Vor schweren Aufgaben

Mit Klaus Johannis wurde ein Angehöriger der deutschen Volksgruppe in Rumänien zum Staatspräsidenten gewählt. Karl Scheerer blickt zurück, auf irreführende Berichterstattung, einen schmutzigen Wahlkampf, die bisherigen Monate im Amt, aber auch nach vorne, auf die Herausforderungen und Chancen für die rumänische Politik und für das Deutsche Forum.


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Ende 2014 wurde der Siebenbürger Sachse und Oberbürgermeister von Hermannstadt Klaus Werner Johannis mit beeindruckender Mehrheit zum Staatspräsidenten von Rumänien gewählt. Dass dies eine Sensation war, ist in der nationalen und internationalen Presse zu Recht hervorgehoben worden. In der deutschen Berichterstattung allerdings wurden fast durchweg irreführende Begriffe bezüglich der Identität von Klaus Johannis verbreitet.

Identitätsfragen

„Johannis ist Rumäne mit deutschen Wurzeln“ titelte beispielsweise die ARD in den Fernseh-Nachrichten am Wahltag des Staatspräsidenten, dem 16.11.2014. Was muss sich ein bundesdeutscher Fernsehzuschauer unter dieser Formulierung vorstellen? Etwa: „Johannis, ein Angehöriger des rumänischen Volkes mit Migrationshintergrund? Eltern oder Großeltern aus Deutschland!”. Beides ist bis in die Wurzeln falsch. Denn weder die Eltern noch die Urgroßeltern oder Großeltern des früheren Hermannstädter Bürgermeisters und rumänischen Präsidenten Johannis stammen aus Deutschland. Sie alle sind vielmehr Siebenbürger Sachsen – und das heißt: Die „Wurzeln“ von Johannis stecken tief in dem Land, das heute Rumänien ist. Und zweitens ist Johannis trotzdem „Deutscher“, weil diese „Sachsen“ zwar seit fast einem Jahrtausend außerhalb der deutschen Staaten geboren werden, trotzdem aber in ihrem Lande und auch außerhalb desselben immer als „Deutsche“ gewertet wurden. Die Siebenbürger Sachsen sind also Deutsche durch ihre eigene gemeinschaftliche deutsche Existenz, nicht, weil sie aus Deutschland stammen. Sie waren als soziale bzw. als politisch geformte Gemeinschaft schon da, als der Staat Rumänien erst im Entstehen war. Sie sind also autochthon. In Deutschland setzt man Nationalität mit Staatsbürgerschaft in der Regel gleich, wie der deutsche Außenminister Steinmeier in seiner Festrede anlässlich der 25-Jahr-Feier des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien im März 2015 in Hermannstadt ausdrücklich betont hat. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besitzt, kann demnach auch kein Deutscher sein. Im Falle der sogenannten Auslandsdeutschen, wie etwa der Siebenbürger Sachsen, behilft man sich mit irreführenden Begriffen wie „deutschstämmig“ oder „Deutschrumäne“. Folgerichtig, wenn auch falsch, sind demnach auch die Berichte, Johannis sei ein „deutschstämmiger rumänischer Politiker“ oder ein „deutschstämmiger Rumäne“ bzw. „Deutschrumäne“. „Deutschstämmig“ sind aber vielmehr beispielsweise die ca. sechzig Millionen Amerikaner, deren Vorfahren aus Deutschland zugewandert sind, die aber schon längst ihre deutsche Muttersprache verloren haben. Sie sind deutschstämmige Amerikaner. Die Muttersprache von Johannis ist hingegen eindeutig das Deutsche. Er ist also keineswegs „deutschstämmig“, sondern Deutscher. Und „Deutschrumäne“ schließlich ist eine Wortchimäre, die ein missglückter Versuch ist, Ethnie und Staatsangehörigkeit in Einklang zu bringen und eigentlich aus dem öffentlichen Sprachgebrauch getilgt gehört.

