Böse Nazi-Islamisten

Zwei Gespenster gehen zugleich um in Deutschland: Islamismus und Islamfeindlichkeit. Beide sind massiv überzeichnet und zeugen von den Schwächen unserer Debattenkultur. Überwinden lassen sie sich, wenn die Bürger vom Objekt zum Subjekt des Geschehens werden.


ALLE Artikel im Netz auf aka-bklaetter.de lesen und auch das Archiv?

Jetzt kostenlos

Anmelden


Es gehört zu den Eigenheiten ideologisch aufgeladener Diskurse wie auch der politischen Propaganda, dass man für die eigene Seite trennscharfe Differenzierung verlangt, beim Reden über die anderen aber ohne Scheu pauschaliert und Verschiedenstes unter gleiche oder ähnliche Begriffe bringt. So finden denn in der aktuellen Diskussion über „Islamisierung“ und „Pegida“ allerlei feindselig klingende Begriffe munter Verwendung. „Salafismus“, „Religionskrieg“, „Systempresse“; „rechtspopulistisch“, „rechtsradikal“, „Nazis in Nadelstreifen“. Daran schuld ist natürlich keiner; jeder will ja nur das Beste, jeder hat Recht; jeder ist beleidigt. Und angefangen haben die anderen.

Fehlende Trennschärfe

Angefangen womit? Mit Unterstellungen vor allem. Pegida, nach dem wenigen, was es an Verlautbarungen gibt, ist eine Bewegung, die sich von Anfang an verfolgt fühlt, von einem Kartell aus Politik, Verwaltung, Presse, das um seine Diskurshoheit fürchte und die abweichende Meinung der schweigenden Mehrheit durch Ausgrenzung und Stigmatisierung derer, die sie zu äußern wagen, unterdrücke. Darin ist eine Menge Verschwörungstheorie und Sektenhaftes: Wer die Bewegung kritisiert, gehört pauschal zum „System“, will nicht informieren, nicht verstehen, sondern entlarven und politisch vernichten; daher spricht man mit diesen Leuten am liebsten gar nicht. Darin ist auch einiges an Selbstmitleid und Opferkult; ironischerweise etwas, das man unter den Vertretern der muslimischen Verbände leider ebenso häufig findet. Sonderlich sympathiefördernd ist das alles nicht.

Ganz ohne einen Kern von Wahrheit ist es allerdings auch nicht. Man braucht nur zu beobachten, wie sogenannte seriöse Medien, Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, es auch in rein berichtenden Beiträgen für nötig befinden, wertende Begriffe einfließen zu lassen, „rechtspopulistisch“, „islamfeindlich“, „fremdenfeindlich“; sei es in der Moderation selbst, sei es in einseitig ausgewählten Zitaten von Innenpolitikern, die sich zu den Ereignissen äußern. Oder die inquisitorische Freude zu betrachten, mit der die kriminelle oder rechtsradikale Vergangenheit einiger Figuren der Pediga-Szene öffentlich seziert wird; was man bei den staatlich bezuschussten „antifaschistischen“ Nazi-Jägern auf der linken Seite erstaunlicherweise nicht oder kaum für angebracht hält. Wunderbar ist es auch gelungen, Sätze, mit denen man nach Differenzierung verlangen kann, als Beweis für tief sitzende Vorurteile zu brandmarken, so dass sich die Angegriffenen kaum mehr wehren können. „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ – nirgendwo sonst ist ein differenzierendes Aber Grundlage für eine pauschale Verurteilung. Verwahrt sich der Angegriffene dann gegen die Unterstellung und formuliert etwas wie „Man wird doch wohl noch sagen dürfen …“, gilt er endgültig als Nazi. – Sprache wird zum Minenfeld, wenn man in ein Gespräch nicht mit dem Ziel des Verstehen-Wollens, sondern des Verurteilens hineingeht.

