Asiatische Schönheitsideale

Einen der prosperierendsten Absatzmärkte für Kosmetika stellen asiatische Länder dar. Bleichpillen- und Cremes versprechen den Kunden eine Aufhellung der Haut und damit einen Weg zum gewünschten Teint. Dabei handelt es sich nicht nur um vereinzeltes Streben nach äußerlicher Vervollkommnung. In vielen Zeitungsannoncen werden explizit „helle und schöne“ Mädchen gesucht. Knapp zwei Drittel der Frauen zwischen 16 und 35 Jahren geben dem nach und verwenden Bleichprodukte. Dafür muss tief in die Tasche gegriffen werden. Bis zu 20 % des durchschnittlichen Monatslohns muss in Bangkoks Apotheken für Markenprodukte ausgegeben werden. Marian Ehret, Dozent an der Stamford International University in Bangkok, hat sich auf die Spuren dieses eigentümlichen Schönheitsideals begeben.

Bild 16_01Schönheitsideale in Asien sind zum einen Ergebnis jahrhundertealter regionaler Traditionen, und auch beeinflusst durch die vom Westen ausgehende Globalisierung. Im südostasiatischen Thailand beispielsweise sind Schönheitsoperationen als Verbesserung des Selbst akzeptiert. Dies schließt eine ungewöhnlich große Akzeptanz für eine spezielle Form mit ein – Geschlechtsumwandlungen, die vor allem in der thailändischen Metropole Bangkok stattfinden. Männer, die sich optisch und chirurgisch mehr oder weniger in Frauen umwandeln und eine Art drittes Geschlecht darstellen, genießen große Toleranz im Land des Dauerlächelns.

VOM URSPRUNG DES KONZEPTS DER WEISSE – EIN VERGLEICH

Neben den Schönheitsoperationen, bei denen in Thailand oft die Verbesserung der eigenen Nase im Mittelpunkt steht, lastet der Druck, sich ästhetisch aufzuwerten, vor allem auf Frauen. Und da bei wiederum auf deren Hautfarbe. In Thailand, wie auch in anderen Ländern Asiens, wird dunkle Haut als unerwünscht angesehen. Weiße Haut stellt in diesem Teil der Welt ein wichtiges sexuelles Attribut für Frauen dar, das sehr positiv konnotiert ist, wird sie doch als Indikator für Klassenzugehörigkeit und soziale Stellung in der Gesellschaft angesehen. Wer einmal in Vietnam unterwegs war, wird sich über die Bekleidung lokaler Frauen gewundert haben, die in der tropischen Mittagshitze ihre Haut an Körper und Gesicht bedecken, um sie nicht dem bräunenden Effekt der Sonne auszusetzen. In Indien ist die weißere Haut als ein Merkmal der höheren Kasten in die kollektive Psyche der Nation eingebrannt. Hier gibt es Zeitungen, in denen Männer Inserate auf der Suche nach Frauen mit heller Haut aufgeben. In Koreas Geschichte wurden diverse Techniken angewendet, um die Haut weißer erscheinen zu lassen. Das Ideal der helleren Haut geht also auf vorkoloniale Zeiten zurück. Doch was ist sein Hintergrund? Arbeiter wurden im antiken China einst als schwarzköpfige Menschen beschrieben. Die helle Haut dagegen signalisierte in der Vergangenheit die Befreiung von schwerer körperlicher Arbeit auf dem Feld, unter dem Einfluss der Sonne, und damit hohen sozialen Status. Das war interessanterweise auch in der westlichen Welt einst der Fall. Man erinnere sich an den Ausdruck „blaues Blut“ für Angehörige des Adels, der sich auf die durchscheinenden blauen Venen unter fast transparenter Haut bezog. Noch im viktorianisch geprägten Teil des 19. Jahrhunderts war die weiße Haut ein Vorzeige-Ideal der westlichen Welt. Das änderte sich durch die Werbemaßnahmen von Coco Chanel im letzten Jahrhundert – bronzefarbene Haut wurde populär, indizierte sie doch den Wohlstand des Trägers, sich Urlaubsreisen in den warmen Süden leisten zu können. Als sich auch Angehörige unterer Klassen nach Mallorca auf den Weg machten, symbolisierte sie immer noch Gesundheit und Schöne. Das änderte sich erst etwas, als die Hautkrebsgefahr des Sonnenbadens thematisiert wurde. Nicht jedoch in Ostasien. Hier hat die milliardenschwere Kosmetikindustrie Frauen im Visier, die aufhellende Produkte kaufen wollen. Wer sich diesem Trend entzieht, läuft Gefahr, dafür mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu zahlen. Das ist ein globales Phänomen, selbst in Afrika. Weltweit sind Weißungs- und Aufhellungsprodukte auf dem Vormarsch, propagiert durch effektive Werbung. Werfen wir einen ausführlicheren Blick auf das wohl wichtigste Land Ostasiens – China.

