Erlebnisangebote schaffen

Nicht nur Unternehmen, auch Städte stehen untereinander im Wettbewerb und müssen werben; um Firmen, die sich ansiedeln, Neubürger, Besucher. Aus seiner Praxis im Stadtmarketing berichtet Christian Könning.


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Aka-Blätter: Was hat man unter Stadtmarketing zu verstehen?

Könning: Stadtmarketing ist vor allem eines im Besonderen: vielfältig – unglaublich vielfältig. Und viele Städte haben sich dementsprechend im Laufe der Zeit und je nach den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen ihre ganz eigenen Ausprägungen und Prozesse entwickelt. Im Kern geht es aber am Ende immer irgendwie um das gleiche, nämlich sich als Stadt im zunehmenden Standortwettbewerb unter Städten und Kommunen um Einwohner, Kaufkraft und wirtschaftende Unternehmen gegen andere zu behaupten. Das heißt also, es geht immer darum, sich selbst und die eigenen Stärken zu profilieren, sich zu zeigen und an den Schwächen zu arbeiten. Und diesen Prozess immer möglichst positiv zu verkaufen.

Wie hat man sich Deinen Arbeitsalltag vorzustellen? Viel Kommunikation wahrscheinlich, auch viele Termine außer Haus?

In der Tat besteht der Arbeitsalltag aus jeder Menge Kommunikation und jeder Menge Terminen mit ganz unterschiedlichen Akteuren aus Wirtschaft, Bürgerschaft, Politik, Kultur, Verwaltung, Institutionen und so weiter. Kein Tag ist letztlich wie der andere. Jede Menge Netzwerkarbeit und Gespräche am Telefon und in persönlichen Treffen sind ein zentrales Element im Stadtmarketingalltag. Denn ohne den permanenten guten Draht zu allen möglichen Akteuren, die in irgendeiner Weise das Geschehen und die Abläufe in einer Stadt mit beeinflussen oder zumindest beeinflussen könnten, kommt man überhaupt nicht vorwärts.

In welcher organisatorischen Beziehung steht das Stadtmarketing zur Stadt?

Das ist ganz individuell von der Stadt abhängig – jede Menge organisatorische Ausprägungen sind machbar. Am meisten verbreitet sind wirtschaftlich arbeitende Stadtmarketing-GmbHs und Stadtmarketing-Vereine, die formell eigenständig und unabhängig von der Stadtverwaltung agieren. Natürlich sind Gesellschafter und Aufsichtsräte bzw. Vereinsmitglieder aber dann oft Unternehmen, Personen usw. aus der Stadt. Zum Beispiel Stadträte, Geschäftsführer, Multiplikatoren etc. In diesem Sinne ist die Verquickung also schon recht eng. Auch nicht selten ist die Organisation des Stadtmarketings als eigenes Element der Stadtverwaltung – dann oft angesiedelt im Bereich Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung. Aber auch die Bildung eines kommunalen Eigenbetriebs oder die Beauftragung von externen Projekt-Dienstleistern und spezialisierten Büros seitens der Verwaltung sind gängige Modelle.

Wie pflegt man konkret das Image einer Stadt?

Man sorgt dafür, dass die Einwohner, die Unternehmen und die Gewerbetreibenden der Stadt ein möglichst positives Bild von ihrer eigenen Stadt haben und gern in ihr leben und arbeiten; und man sorgt gleichzeitig dafür, dass die Menschen außerhalb der Stadt, also Touristen, Besucher, Fortgezogene usw. auch ein möglichst positives Bild von der Stadt haben. Und natürlich ist dann nicht ganz unwichtig, dass alle Akteure gemeinsam das Image der Stadt möglichst positiv an Dritte weitervermitteln. Natürlich muss man ein solches Image erst einmal erarbeiten und stetig verbessern. Das geschieht über Jahre durch Events, Aktionen, Kampagnen, gute Presse, Steigerung der Bekanntheit und jede Menge weitere Marketingaktivitäten. Man versucht, den Menschen und den Unternehmen auf vielfältige Art und Weise immer wieder die Lebensqualität, die Wohlfühlfaktoren, die passenden Faktoren für erfolgreiches Wirtschaften und Arbeiten usw. zu vermitteln. Kurzum: Man muss den Leuten und den Firmen die guten Standortbedingungen und die positiven Dinge konstant im Hirn verankern.