So stimmen denn die Unterstellungen beider Seiten zum Teil und zum Teil nicht. Natürlich gibt es ausländerfeindliche psychologische Reflexe, munteres Vermischen von Begriffen: „Zuwanderer“, „Armutsflüchtling“, „Sozialschmarotzer“, „krimineller Ausländer“. Es gibt sie in Pegida, überhaupt in den Köpfen vieler Deutscher und auch überall sonst auf der Welt; Angst vor dem Fremden ist eine evolutionär geprägte menschliche Grundstimmung, irgendwo tief verborgen sitzt sie in jedem von uns. Freilich gibt es, zumindest in einflussreichen Milieus westlicher Gesellschaften, nicht nur den Angstreflex, sondern auch den Schutzreflex; nicht nur die Assoziation Ausländer=gefährlich, sondern auch Ausländer=Opfer=schutzbedürftig. Schön beobachten konnte man das an so etwas harmlosem wie der „Ausländermaut“ der bayerischen CSU, seit der Bundestagswahl eines der Lieblingsfeindbilder der politisch berichtenden Medien. Das Projekt war verurteilt, ehe es erste Gesetzesentwürfe gab, „populistisch“, „ressentiment-schürend“. Als wäre die Frage, wie man Autofahrer, die deutsche Straßen benutzen, aber in Deutschland keine KfZ-Steuer zahlen, fair an der Finanzierung der Straßen beteiligen kann, keine politisch-praktische, sondern eine Glaubensfrage.

Probleme nicht verschweigen

Solange man auf allen Seiten Gesinnungsschnüffelei betreibt und sich gegenseitig vorrechnet, welche Vorurteile man im Hinterstübchen sitzen hat, führt man allerdings Meta-Diskussionen um das eigentliche Thema und die eigentlichen Probleme herum. Denn die muss es ja irgendwo geben.

Auch wenn es ständig vermischt wird, muss man die Themen Flüchtlingspolitik, Zuwanderung und Islamisierung hierbei voneinander trennen. Zum Teil betreffen sie zwar den gleichen Personenkreis, sind aber strukturell sehr verschieden.

Flüchtlingen Asyl zu gewähren ist eine Zuwanderung nicht auf Dauer, sondern auf Zeit, und sie ist motiviert nicht durch Interessen, sondern durch Mitmenschlichkeit oder, diplomatisch gesprochen, „Deutschlands internationale Verantwortung“. Gewiss dauern manche Konflikte, die Flüchtlinge nach Deutschland treiben, so lange, dass aus dem Asyl eine De-facto-Einwanderung werden kann; gewiss sind unter den Flüchtlingen auch qualifizierte Arbeitskräfte, die dem Aufnahmeland wirtschaftlichen Nutzen stiften können. Aber das sind dann, wenn Flüchtlinge aufgenommen werden, noch Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten, also keine Basis für politische Entscheidungen.

An der Asylpolitik Kritik zu üben ist völlig legitim, auch wenn man sich nicht bescheidwisserisch über die Landes- und Kommunalpolitiker erheben sollte, die nun in kurzer Zeit mit einer großen und unerwarteten Flüchtlingswelle organisatorisch fertig werden müssen. Legitime Kritik gibt es übrigens aus beiden Richtungen, ohne dass man darauf gleich mit Pauschalvorwürfen wie „Gutmenschentum“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ antworten muss.

Kritisieren kann man die Unterbringungssituation der Flüchtlinge, kritisieren kann man den unfreundlichen Umgang mit ihnen in Behörden, kritisieren kann man die fehlende Sorgfalt, mit der private Sicherheitsleute ausgewählt wurden, die Flüchtlinge dann traktierten. Kritisieren kann man auch die alte Residenzpflichtregelung und die unpragmatische Art und Weise, mit der auch nach Jahren des Aufenthalts der Schul- und Arbeitsmarktzugang der Flüchtlinge erschwert wird.

Kritisieren kann man freilich umgekehrt, wie lange in den Fällen, in denen die Behörden das Asylgesuch ablehnen, es bis zur Rückführung in das Ursprungsland dauert, über wie viele Stufen hier mithilfe der Asylorganisationen ein Klageweg beschritten werden kann und wird. Kritisieren kann man die Verteilung der Flüchtlinge, über die europäischen Länder, innerhalb Deutschlands über die Regionen. Und durchaus offen kann man diskutieren, wie viel Verantwortung Deutschland wirklich für die übrige Welt und für Konflikte in fernen Ländern trägt, an denen es nicht beteiligt ist, und ob sich die Probleme Afrikas und des Nahen Ostens wirklich lösen lassen, indem man einem kleinen Teil der Notleidenden bei uns Schutz gewährt.

