DER ROTE DRACHE UND DAS BROT DES SCHWARZEN KONTINENTS

Im Dezember 2005 ging Yang Haomin nach Douala in Kamerun, einer Einladung des Ministeriums für Agrikultur in Peking folgend. Anfang 2006 hatte er sich entschieden, in die Landwirtschaft des westafrikanischen Staates zu investieren. Die Investoren aus der Provinz Shānxī in China traten in die Fußstapfen ihres nationalchinesischen Rivalen.


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PROLOG

Im Dezember 2005 ging Yang Haomin nach Douala in Kamerun, einer Einladung des Ministeriums für Agrikultur in Peking folgend. Anfang 2006 hatte er sich entschieden, in die Landwirtschaft des westafrikanischen Staates zu investieren. Die Investoren aus der Provinz Shānxī in China traten in die Fußstapfen ihres nationalchinesischen Rivalen. Sie versuchten sich darin, ein aufgegebenes landwirtschaftliches Hilfsprojekt der Taiwanesen wieder zum Laufen zu bringen: die Kultivierung von 100 Hektar Reisfeldern in der Region Nanga-Eboko nördlich des Sananga-Flusses. Reis, Soja, Mais und Maniok wurden auf ihr Anbaupotential getestet. Der Anfang war hart. Das Land besaß keine Stromversorgung und war von hartnäckigem Unkraut bewachsen. Es war nicht von Menschen, doch dafür von wilden Tieren und Schlangen bewohnt. Viele Kilometer von Bewässerungssystem-Anlagen mussten mühsam von der Natur zurückerobert werden. Die Chinesen arbeiteten vom frühen Morgen bis in den Einbruch der Nacht. Jeden Tag. Geplagt von Malaria und dem mangelnden Komfort elektrischen Stroms. Die erste Reisernte wurde allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich im Dezember 2006 eingebracht. Doch dann kamen die Beschwerden der Anwohner. Arbeiter aus den lokalen Dörfern sprachen von Ausbeutung, einem zu geringen Lohn für die Knochenarbeit auf den Reisfeldern. Streitigkeiten übers Anrecht auf Teile des Anbaulandes brachen aus. Einige Anwohner meinten, dass die Regierung in Yaounde gar kein Recht gehabt hätte, das Land an die Chinesen zu verpachten. Wieder andere Stimmen behaupteten, dass China den Reis nicht in Kamerun verkaufen würde, sondern ihn hauptsächlich für den Export ins chinesische Mutterland bestimmt hätte. Dafür wurden jedoch nur sehr fragwürdige Beweise präsentiert. Fakt ist, dass Kamerun selbst sehr viel Reis importieren muss, obwohl es Reisanbauflächen besitzt. Diese wurden jedoch zu Beginn des Jahrzehnts nur zu zehn Prozent genutzt. Ohne Modernisierung der eigenen Agrarwirtschaft und eine Steigerung der Produktivität sieht Kameruns Ernährungssituation schlecht aus.

CHINA UND AFRIKA

Die Volksrepublik China erwirtschaftete im Afrikahandel von 2000 bis 2017 mehr als 170 Milliarden US-Dollar. Das Volumen im Handel zwischen Peking und afrikanischen Staaten belief sich im Jahr 2016 allein auf 300 Milliarden US-Dollar. Damit war China 2018 der viertgrößte weltweite Investor in Afrika, nach Frankreich. Von den wirtschaftlich aufstrebenden BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien, China) ist es bereits seit spätestens 2011 der größte Geldgeber für Afrika. China verfolgt diverse Interessen auf dem Schwarzen Kontinent. So erhielt das Militär des kommunistischen Landes 2017 das Recht, einen Stützpunkt am Golf von Aden auf dem Boden von Dschibuti zu errichten. Auch der strategische Schwerpunkt der Investitionen hat sich mittlerweile verschoben. Waren diese einstmals stark auf den Bergbausektor und den Abbau von Bodenschätzen ausgerichtet, stehen jetzt Landwirtschaft, Produktion und der Dienstleistungssektor verstärkt im Mittelpunkt. Einer der Gründe, warum China landwirtschaftliche Anbauflächen in Afrika nutzt, könnte der Verlust von eigenen Agrarnutzflächen als Folge von Überdüngung und Verstädterung im eigenen Land sein. Pekings agrartechnisches Engagement in Afrika ist nicht neu. Bereits seit den 1950ern bot es afrikanischen Staaten Hilfe in diesem Bereich an. Dabei wandte es seine eigene Version der bundesrepublikanisch-deutschen Hallstein-Doktrin an: Die VR China half nur afrikanischen Ländern, die keine diplomatischen Beziehungen zur Republik China, dem Inselstaat Taiwan, besaßen. Oder bot landwirtschaftliche Hilfsprojekte als Belohnung für den Abbruch dieser diplomatischen Beziehungen an.