WEISSE IN CHINA

Die „makellos milchfarbene Haut“ wird von chinesischen Frauenmagazinen promotet – die viel mehr Werbung für Hautpflegeprodukte beinhalten als ihre US-amerikanischen Gegenstücke. Erstaunlicherweise haben die Models in diesen Heften eine hellere Haut als in den westlichen Magazinen – obwohl in China eher ein etwas dunklerer Hauttyp anzutreffen ist als bei Menschen europäischer Abstammung in der westlichen Welt. Dabei werden neben Models aus Asien vor allem auch Models mit europäischem Aussehen in den chinesischen Magazinen verwendet. Im ethnisch relativ homogenen China dient die weißere Haut der Frauen als eine Art Abgrenzung zur dunkleren der Männer – und ist damit eine Betonung ihrer Femininität. Nicht selten trifft man Frauen mit Regenschirmen bei stärkstem Sonnenschein an, die sich vor unerwünschter Bräunung schützen wollen. Gemäß einer der vielen lokalen Formen von Aberglauben schlucken Frauen auch Perlenpulver, um ihre Hautfarbe aufzuhellen und als elegant zu erscheinen. In der Sonderverwaltungszone Hongkong haben die meisten Frauen, die als Werbemodelle benutzt werden, ebenfalls helle Haut. Viele von ihnen sind berühmt. Die beworbenen Produkte kommen von Markenherstellern wie Neutrogena, Za, Christian Dior und Ultimall, mit Namen wie „Feine Helligkeit“, „Wahre Weiße“, „Schnee“ und „Weißeverbesserer“. Firmen wie L’Oréal, Nivea, Lancôme und Pond’s haben „Perfektes Weiß“, „Hautaufheller“, „Weißheitsexperte“ und „Doppelweiß“ im Sortiment. Geschäfte in der ehemals britischen Kolonie bieten den seltsamen Service an, die Fotos ihrer Kunden speziell zu bearbeiten, um deren Haut darauf heller erscheinen zu lassen. Die Weiße von Hongkong-Chinesen, so eine lokal erwünschte Interpretation, wird als dem Teint anderer Ostasiaten überlegen angesehen.