Keine dieser Fragen kann man in den Kategorien des politischen Extremismus beantworten, auch wenn das vielfach versucht wird. Teils sind es pragmatisch-organisatorische, teils sind es Werte-Entscheidungen, aber niemals solche, dass eine bestimmte Antwort die Treue zu Verfassung und demokratischer Grundordnung vermissen ließe. Es ist völlig legitim, zu fordern, Deutschland solle gemessen an der Bevölkerungszahl so viele Flüchtlinge aufnehmen wie der Libanon, also etwa zwanzig Millionen; es ist genauso legitim, eine Grundgesetzänderung zu verlangen und das Asylrecht abschaffen zu wollen. Man mag beides unsinnig finden. Aber demokratische Meinungsfreiheit ist auch Freiheit zum Unsinn.

Auch die Identitätsfrage ist legitim

Was nun den zweiten Komplex, die gewollte, interessengesteuerte Einwanderung angeht, so hat man es ebenso mit einem Gemisch aus praktischer Organisation und Abwägung zwischen Werten zu tun, nicht aber mit politischen Extremismuskategorien. Massenzuwanderung als politisches Programm ist ebenso demokratisch legitim wie Nullzuwanderung. Das eine wie das andere wäre eine Werte-Entscheidung, es gibt keine strikte, logische Beweisführung, die eine bestimmte Antwort zwingend ergibt.

Zuwanderungsgegner und -befürworter argumentieren vordergründig mit ökonomischen Effekten. Zuwanderung wird gebraucht, sagen die einen, aus Gründen der Demographie, der fehlenden Fachkräfte, der Rentenlücke. Zuwanderung schadet, meinen die anderen, weil sie soziale Folgekosten mit sich bringt, Familiennachzug, Kindergeldzahlungen für Kinder, die noch im Ausland leben, und ähnliches; außerdem ließe sie andere Länder ausbluten, denen die Fachkräfte dann wiederum fehlten. – Diese ökonomische Frage ist eine nach Zahlen und lässt sich anhand empirischer Studien wohl einigermaßen entscheiden. Aber sie ist eben nicht das einzige Argument. Selbst wenn Zuwanderung in Summe keinen wirtschaftlichen Nutzen stiftete, könnte man sie dennoch begrüßen, wenn man sie per se als kulturelle Bereicherung empfände; umgekehrt könnte man ein Stück Wohlstandsverzicht als akzeptabel hinnehmen, wenn man sich vor Identitätsverlust und Überfremdung fürchtet.

Diese Frage nach dem richtigen Maß kultureller Heterogenität ist mutmaßlich die eigentlich entscheidende. Die Antwort liefert kein Gesetz, kein Grundwertekatalog; jede Gesellschaft kann und muss sie für sich selbst entscheiden. Arbeitnehmerfreizügigkeit ist kein göttliches Gebot. Mit einem Land ist es wie in einem Verein: Die Mitglieder bestimmen über den Vereinszweck und darüber, wer aufgenommen wird. Wollen sie bleiben, wie sie sind, wollen sie ihre Identität bewahren, gleichzeitig aber denen, die hier leben, die freiheitlichen Grundrechte gewähren, eine kulturelle Assimilation also nicht erzwingen, so müssen sie das Maß der Zuwanderung begrenzen. Mit einer Geringschätzung des einzelnen Zuwanderers und seiner kulturellen Identität hat das rein logisch nichts zu tun, und übrigens auch in der emotionalen Wirklichkeit nicht immer. Man kann die einzelne Zuwandererfamilie im Dorf als Bereicherung sehr schätzen und durchaus gleichzeitig finden, mehr als fünf sollten es nicht sein. Diese Haltung mag man dann immer noch engstirnig, gestrig, weltabgewandt finden. Aber auch zur Engstirnigkeit haben freie Menschen in einem freien Land das Recht.