CHINAS AGRARPROJEKTE IN AFRIKA

Chinesische Firmen haben große landwirtschaftliche Nutzflächen in Afrika gepachtet. Zu den konkreten Projekten gehören Investitionen in Kaffeeplantagen in Kenia, in Geflügelhöfe in Ghana, in Bewässerungsanlagen in Mosambik, in die Kaffee- und Zuckerproduktion auf Madagaskar und in die Baumwollindustrie Malis, Ugandas und Sambias. Dabei treffen die asiatischen Geschäftsleute ungleiche Bedingungen an. So waren die Geldgeber aus Fernost in Ghana zum Beispiel weniger erfolgreich als in Mosambik. In Ghana existierten komplizierte Vertragssysteme, die die Expansion in großem Stil erschwerten. In Mosambik hingegen war der Staat daran interessiert, fremdländischen Investoren den Marktzugang im großen Stil zu ermöglichen. Diese Investitionen helfen armen Ländern sehr wohl. Das vergleichsweise arme Äthiopien hat mehr Geld aus dem Reich der Mitte erhalten als der ölreiche Sudan. Als Teil der Investitionen in die äthiopische Zuckerindustrie wurden Bewässerungsdämme und Energieversorgungssysteme geschaffen. In Ostafrika fanden Investitionen in den Anbau von Früchten und Gemüsen statt, die das Exportportfolio der dortigen Staaten erweitern. China hat einen Bedarf an Ölsamen wie zum Beispiel Sojabohnen, Raps und Erdnüssen. Dieser Bedarf wird zunehmend aus Afrika gedeckt. Dieser Export von Afrika nach China könnte von 2015 bis 2030 noch um 50 bis 100 Prozent zunehmen. China benutzt seit 2006 sogenannte Agriculture Technology Demonstration Centres (ATDCs), um seine kommerziellen Unternehmungen zu bewerben. Tatsächlich helfen diese ATDCs den Afrikanern, wenn auch nur auf einer lokalen Ebene. Interessant ist in diesem Kontext auch, dass es weniger die chinesische Regierung ist, die Interesse an einem Engagement in die afrikanische Landwirtschaft hat, sondern eher chinesische Provinzregierungen und kommerziell operierende Firmen aus dem Reich der Mitte.

FOLGEN VON CHINAS ENGAGEMENT

Einige der Probleme wurden bereits thematisiert. Betroffene lokale Bauern wurden zwangsumgesiedelt, ohne angemessene Entschädigungen zu erhalten. Niedrige Löhne führten zu Spannungen zwischen lokalen Arbeitern und den Investoren. Die Errichtung von landwirtschaftlichen Betrieben im Eiltempo führte zu Umweltproblemen. Dem stehen positive Effekte gegenüber. Die chinesischen Anbaumethoden sind effizienter als die, die von den lokalen Bauern selbst genutzt werden. Sie helfen, den notwendigen Import von Lebensmitteln nach Afrika zu reduzieren und lokale Gemeinden autarker zu machen. Der chinesische Wissens- und Technologietransfer hilft den Afrikanern dabei, produktiver zu werden. Voraussetzung hierfür ist die Nutzung von Erfahrungswerten. Technologie, die bereits in China in der Agrarwirtschaft versagte, wird auch in Afrika nicht funktionieren. Entscheidend für den Erfolg ist die kreative Fähigkeit der Leute vor Ort darin, Probleme zu lösen. Im Erfolgsfalle könnte die Ausbeute von Ernteerträgen auf bereits kultiviertem Land zunehmen. Afrika könnte in der Lage sein, mehr zu exportieren. Zudem hilft die chinesische Bereitschaft, Infrastruktur zum Abtransport von Produkten zu schaffen, nicht nur Peking dabei, einen strategischen Vorteil zu erlangen, sondern auch lokalen Staaten, ihre Versorgungswege zu sichern. Ausländische Investitionen von Partnern wie China sind für viele afrikanische Regierungen notwendig. Denn die lokalen Machthaber sind oftmals nicht in der Lage, genug Gelder für die eigene Landwirtschaft bereitzustellen. Befürchtungen vor einer chinesischen Dominanz scheinen unbegründet zu sein. Peking scheint keinen strategischen Langzeitplan zur Aneignung afrikanischen Agrarlandes zu haben. So erhalten die chinesischen Firmen, die Landkäufe in Afrika durchführen, dafür keine Subventionen von der Zentralregierung. Relativ wenig afrikanisches Agrarland ist insgesamt gesehen unter chinesischer Kontrolle. Mit nur 2 400 km² Größe sind die von den Männern aus Fernost bestellten Flächen kleiner als das österreichische Vorarlberg. Werden dagegen flächenintensive Großprojekte initiiert, geht die Initiative hierfür häufig von Regierungen in den Empfängerländern selbst aus. Neben dem bereits erwähnten Mosambik wären Äthiopien und Sambia zu nennen. Nahrungsmittel werden zudem vor allem von chinesischen Unternehmen kleiner und mittlerer Größe angebaut, die oftmals an den wirtschaftlichen Instabilitäten vor Ort scheitern. Diese Agrarprodukte werden hauptsächlich für den afrikanischen Markt selbst produziert, anders als von vielen Afrikanern anfangs befürchtet. Sie wären auf dem internationalen Markt auch nicht wirklich konkurrenzfähig. Selbst in China könnte man mit ihnen nicht genug Gewinn erwirtschaften. Chinas Investitionen helfen den afrikanischen Ländern also durchaus, ungenutzte Potentiale der eigenen Landwirtschaft zu nutzen. Auch das Ansehen der Investoren aus Fernost hat sich nach anfänglichen Startschwierigkeiten verbessert. In einer 2017 veröffentlichten Umfrage gaben 70 Prozent der befragten Afrikaner an, dass sie das Engagement die Chinesen mittlerweile positiv sähen, nachdem sie es anfangs kritisch beäugt hätten. Viele Afrikaner empfinden, dass sie mit Chinesen auf Augenhöhe verhandeln könnten, anders als mit Partnern aus dem Westen. Zudem ist China, das sich aufgrund seiner kommunistischen Regierungsform oftmals auch als anti-koloniale Macht darstellt, auf dem schwarzen Kontinent oftmals willkommener als die ehemaligen europäischen Kolonialmächte.


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marianehret

geb. 1979, ist AH beim VDSt Erlangen und unterrichtet als Dozent für Werbung, Medien und Journalismus an der Stamford International University in Bangkok, Thailand

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