Vater, Mutter, Kinder – Plädoyer für die Normalität

Birgit Kelle referiert beim VDSt Breslau-Bochum.


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„Erzkonservatives Familienmodell“, „christliche Fundamentalist*in“, „Antifeministin“. Wenn linke Gesinnungswächter (wie das „Protestkomitee“ der Ruhr-Universität) mit solcherlei Kampfvokabular vor einem Vortrag warnen, kann man als geistig aufgeschlossener Mensch fast immer sicher sein, eine interessante Veranstaltung geboten zu bekommen. Und so ließen es sich am 11. November viele nicht nehmen, den Vortrag von Birgit Kelle zu verfolgen, der den Titel trug „Familie zwischen Auslaufmodell und Moderne“.

Reges Interesse

Birgit Kelle reist frühzeitig an. Eine Tragetasche ihrer Bücher unter dem Arm, die sie fast alle im Laufe des Abends an den Mann oder die Frau bringt und mit persönlicher Widmung versieht. „Dann mach doch die Bluse zu. Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn“ hat ihr endgültig eine größere öffentliche Aufmerksamkeit beschert. Man plaudert über dies und das. Die studierte Juristin erzählt von ihrer Arbeit als Kolumnistin in „Focus“, „Welt“, „Junger Freiheit“. Besonders nach Fernsehauftritten (bei Maischberger, Beckmann, Illner und Plasberg war sie schon) erhalte sie viel Post. Meist von Frauen. Und diese sei überwiegend positiv.

Währenddessen füllt sich die Bundesetage. Ein solcher Gast zieht offensichtlich. Für viele mag die „Warnung“ der Gesinnungswächter in der Tat eine anziehende Wirkung gehabt haben. Die meisten Bundesbrüder stehen jedenfalls, um die Sitzplätze den vielen Besuchern zu überlassen.

Kelle stellt ihrem Vortrag die Frage voran, ob die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern ein „Auslaufmodell“ sei. Betrachte man die Medienlandschaft, müsse man immerhin diesen Eindruck bekommen. Von Comedy-Serien, über Reality-Shows, bis hin zum „Tatort“: Die oben skizzierte Familie sei dort unterrepräsentiert. An ihre Stelle getreten seien Singles, Patchwork- und Regenbogenfamilien, sowie WGs, deren Mitglieder meist alle untereinander umtriebig seien. Wenn Familie auftritt, dann nur in der Form, dass sie versagt. Im Tatort als Hort des Verbrechens, in der „scripted reality“ als Bedarfsanmelder für Supernannys und in den Nachrichten als Schauplatz der „Familientragödie“. Zudem riefen Politiker und Apologeten unterschiedlichster Lebensentwürfe die Familie als eben jenes „Auslaufmodell“ aus.

Die traditionelle Familie ist der Normalfall

Diese Darstellung sei eine grobe Verzerrung der Wirklichkeit. Kelle bezieht sich dabei auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach noch immer gut siebzig Prozent aller Kinder in Deutschland bei ihren leiblichen und miteinander verheirateten Eltern lebten. Die traditionelle Familie sei also mitnichten ein „Auslaufmodell“, sondern der „Normalfall“. Kelle beklagte in diesem Zusammenhang, dass jeder, der das Wort „normal“ auf das traditionelle Familienkonzept verwende, sich dem Vorwurf der Diskriminierung ausgesetzt sehe, da er allen potentiell denkbaren Lebensgemeinschaften angeblich ihre Daseinsberechtigung abspräche. Doch mit der Frage nach der Normalität wirft Kelle nichts weniger als die Frage auf, welches Familienmodell gemäß Artikel sechs des Grundgesetzes dem „besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ unterliege.

Dies könne einzig und allein die traditionelle Familie mit Kindern sein. Kelle argumentiert hierfür auf zwei Wegen. Einerseits sei es die Familie, die dem Staat unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten am meisten nütze. Statistisch seien Familien deutlich seltener abhängig von Sozialleistungen als Alleinstehende und Alleinerziehende. Auf der anderen Seite führe eine Aufweichung des Familienbegriffs zu einer Minderheitenprivilegierung. Setze man z. B. gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich der Ehe gleich, komme man in argumentative Schwierigkeiten, diesen Schritt allen anderen auch nur entfernt vorstellbaren Lebensgemeinschaften vorzuenthalten (Polygamie, Dreiecksbeziehungen beliebiger Geschlechter, Inzest, Beziehung zu Großmutter, Tante usw.). Dies führe dann zwangsläufig zu einer inhaltlichen Auflösung der Besonderheit von Ehe und Familie gemäß Artikel 6.

Regulierungswahn und Gleichheitsideologie

Weiter arbeitet Kelle sich an familienpolitischen Themen wie Krippenförderung und Frauenquote ab, denen sie sowohl Berechtigung als auch Notwendigkeit abspricht, und kann sich hier und da Spitzen gegen (selbsternannte) Frauenrechtlerinnen nicht verkneifen, die ihresgleichen wider Willen aus ihrer Rolle befreien wollten. Sie fasst die oben genannten Punkte unter einem staatlich-gesellschaftlichen Regulierungswahn zusammen, in dem linke Gleichheitsideologie, staatliche Repräsentanz und globalisierter Kapitalismus insofern eine Allianz eingingen, dass ihnen die Auflösung struktureller Bindung wie der Familie nutze. In diesem Sinne schließt Birgit Kelle ihren Vortrag mit den Worten: „Wir müssen als Bürger wieder neu anfangen unsere Freiheit gegen den Staat zu verteidigen.“

Die Relationen scheinen zu verschwimmen. Es gibt Menschen, die sich darüber aufregen, dass ein Vortrag gehalten wird über das Normalste auf der Welt: die Familie. Bezeichnend, wes Geistes Kinder dort den Hort des Faschismus wittern. An diesem Abend wurden jedenfalls viel dringendere Fragestellungen erörtert: Wem nutzt eine solche antisoziale Propaganda? Wer profitiert von der Auflösung traditioneller Familienbande? Und wie sind Funktionseliten zu bewerten, die durch unbrauchbare Familienpolitik auf elementarer Ebene den Bestand des deutschen Volkes auflösen?

Rundherum gelungen

So traurig es ist, dass ein solcher Vortrag überhaupt gehalten werden muss, so viel Aufschluss gibt diese Tatsache über den Geist unserer Zeit. Die Reaktion der Teilnehmer auf den Vortrag ist jedenfalls durchweg positiv. Die sowohl mit Bundesbrüdern als auch zahlreichen Gästen bis zum Bersten gefüllte Bundesetage des VDSt Breslau-Bochum gibt der gewandten Rednerin eine angemessene Bühne. Kelle überzeugt stets durch sachliche Kompetenz, begeistert stellenweise durch erfrischende Polemik und entwaffnet (besonders die anwesenden Herren) durch weiblichen Charme. Auch nach dem gut zweistündigen Vortrag nimmt Kelle sich noch ausreichend Zeit, weiter zu diskutieren, zu plaudern und Bücher zu signieren. Besonders die Rückmeldungen unserer Gäste lassen nur ein Fazit zu: Dies war eine rundherum gelungene Veranstaltung.


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Gregor Burchardt

geb. 1986, Germanist und Historiker, VDSt Breslau-Bochum.

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