“ kommen. Im Demokratischen Block solle sich die CDU mehr profilieren, mehr Minister in der Regierung und in den Regionen mehr Einfluss fordern. Auf gesellschaftlicher Ebene solle mehr „Offenheit“, Unabhängigkeit der CDU-Presse, Nachprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen, die Respektierung der „Mündigkeit des Bürgers“, völlige Reisefreiheit und Rückreiserecht von Ausgewanderten sowie eine „realistische Sicht ökonomischer Fakten“ befördert werden. Mit diesem Dokument im Vorfeld der friedlichen Revolution war die Basis der CDU nicht unerheblich an den säkularen Umbruchprozessen beteiligt, die schließlich zum Ende der DDR führten.

Die Forderungen des Weimarer Briefes blieben zwar hinter denen der Opposition zurück, weil sie das politische System eher dynamisieren als verändern wollten, bedeuteten aber in der Situation im September 1989 geradezu eine Provokation innerhalb der schon so lange völlig erstarrten Partei. Der Brief wurde in der CDU heftig diskutiert, und die gleichgeschaltete CDU-Propaganda reagierte abwehrend. Die Reformgruppe konnte jedoch einflussreiche Positionen einnehmen und hatte die Partei insgesamt gegen die alte Führung rebellisch gemacht.

Die Wahl Lothar de Maizières zum Parteivorsitzenden im November 1989 setzte dann ein deutliches Signal für einen nun die gesamte Partei erfassenden Umwandlungsprozess. Kurz darauf kündigte die CDU ihre Mitgliedschaft im „Demokratischen Block“ auf. Auf einem Sonderparteitag beschloss die Ost-CDU dann einen grundlegenden politischen Kurswechsel: Die ehemalige Blockpartei definierte sich nun als „Volkspartei mit christlichem Profil“, sprach sich gegen „sozialistische Experimente“ aus und trat für eine Marktwirtschaft sozialer und ökologischer Prägung ein. Der Sonderparteitag endete mit dem Bekenntnis zur deutschen Einheit in einem geeinten Europa. Mit der Distanzierung vom DDR-Sozialismus und dem Bekenntnis zur „Sozialen Marktwirtschaft“ sowie ihrem Schuldbekenntnis war die CDU die erste der einstigen Blockparteien, die den Neuanfang suchte und praktizierte.

Seit diesem Sonderparteitag war die DDR-CDU eine qualitativ neue Partei, zumindest in ihrer Führung. Nahezu alle Altkader waren in der Versenkung verschwunden oder auf zweit- und drittrangige Positionen abgeschoben worden. Seit Dezember 1989 setzten sich auch immer stärker diejenigen durch, die die schnelle Vereinigung Deutschlands und mit der West-CDU befürworteten. 2)

Im Zuge dieser sich nun überstürzenden Ereignisse stand die Frage nach einer tatsächlichen demokratischen Legitimierung im Raum, die im März 1990 zu den ersten und zugleich letzten freien Volkskammerwahlen in der noch bestehenden DDR führen sollte. Angesichts der hüben wie drüben unerwartet eindeutig zur deutschen Einheit hinführenden Gesamtstimmung schwenkte der Altbundeskanzler Willy Brandt inhaltlich mit dem heute noch wohl bekannten Satz um: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört!“ Damit war plötzlich aus dieser Partei keine Rede mehr von Lebenslüge und ähnlichem. 8)

Die CDU begann ihrerseits, unterstützt und beraten mit Hilfe des Westens, den Wahlkampf. Im Februar 1990 schloss sie unter dem Motto „Allianz für Deutschland“ ein Wahlbündnis mit dem „Demokratischen Aufbruch“ (DA) und der „Deutschen Sozialen Union“ (DSU), das bei der Wahl zur Volkskammer im März 1990 fast die absolute Mehrheit erreichte (hier: CDU 40,8 %, Allianz 48,15 %). Schon das kurz vor der Wahl verabschiedete Parteiprogramm, in dem eine „von der Basis aus grundlegend gewandelte“ CDU sich auf „ihren Ursprung“ besann und als „Union der Mitte“ einen Neuanfang ankündigte, ließ deutliche Tendenzen der Annäherung an die Schwesterpartei in der Bundesrepublik Deutschland erkennen. Somit spiegelte dieses Wahlergebnis gewiss auch die immer konsequente Haltung von CDU/ CSU zur Frage der deutschen Einheit wieder. 2)