Auf welchen Kanälen wirbt eine Stadt, wie spricht sie ihre Zielgruppen an?

Die Kanäle sind vielfältig. Unternehmer und Gewerbetreibende spricht man immer noch am ehesten z. B. über klassische Printprodukte wie Standortbroschüren an. Beispielsweise auf Messen oder über Netzwerke mit anderen Ebenen der Wirtschaftsförderung und des Standortmarketings. Andere Zielgruppen wie die Einwohner einer Stadt, zugezogene Neubürger oder noch potentielle Neubürger, junge Leute, Touristen, Kulturtreibende usw. erreicht man mittlerweile über einen bunten Mix aus Kanälen und Methoden. Printprodukte, Plakate, ganz klassische Werbung wie etwa Flyer, Anzeigen oder Radiospots und vieles mehr. Und natürlich in sehr großem Maße mittlerweile über das Internet und neue Medien. Eine übersichtliche, gut zu bedienende und informative Homepage ist unerlässlich. Auch Kanäle wie Facebook und Co. sind mittlerweile enorm wichtig zur Ansprache von Zielgruppen geworden. Hier kann man schnell die Aufmerksamkeit vieler Menschen erreichen. Und das nicht nur in jüngeren Generationen, sondern zunehmend auch in den Generationen Ü50. Letztlich muss jede Stadtmarketing-Organisation ihre eigene Ansprache ihrer definierten Zielgruppen für sich festlegen. Das hängt sehr stark auch immer von den zeitlichen, personellen und finanziellen Rahmenbedingungen ab.

Wie entwickeln sich die Innenstädte, die ja unter großen Einkaufszentren am Stadtrand und am Online-Versand leiden?

Erlebnisangebote_Autor_KönningDie Innenstädte haben es zunehmend schwer. In großen Städten macht sich der Strukturwandel im Handel noch nicht überall bemerkbar. In kleinen Städten hingegen sind die Umbrüche krass. Anders kann man das kaum beschreiben. Zwei bzw. drei Entwicklungen sind dafür ausschlaggebend: einmal das Einkaufs- und Erlebnisangebot auf der grünen Wiese. Hier hat sich der Trend allerdings jüngst schon wieder umgekehrt. Große Shopping-Center werden immer weniger errichtet und wenn, dann wieder vermehrt in den Innenstädten. Aber natürlich leben die großen Center an den Stadträndern immer noch sehr gut und machen den Innenstädten das Leben schwer. Das zweite, viel schlimmere Problem für die Innenstädte und auch für nicht innerstädtische Handelslagen ist aber tatsächlich der Online-Handel. Die jährlichen Wachstumsraten sind enorm. Jeder Internetkäufer treibt quasi nach und nach vor allem inhabergeführte Händler in seiner Innenstadt, teils mit langer Kaufmannstradition, in den Konkurs. Die Städte im Berliner Umland z. B. haben noch das dritte Problem, dass sehr viel Kaufkraft auch nach Berlin oder Potsdam abfließt. Eine solche Metropole saugt ihr Umland gewissermaßen aus. Das gilt im übrigen aber auch für andere Metropolregionen mit starken Zentren. Hier kommt dann aber letztlich wieder das Stadtmarketing ins Spiel: Man muss sich fragen, was die Innenstadt den Kunden eben doch noch als Mehrwert bieten kann, was er im Shopping-Center auf der grünen Wiese und beim Interneteinkauf nicht gleichermaßen bekommt.