Innerhalb dieser Frage, die diffus um die Begriffe Kultur, Identität, Vielfalt kreist, spielt nun die Sorge vor der Islamisierung eine Sonderrolle. Das hat verschiedene Gründe. Rein zahlenmäßig bilden die Muslime, von denen über drei Millionen in Deutschland leben, eine große und wachsende, wenngleich in sich überhaupt nicht homogene Gruppe. Historisch gibt es durch die über tausendjährige gemeinsame Geschichte von Morgenland und Abendland mit ihren Höhen und Tiefen gewisse Vorbelastungen; die aktuell noch befeuert werden durch die gewalttätigen Exzesse islamistischer Terrorgruppen in Nordafrika und im Orient, die wiederum durch vergleichsweise kleine, aber doch nicht zu übersehende Sympathisanten- und Helfergruppen bis nach Europa hineinragen, ebenso wie durch die euro-amerikanische Militärpräsenz in einigen mehrheitlich muslimischen Ländern. Schließlich gibt es im Islam starke, über die Gruppe der Gewaltbereiten durchaus hinausgehende Strömungen nach der Einheit von Religion und Staat, dem Vorrang des islamischen vor dem weltlichen Recht. Dieses Gemisch löst in vielen Europäern die Sorge vor Parallelgesellschaften aus, in denen Recht und Werte des Landes nicht mehr gelten; prächtige Moscheebauten wirken daher oft nicht als Zeichen kultureller Vielfalt, sondern wie Landnahme durch eine fremde Macht.

Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass die gewachsene, christliche europäische Kultur zunehmend erodiert und die Europäer in ihrer Identität unsicher geworden sind; Furcht vor dem Fremden wirkt immer stärker, wenn man selber zweifelt, wer man ist. Oft sind es nur kleine Symbole, die aber große Wirkung entfalten. Wenn etwa Kreuze aus öffentlichen Räumen entfernt oder Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umgetauft werden. Wobei hieran natürlich nicht oder kaum die Muslime schuld sind, sondern ein zunehmend militant werdender Laizismus und die notorische Verachtung mancher eingeborener Europäer für ihr eigenes kulturelles Erbe.

Fragt das Volk

Das wachsende Unbehagen wird erheblich dadurch gesteigert, dass die Bürger sich nicht als Subjekt, sondern als Objekt dieses Geschehens fühlen, das sich an ihnen vollzieht. Gewiss werden sie „beteiligt“, also in den üblichen behördlichen Verfahren informiert, wenn eine Moschee gebaut oder ein Flüchtlingsheim eingerichtet wird. Gibt es darüber Unmut, kommen wohlmeinende Politiker aus der Hauptstadt und bekunden, wie sie „die Sorgen ernst nehmen“ und sie zu entkräften oder eine Kompensation zu gewähren versuchen. Man soll das nicht gering schätzen, manch Missverständnis wird auf diesem Wege gewiss aufgeräumt. Aber im Ganzen wirkt es doch paternalistisch; die Obrigkeit entscheidet und bindet im nachhinein die Bürger ein, denen es noch an Wissen fehlt, um die Klugheit der Entscheidung nachzuvollziehen.

Entscheidungen, die massiv in die Identität eines Dorfes, Stadtteils oder ganzen Landes eingreifen, sind aber von anderer Sorte als x-beliebige Bauanträge; wenn sie von grauen Beamten oder einer fernen Regierung nach Quotierungsregeln getroffen werden, ist ganz selbstverständlich, dass Widerstand aufkommt. Identitätsentscheidungen sind solche, die vor den üblichen Verfahren rangieren; Dorfgemeinschaft, Stadtbürgerschaft, Landsmannschaft, Staatsvolk sind vor den Gesetzen da und den Behörden, die sie ausführen. Identitätsentscheidungen kann nur die Bürgergesellschaft selbst treffen. Das Volk muss gefragt werden.

Lassen wir die Bürger also abstimmen über Zuwanderungsregeln, Zuwandererquoten und darüber, wie viele Flüchtlinge ihr Bundesland aufnehmen soll und wie ein sinnvoller Verteilungsschlüssel aussehen kann. Furcht vor dem Volk müssen wir nicht haben. Wenn wirklich stimmt, was die Politiker uns sagen, dass die Deutschen in der überwiegenden Mehrheit ein weltoffenes, hilfsbereites Volk sind, dass es nur regionale Konflikte um die Lastverteilung und vielerorts ein Informationsdefizit gibt, können Volksbefragungen nur eines hervorbringen: mehr Akzeptanz für die Zuwanderer. Denn dann kann niemand mehr behaupten, eine schweigende Mehrheit wolle sie nicht im Lande haben.


...mehr Lesen in den akademischen Blättern oder ganze Ausgaben als PDF?


Jetzt hier kostenlos Anmelden