WEISSE IN JAPAN

Wie in anderen asiatischen Ländern ist auch in der zweitgrößten Wirtschaftsmacht des Kontinents helle Haut sehr angesagt. Bereits in der Vergangenheit wurde weißes Pulver auf die Haut japanischer Frauen aufgetragen, um sie heller erscheinen zu lassen. In der Edo-Zeit von 1603 bis 1868 wurden schon Kosmetika verkauft, denen man eine aufhellende Wirkung zuschrieb. Die Betonung der hellen Haut diente zum Aufzeigen der ethnischen Sonderstellung der Japaner, die dunkle, schwarze Haut ethnischen Fremdgruppen zuschrieben, um sich von diesen besser abgrenzen zu können. Seit den 1980ern gibt es einen massiven Anstieg im Verkauf von Weißungs-Kosmetika. Waren es früher eher Frauen mit dunklerer Haut, die solche Produkte kauften, um dem japanischen Schönheitsideal zu entsprechen, sind es mittlerweile auch Frauen mit bereits heller Haut. Sie fühlen die Notwendigkeit, die bereits existente Weiße ihrer Haut noch darüber hinaus zu schützen. Dass diese viel heller wird, als sie ohnehin bereits ist, glauben sie jedoch nicht. Warum gerade die 1980er einen so markanten Zeitraum darstellen, ist nicht bekannt. In einer möglichen Interpretation lohnt es sich, einen Blick auf die Wirtschaft Japans zu werfen. Deren bis heute anhaltender Rückgang, im Konkurrenzkampf mit den USA, wurde damals offensichtlich. Vielleicht war die verstärkte Aufhellung der Haut japanischer Frauen eine unterschwellige Reaktion darauf – um wenigstens auf diesem Gebiet dem westlichen Konkurrenten ebenbürtig zu erscheinen. In der Zukunft wird die Bedeutung von Hautaufhellungsprodukten in Ostasien eher noch zu- als abnehmen. Es ist vielmehr der Westen, der eine Ausnahme im globalen Trend darstellt.

LITERATUR

Eric Li, Hyun Jeong Min, Russel Belk, Junko Kimura, Shalini Bahl: Skin Lightening and Beauty Products in Four Asian Countries; in: Advances in Consumer Research 35 (2008) 444–449;
Mikiko Ashikari: Cultivating Japanese Whiteness; in: Journal of Material Culture 10/1 (2005) 73–91;
Qinwei Xie, Meng Zhang: White or tan?; in: Asian Journal of Communication 23/5 (2013) 538–554;
Malene Gram: Whiteness and Western Values in Globals Advertising: An Explanatory Study; in: Journal of Marketing Communications 13/4 (2007) 291–309;
Solomon Leong: Who’s the Fairest of them All?; in: Asian Ethnicity 7/2 (2006) 167–181;
Napat Chaipraditkul: Thailand: beauty and globalized self-identity. Ethics in Science and Environmental Politics 13 (2013) 27–37

LITERATURTIPP: SCHWARZE HAUT, WEISSE MASKEN (F. FANON)

Der auf Französisch-Martinique im Jahr 1925 geborene spätere Psychiater, Politiker, Schriftsteller und Aktivist der Befreiungsbewegung in Algerien gegen die
französische Kolonialoberherrschaft Frantz Fanon verfasste mit seinem Buch Schwarze Haut, weiße Masken (1952 erschienen) einen innovativen Ansatz der postkolonialen Theorie in der Soziologie, der einer universellen, emanzipatorisch-humanistischen Vision folgt und sich grundsätzlich gegen Rassismen und
koloniale Unterdrückung wendet. Fanon bezog sich in seiner Analyse auf das kolonialisierte Subjekt und ging der Frage nach, wie sich die Erfahrung von
Kolonialismus auf die Selbstwahrnehmung der Betroffenen auswirkt. Fanon argumentierte psychoanalytisch u. a. nach Jacques Lacan (Weiterentwickler der
Freud’schen Theorien) und setzte sich mit seiner Theorie von marxistischen Befreiungsideologien ab (nicht zuletzt beeinflusst durch seine Erfahrungen im
Algerienkrieg, als die Parti communiste français sich nicht gegen die Intervention der französischen Armee stellte). Fanon gilt als ein Denker, der seiner Zeit
weit voraus war. Die Kernthese seines Werkes Schwarze Haut, weiße Masken lautet: „Der schwarze Mensch erscheint aus der Perspektive des Weißen als minderwertig, aber umgekehrt ist der Weiße mit seinen ‚Errungenschaften‘ Zivilisation, Kultur, kurz Intellekt, nachahmenswert.“ Er beschreibt eine neurotische
Grundposition, in der sich ein Angehöriger eines kolonialisierten Volkes während – und anhaltend auch nach – der Entkolonialisierung befindet. (RB)

Bilderlizenz: CC0 Public Domain

marianehret

geb. 1979, ist AH beim VDSt Erlangen und unterrichtet als Dozent für Werbung, Medien und Journalismus an der Stamford International University in Bangkok, Thailand

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