Was sind entscheidende Standortfaktoren für eine mittelgroße Stadt? Was darf keinesfalls fehlen?

Der zentrale Standortfaktor für eine mittelgroße Stadt ist zunehmend die Lebensqualität, wenn man an die Einwohner und Stadtbesucher denkt. Diese muss man immer wieder herausstellen und weiter verbessern. Große Städte haben automatisch oft eine gewisse Anziehungskraft, mittelgroße Städte aber müssen vor allem mit dem Pfund Lebens- und Wohnqualität wuchern. Dazu zählen in erster Linie alle möglichen weichen Standortfaktoren wie gutes Kita-, Schul- und weiteres Bildungsangebot, eine rege Vereinslandschaft z. B. in puncto Sport und Kultur, Kino und Theater, Restaurants und Kneipen, bezahlbarer Wohnraum, Nähe zur Natur und auch Nähe zur nächsten Großstadt und noch vieles mehr. Das alles sind entscheidende Standortfaktoren für mittelgroße Städte, wenn man auf die Menschen schaut. Wenn man an die unternehmerische Seite denkt, geht es natürlich um anderes wie Angebot an Facharbeitskräften, infrastrukturelle Anbindung und so weiter.

Viele kleine und mittelgroße Städte im Osten Deutschlands leiden unter Bevölkerungsschwund. Wie können die Kommunen hier gegensteuern?

Um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass sich gegen diesen Bevölkerungsschwund im Osten irgendwie gegensteuern lässt. Denn viele Kommunen im Osten haben es ja nicht nur mit dem negativen Saldo aus Geburten- und Sterberaten zu tun, sondern darüber hinaus seit 23 Jahren massiv mit der Abwanderung nach Westdeutschland aus beruflichen Gründen. Das hält bis heute an, wenn auch gewiss nicht mehr so stark wie vor noch 15 Jahren etwa. Aber auch der Fortzug aus kleinen und mittelgroßen Städten in die großen Städte im Osten macht vielen zu schaffen. Fast alle attraktiven großen Städte im Osten, seien es Berlin, Leipzig oder beispielsweise Dresden, wachsen ja mittlerweile auch wieder. Also kurzum: Gegensteuern wird in vielen kleinen und mittelgroßen Städten kaum möglich sein, stattdessen ist es aber wichtig, schon rechtzeitig mit den Veränderungen umzugehen, um die Auswirkungen abzufedern.

Lässt sich die Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte z. B. in Brandenburg vorhersagen?

Das Land Brandenburg ist ein ziemliches spezielles Beispiel. Einerseits sehr groß in der Nord-Süd-Ausdehnung, andererseits aber trotzdem fast aus allen Winkeln des Landes stark in Richtung Berlin ausgerichtet. Eine allgemeine Vorhersage ist schwierig, aber ich denke, es wird ähnlich weitergehen wie bisher: Der Großraum Berlin / Potsdam wird weiter stark wachsen, aber für Durchschnittsgehälter auch irgendwann nicht mehr attraktiv und bezahlbar sein. Zumindest was Wohnraum angeht. Also profitiert das direkte Umland von Berlin und Potsdam. Der Speckgürtel wird größer und weiter. Die Pendlerverflechtungen zwischen Wohnen und Arbeiten werden immer ausgeprägter. Die fernab von Berlin gelegenen Ecken werden sich weiter ausdünnen – hier ziehen immer mehr Menschen fort. Diese Entwicklung wird aber sicher nicht nur Brandenburg und Berlin betreffen, sondern die Verschiebung der Lebens- und Arbeitsschwerpunkte vieler Menschen hin zu Großstädten und Metropolregionen wird sich überall zuspitzen. Und auch hier ist schließlich wieder der Punkt erreicht, an dem Stadtmarketing ansetzt: Wie und womit überzeuge ich die Menschen davon, dass es eben doch besser und attraktiver für sie ist, in einer kleinen oder mittelgroßen Stadt zu bleiben.


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