Für wesentlich mehr Klarheit sorgt die rumänische Rechtsauffassung: Selbst in den dunkelsten kommunistischen Zeiten in Rumänien war es üblich, zwischen ethnischer Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft zu trennen, es also bezüglich etwa der Siebenbürger Sachsen „rumänischer Staatsbürger deutscher Nationalität“ hieß. Diese Rechtsauffassung gilt auch heute noch. Klaus Johannis ist also als „rumänischer Staatsbürger deutscher Nationalität“ zum rumänischen Staatspräsidenten gewählt worden. Das ist die eigentliche Sensation. Aus seiner Identität als Deutscher und der Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche hat er nämlich nie einen Hehl gemacht und ist dennoch, manche behaupten sogar gerade deswegen, von der überwiegend orthodoxen rumänischsprachigen Mehrheitsbevölkerung gewählt worden.

Wirkung im Wahlkampf

Sein Gegenkandidat, der amtierende Ministerpräsident Victor Ponta von der Sozialistischen Partei, der interessanterweise vom Präsidenten des europäischen Parlaments Martin Schulz und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel spektakulär unterstützt wurde, inszenierte eine sogar in Rumänien nie dagewesene Schlammschlacht mit massiven nationalistischen Tönen. Johannis selbst hat sich darauf nicht eingelassen und blieb immer sachlich und korrekt. „Lieber verliere ich, als dass ich zum Rüpel werde“, war seine Replik. Diese Art des Wahlkampfes war für die Wähler neu und begeisterte sie. Auch sein Programm fand große Zustimmung: Bekämpfung der Korruption, effiziente Wirtschaftsreformen, Reform des maroden Gesundheitssystems und des desolaten Bildungssystems, sowie eine politische Kultur der Sachlichkeit und Unaufgeregtheit, alles Themen, die die Wähler in den bisherigen Wahlkämpfen vermisst hatten. Zu seinem Sieg hat sicher auch beigetragen, dass die Regierung glaubte, die ca. 3 Millionen Rumänen im Ausland bei ihrer Stimmabgabe massiv behindern zu müssen, da es sich bei ihnen überwiegend um „Johannis-Sympathisanten“ handelte. Diese Maßnahme führte nämlich zu einer deutlichen Anti-Ponta-Stimmung, die über die sozialen Netzwerke eine ungeahnte Verbreitung fand. Natürlich spielten bei der Stimmabgabe auch die charismatische Persönlichkeit des außerordentlich erfolgreichen und international bekannten langjährigen Hermannstädter Oberbürgermeisters Klaus Johannis, seine Unbescholtenheit und seine „deutschen Tugenden“ eine große Rolle. Die „deutschen Tugenden“ wurden auch in der Presse immer wieder thematisiert und positiv kommentiert, eine Erscheinung, die belegt, dass die rumänische Öffentlichkeit den Deutschen gegenüber eine große Sympathie empfindet. „Den ersten Sachsen, der ausgewandert ist, den hätte man erschießen sollen. Warum habt Ihr uns das bloß angetan? Gerade jetzt, wo hier alles drunter und drüber geht, bräuchten wir Euch nötiger denn je. Johannis allein kann es nicht richten“, sagte mir ein rumänischer Freund nach der Wahl. Wir von der deutschen Minderheit genießen also ein hohes Ansehen, auch wenn unsere Kopfzahl auf weniger als ein Zehntel unserer ehemaligen Zahl geschrumpft ist. Nur so sind auch unsere kommunalpolitischen Erfolge zu erklären. Herausragendes Beispiel ist die Stadt Hermannstadt, wo das Deutsche Forum trotz eines deutschen Bevölkerungsanteils von nur einem Prozent die absolute Mehrheit des Stadtrats und den Oberbürgermeister stellt. Die Nachfolgerin von Klaus Johannis im Amt und langjährige Stellvertreterin, Astrid Fodor, ist ebenfalls Mitglied des Deutschen Forums. Wir alle sind zuversichtlich, dass sie auch bei der nächsten Wahl Erfolg haben wird.