Dass dieses Resultat nicht jedem Politiker gefiel, zeigte noch am Wahlabend die Posse des Herrn Otto Schily (ehemals Mitglied der Grünen, später sodann der SPD), welcher als Erklärung zum so deutlichen Wahlergebnis eine Banane vor laufender Kamera zeigte … 9)

Lothar De Maizière wurde zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt und bildete mit der SPD, dem Bund Freier Demokraten und den Allianz-Partnern DSU und DA eine große Koalition. Mit Sabine Bergmann-Pohl stellte die CDU die letzte Präsidentin der Volkskammer und damit das letzte Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik. 1)

Im Mai 1990 empfahl der Parteivorstand der Ost-CDU die Bildung gemeinsamer Kommissionen mit der West-CDU, die Zusammenarbeit der CDU-nahen Vereinigungen und die wechselseitige Teilnahme von Vertretern an den Sitzungen der Leitungsgremien.

Einen Monat später hatte der Parteivorstand der Bauernpartei den Beitritt zur CDU beschlossen und seinen Mitgliedern empfohlen; im August fasste ein Sonderparteitag des Demokratischen Aufbruchs einen entsprechenden Beschluss.

Die neugebildeten fünf Landesverbände der CDU der DDR traten schließlich auf einem gemeinsamen Parteitag in Hamburg Anfang Oktober 1990 ihrer bundesrepublikanischen Schwesterpartei bei (der Berliner CDU-Landesverband hatte sich bereits im September vereinigt). 2)

Nachdem wirtschaftlich mit Einführung der Deutschen Mark als gemeinsamer Währung die Einheit am 1. Juli 1990 vollzogen wurde, erfolgte am 3. Oktober desselben Jahres auch die politische Wiedervereinigung.

Die damit notwendig gewordenen Bundestagswahl 1990 fand am 2. Dezember 1990 statt. Diese Wahl zum 12. Deutschen Bundestag stand natürlich ganz im Zeichen der kurz zuvor erreichten deutschen Wiedervereinigung. So konnten CDU/ CSU auf zusammen fast 44 % der Stimmen kommen und die FDP als Koalitionspartner auf genau 11 %. Dagegen büßte die SPD mehrere Prozentpunkte ein und vereinte lediglich noch ein rundes Drittel aller Wählerstimmen auf sich. Die Partei Bündnis ’90 – die Grünen mussten sich an jenem Wahlabend mit weniger als 4 % Stimmenanteil zufrieden geben. Offensichtlich unterschied der Wähler auch jetzt, wer wirklich immer zur deutschen Einheit gestanden hatte und wer dieses Thema schon längst vorher ad acta gelegt hatte … 10)

 

Anmerkungen

1) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „CDU“, Abrufdatum: 01.02.2015

2) Ralf G. Jahn: „Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) [Ost]“

3) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort: „Ostpolitik“; Abrufdatum: 02.02.2015

4) „SED/SPD-Dialogpapier zum Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“, in: elektronische Netzseite der Konrad-Adenauer-Stiftung; Abrufdatum: 04.02.2015

5) „Egon Bahr lehnte damals die deutsche Einheit ab“, in: elektronische Netzseite des General-Anzeigers Bonn, Abrufdatum: 04.02.2015

6) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „Bündnis 90/Die Grünen“; Abrufdatum: 04.02.2015

7) Hans-Otto Kleinmann, „Geschichte der CDU“, in: elektronische Netzseite der Konrad-Adenauer-Stiftung; Abrufdatum: 02.02.2015

8) Klaus Schönhoven: „Der lange Weg zum Frieden“, in: elektronische Netzseite von Zeit Online; Abrufdatum: 04.02.2015

9) Theo Sommer: „Ausgerechnet Bananen“ in: Zeit Online vom 04.03.1999; Abrufdatum: 04.02.2015

10) Elektronisches Lexikon Wikipedia zum Stichwort „Bundestagswahl 1990“, Abrufdatum: 04.02.2015

 


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Johannes Engels

geb. 1958, Dr. rer. pol., VDSt Köln.

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