Der Dichter

Schriftsteller, Journalisten, politische Idealisten gab es die Menge unter den jüdischen und jüdischstämmigen Intellektuellen deutscher Zunge. Unter ihnen ragt einer heraus: Heinrich Heine. Außenseiter, Exilant blieb er im Leben und noch eine Weile darüber hinaus. Heute kann man sich einen Literaturkanon nicht mehr vorstellen ohne ihn.


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Er hat so manches vom hohen Sockel geholt: Könige, Priester, ehrwürdige Professoren; Dichterkollegen mit ihrem olympierhaften Würdegefühl und ihren romantischen Schwärmereien über Schönheit und Natur. Vor allem aber die Sprache selber; nach ihm war der Ton ein anderer, nicht mehr überfließend vom eigenen Tiefsinn, vergeistigt, verschwurbelt, sondern witzig, doppelbödig, von spielerischer Leichtigkeit. Was wir heute kennen, als Satire und elegant geschriebenes Feuilleton, beginnt mit ihm und kommt von ihm her. Manche folgen, Kraus, Tucholsky, Gernhardt. Er ist der erste.

Der Mann

Heine stammt aus dem Rheinland. Vater Samson ist Tuchmacher in Düsseldorf, Onkel Salomon erfolgreicher Kaufmann in Hamburg; für den Dichter anfangs eine wichtige finanzielle Stütze. Andere berufliche Ansätze bleiben Stückwerk; Studium, Juristerei, Lehrtätigkeit. Der Übertritt zum Christentum, mit achtundzwanzig vollzogen, zahlt sich karrieremäßig nicht aus; überall spürt Heine, dass er Außenseiter bleibt. So schriftstellert er weiter, und sehr erfolgreich: seine Reiseberichte und Gedichtbände finden ebenso rasche Verbreitung wie seine politischen Spottverse.

Obwohl er sich ungern für eine Partei vereinnahmen lässt, steht Heine ohne Frage auf dem fortschrittlichen, liberalen Flügel. Ein, zwei Generationen später hätte er parlamentarische Karriere machen können, wie Simson, Lasker, Bamberger, oder politischer Journalist sein wie Wolff, Harden, Cossmann. In seiner Zeit fehlen noch die Mitwirkungsmöglichkeiten und setzt die Zensur enge Grenzen. Er emigriert nach Paris und schreibt von dort aus, mit zugleich skeptisch-kritischem wie sehnsuchtsvollem Blick auf die Heimat.

Die Dichtung

Und wie er schreibt. Er beherrscht die ganze Klaviatur, von Hymnus bis Ironie, wenn auch der boshafte Spott oft überwiegt.

Über deutsche Nationalmythen: die Loreley – „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin“;

über Karl den Großen:

„Zu Aachen, im alten Dome,
liegt Carolus Magnus begraben.
(Man muß ihn nicht verwechseln
mit Karl Mayer, der lebt in Schwaben.)

Ich möchte nicht tot und begraben sein
Als Kaiser zu Aachen im Dome;
Weit lieber lebt’ ich als kleinster Poet
Zu Stukkert am Neckarstrome.“

Über andere Figuren der Geschichte. Richterlich zum gotteslästernden Babylonierkönig:

„Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.“

Bewundernd über Napoleons Grenadiere:

„Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab –
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.“

Bitter-ironisch über Säulenheilige der Bibel wie die großen Israelitenkönige:

„Sterbend spricht zu Salomo
König David: Apropos,
Daß ich Joab dir empfehle,
Einen meiner Generäle.

Dieser tapfre General
Ist seit Jahren mir fatal,
Doch ich wagte den Verhaßten
Niemals ernstlich anzutasten.

Du, mein Sohn, bist fromm und klug,
Gottesfürchtig, stark genug,
Und es wird dir leicht gelingen,
Jenen Joab umzubringen.“

Und wieder todernst, anklagend, wenn er auf die Nöte der Gegenwart kommt wie im Lied der schlesischen Weber:

„Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
Wir weben, wir weben!“

So kommentiert Heine von außen. Er bleibt in Paris bis zu seinem Tode, bettlägerig das letzte Jahrzehnt und doch bleibend produktiv.

In Deutschland ist das Echo gespalten. Seine Werke werden viel gekauft und viel gelesen. Offiziell kanonisiert wird er, Oppositioneller, der er war, lange nicht; die seinen Spott nicht vertrugen, Monarchisten, Klerikale, Nationalisten, verfemten ihn. Nationaldichter, für die Schulkinder zum Auswendiglernen, blieben die Großen der Vor-Heine-Zeit, Schiller vor allem. Die nie vergessene jüdische Herkunft kam dazu. Heines Bücher gehören 1933 zu den ersten, die verbrannt werden. Wie er in düsteren Visionen über teutonischen Hass selber vorausgesagt hatte.

 

Zum Weiterlesen

Heinrich Heine: Buch der Lieder. Viele Auflagen, z. B. Anaconda Verlag, 2005, 192 S.


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