Im Amt

Natürlich hat der Wahlerfolg von Klaus Johannis das „Wir-Gefühl“ der deutschen Minderheit sehr gestärkt. Immerhin ist einer „von uns“ ins höchste Amt des Staates gewählt worden, was wir mit Genugtuung und Stolz zur Kenntnis genommen haben, zumal dadurch unser ohnehin schon hohes Ansehen noch gesteigert wurde. Ein Risiko ist jedoch nicht zu verkennen. Die Soziologin Florica Vasiliu hat sinngemäß die bedenkenswerte These aufgestellt: Wenn bei einer politischen Partei ein Amtsträger den Erwartungen nicht gerecht wird, kann er ausgetauscht werden, ohne dass die Partei einen nennenswerten Schaden nimmt. Wenn jedoch jemand wegen seiner Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit gewählt wird und es dann zu einer Enttäuschung kommt, kann es auf die gesamte Gruppe zurückfallen. Die Rückbindung an das Deutsche Forum und die deutsche Minderheit war natürlich bei der Funktion als Bürgermeister viel enger als jetzt, wo er seitens der Liberalen Partei aufgestellt wurde. Dennoch wird er in der Öffentlichkeit als Deutscher identifiziert. Das Risiko eines Scheiterns halten wir allerdings für gering und sehen vielmehr die Chancen und Möglichkeiten. Immerhin hat er in seiner bisherigen relativ kurzen Amtszeit einiges zum Positiven hin verändern können: Die Justiz und vor allem die Antikorruptionsbehörde arbeiten mit seiner Rückendeckung erstaunlich entschlossen und effektiv. Etliche ehemalige und bisher amtierende Minister stehen vor Gericht oder befinden sich in Untersuchungshaft. Ein Viertel der Abgeordneten und Senatoren, ja selbst der Ministerpräsident und etliche Politiker aus seiner Entourage stehen unter Anklage. Über 70 Kreisratsvorsitzende und Bürgermeister sind angeklagt und amtsenthoben. Die sozialistische Parlamentsmehrheit wehrt sich zwar mit allen Mitteln, indem sie sich beispielsweise weigert, die Immunität der Inkulpierten aufzuheben, wird aber auf Dauer damit keinen Erfolg haben. Auch das von der Mehrheit geplante neue Strafgesetzbuch, in dem die Strafverfolgung von Mandatsträgern erheblich erschwert werden soll, und die ebenfalls von der sozialistischen Mehrheit vorgelegte Steuerreform, in der massive Wahlgeschenke (die nächsten Wahlen werden Mitte 2016 sein) auf Kreditbasis geplant sind, hat der Präsident nicht promulgiert. Es bleibt aber abzuwarten, wie es weitergeht, denn er kann ein Gesetz nur einmal abweisen. Manchen Zeitgenossen gehen die Veränderungen nicht schnell genug, und sie beginnen, Kritik zu üben. In der Popularitätsskala steht Johannis zwar immer noch ganz oben, musste aber zwischenzeitlich einige Punkte einbüßen. Er wird also, wie er selbst äußerte, „noch sehr dicke Bretter bohren müssen“. Der bekannte Journalist und neue Botschafter in Berlin Emil Hurezeanu, ein Parteigänger von Johannis, sagte mir neulich: „Natürlich kann er das ganze Unkraut wegrupfen, aber das Wurzelgeflecht wird ihm noch lange zu schaffen machen.“

Auf dem internationalen Parkett macht Johannis eine exzellente Figur und trägt sehr stark zur Verbesserung des ramponierten Ansehens Rumäniens bei. Das bestätigen alle Gesprächspartner in der EU und in den europäischen Hauptstädten, nicht zuletzt in Deutschland. Daher ist er zu Recht zuversichtlich, dass es ihm gelingen wird, die Widerstände gegen den Beitritt Rumäniens zum Schengenabkommmen abzubauen und zur Verkürzung des Kooperations-Kontrollmechanismus beizutragen. Dabei ist es allerdings nötig, dass er auf seinem innenpolitisch eingeschlagenen Weg Erfolg hat. An Entschlossenheit dazu fehlt es ihm nicht.


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Karl Scheerer

geb. 1943, Dr. phil., VDSt Königsberg-Mainz.

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