Der Vielseitige

Er kam mit seiner Körpermasse oft plump und ungelenk daher, war in Wahrheit aber ein feiner Charakterdarsteller mit großem Rollenspektrum: vom komischen Narren bis hin zum finsteren Schurken. Zum 100. Geburtstag von Gert Fröbe.


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Es gibt eine Episode aus den frühen 30er Jahren, die Gert Fröbe selbst oft und gern erzählt hat. Damals war er ein junger Bühnenmaler an der Sächsischen Staatsoper in Dresden und kam mit dem großen Schauspieler Erich Ponto ins Gespräch (dem heutigen Publikum vor allem noch bekannt als unfreiwillig komischer Professor Crey aus der Feuerzangenbowle). Der junge Mann offenbarte seinen Wunsch, ebenfalls einmal Schauspieler zu werden. Ponto fragte erstaunt zurück, ob Fröbe ihm denn etwas vorspielen könne. Daraufhin deklamierte der eine Stelle aus dem Faust, sprach den Mephisto mit voller Leidenschaft, dramatischem Ausdruck und wilder Theater-Gestik. Allein, sein breiter sächsischer Dialekt ließ es wie eine Parodie erscheinen. Ponto darauf nur: „Sie sind’n Komiker!“

Ein hellsichtiges und wahres Urteil; aber wahr doch nur zur Hälfte. Fröbe hatte komödiantisches Talent, ohne Frage, war privat auch ein humorvoller Charakter, und viele der Rollen, mit denen er beim deutschen und internationalen Publikum beliebt wurde, sind komische, fast clowneske. Aber es sind auch ernste und traurige darunter und phasenweise wird Fröbe auch gezielt als Schurke und Bösewicht eingesetzt, worin er ebenso überzeugt wie als Clown. Er war einer der vielseitigsten deutschen Schauspieler der Nachkriegszeit, und nicht nur Schauspieler; auch begabter Geigenspieler, auch Maler, Gedichte-Rezitator und Pantomime, was ihm neben der Schauspielerei viele private Mußestunden bereitete und, nebenbei, in schwierigen Lebensphasen auch immer wieder eine willkommene zusätzliche Einkommensquelle schuf.

Bescheidene Anfänge

Fröbe, Jahrgang 1913, wächst in einfachen Verhältnissen auf, in Planitz im sächsischen Kohlerevier. Der Vater ist Seiler, die Mutter Schneiderin. In der Schule ist der junge Gert nicht erfolgreich, muss zwei Klassen wiederholen. Eine Künstlerkarriere ist da nicht gerade vorgezeichnet. Aber schon früh zeigen sich die Talente, Auftritte als Geigenspieler bedeuten willkommene Einnahmen für die Familie; Schülertheater, Postkartenmalerei. Schließlich fasst er den Mut zum Gang an die Kunstakademie in Dresden; nach einigen Wirrungen beginnt er in der Landeshauptstadt eine Ausbildung zum Theatermaler an der Staatsoper. Mehr und mehr entwickelt er aber auch Interesse am Geschehen auf der Bühne. Nach der schicksalhaften Begegnung mit Ponto steht fest: die Schauspielerei soll es werden. Fröbe folgt seinem Lehrmeister nach Berlin, hält sich mit Gelegenheitsarbeiten als Maler finanziell über Wasser, während er Unterricht nimmt und erste kleine Rollen spielt. Bei Kriegsbeginn 1939 steht er bereits auf der Künstlerliste und wird zunächst nicht eingezogen; später wird er Sanitäter, bleibt aber in der Heimat und muss keinen aktiven Kriegsdienst leisten. Gegen Kriegsende schließlich wird seine Einheit nach Bayern verlegt, wo er in amerikanische Kriegsgefangenschaft gerät. Nach der Entlassung schlägt er sich mit Bühnenauftritten in München und Wien durch, ehe er zum Film gelangt: Gleich die erste große Rolle in der Berliner Ballade wird ein Erfolg und Fröbe, damals noch schmächtig, als Otto Normalverbraucher sprichwörtlich.

In den 50er Jahren spielt er verschiedenste Rollen, hat Erfolge auch mit Engagements in Frankreich, wo er auch bereits Bösewichte mimt. Weltruhm aber erlangt er in diesen Jahren noch nicht; der nächste große Schritt ergibt sich, als er mit Heinz Rühmann zusammenzuarbeiten beginnt und dieser auf Fröbe besteht, als die Rolle des Kindermörders in der Dürrenmatt-Verfilmung Es geschah am hellichten Tag zu vergeben ist. Den von seiner tyrannischen Gattin gepeinigten Geschäftsmann Schrott, der einen krankhaften Hass auf Frauen entwickelt und zum Mädchenmörder wird, spielt Fröbe so überzeugend, dass er von nun an als Charakterdarsteller sehr gefragt ist.

Sein Privatleben ist bei alledem unstet; keine seltene Erscheinung bei großen Schauspielern. Drei Frauen heiratet und verlässt er wieder, die vierte erkrankt und stirbt an Krebs, während er, unter innerer Pein, eine Komödie dreht; bei der fünften Gattin bleibt er schließlich bis ans Lebensende. Er kauft sich Landhäuser und baut sie prächtig aus, nur um sie, teils aus vorübergehenden Geldsorgen, teils aus dem Wunsch nach einem Luftwechsel, wieder zu verkaufen und erneut umzuziehen. Er sucht Ruhezeiten und Abgeschiedenheit, aber wirkliche Erfüllung findet er nur im Scheinwerferlicht und immer nur zeitweise.

Internationaler Durchbruch

Die 1960er sind Fröbes große Zeit. Weltbekannt wird er 1964 als titelgebender Schurke im dritten und nach Meinung vieler bis heuten besten James-Bond-Film Goldfinger. Freilich erweist sich bei den internationalen Produktionen die Sprachbarriere als großes Hemmnis; hat er schon Mühe mit dem Hochdeutschen, so ist Fröbes sächselndes Englisch dem Zuschauer beim besten Willen nicht als Britisch oder Amerikanisch zu verkaufen. In der englischen Original-Fassung wird Goldfinger daher synchronisiert. In den folgenden Jahren spielt Fröbe bevorzugt die Rolle von Deutschen, häufig Militärs, in angloamerikanischen Filmen, sodass sein markanter Akzent nicht mehr stört, sondern Teil der Darstellung wird. So auch bei auch einer von Fröbes witzigsten Figuren, der des preußischen Klischee-Offiziers Manfred von Holstein in der Komödie Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten mit seinen legendären Aussprüchen („Es gibt nüscht, was’n deutscher Offizier nich kann!“)

Trotz noch vieler großer und kleiner Rollen verschiebt sich in den 1970ern und 1980ern Fröbes Tätigkeitsschwerpunkt wieder hin zur Bühne. Er tourt als Rezitator durch das Land. Vor allem der Impressionist Christian Morgenstern hat es ihm angetan, dessen Gedichte er kunstvoll und – trotz mittlerweile beträchtlicher Leibesfülle – mit lebhafter Gestik vorzutragen weiß. Auch bei schwankender Gesundheit bleibt er auf der Bühne bis zuletzt. Einen Tag nach seinem letzten Auftritt erleidet er einen Herzinfarkt und stirbt kurz darauf in einem Münchener Krankenhaus.

So mag er sich sein Ende gewünscht haben.


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