Mann der Schnittstellen

Alle Unternehmen ab einer bestimmten Größe benötigen zur Steuerung ihrer Geschäftsprozesse umfangreiche IT-Systeme. Aber die unterschiedlichen Systeme müssen miteinander kommunizieren können. Über seinen Alltag als SAP-Berater für SAP NetWeaver Process Integration erzählt Konrad Thalheim.


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Aka-Blätter: Die SAP-Welt ist groß. In welchem Bereich bewegst Du Dich?

Thalheim: Mein Bereich ist im SAP NetWeaver Application Server die PI (Process Integration), das ist eine klassische „Middleware“, also Software, die das SAP-System eines Unternehmens, etwa ein Warenwirtschaftssystem oder ein ganzheitliches Unternehmensplanungssystem (ERP-System), mit Nicht-SAP-Software-Systemen für bestimmte Aufgabenbereiche verbindet. Es kann ebenfalls eine Integrationsplattform darstellen für den elektronischen Datenaustausch mit anderen Unternehmen, bei Industrieunternehmen etwa deren Zulieferern. Damit können vielstufige Lieferketten informationstechnisch organisiert werden, sodass beispielsweise die Autobestellung eines Endkunden in Deutschland automatisch die Produktionsplanung von Bauteilen in China aktualisiert, um nach der sogenannten Just-In-Time-Lieferung in Stuttgart sofort verbaut zu werden.

Wie hat man sich Deine Aufgabe als Berater vorzustellen?

Wenn sich ein Unternehmen im Grundsatz entschieden hat, eine solche Software bei sich einzuführen, beginne ich mit einer detaillierten Analyse und Aufnahme der Anforderungen, dann begleite ich die Realisierung, also die Entwicklung der konkret auf das Unternehmen zugeschnittenen Software, koordiniere die Entwickler oder programmiere auch selbst; es folgt die Vorbereitung der Einführung, wozu auch die Schulung der Mitarbeiter im Unternehmen gehört, und schließlich der „Go-live“ der neuen System-Landschaft. Ziel ist, dass die Mitarbeiter vor Ort, wenn sie an das System gewöhnt sind, ohne externe Hilfe arbeiten und andere Systeme eigenständig über die NetWeaver Process Integration anbinden können. Das ist meist nach etwa einem Jahr der Fall.

Wie lange bist Du bei einem Kunden im Einsatz? Bist Du häufig vor Ort unterwegs?

Das schwankt, je nachdem, wie umfangreich das Projekt ist, zwischen drei Monaten und zwei Jahren. Ich halte es so, dass ich die meiste Zeit beim Kunden bin, etwa vier Tage die Woche. Wobei es nicht unüblich ist, an zwei Projekten parallel zu arbeiten, dann wäre man zwei Tage der Woche beim einen Kunden, zwei beim anderen und einen Tag im Büro. Im übrigen ist das im Projektverlauf natürlich unterschiedlich, für die Analyse-Phase zu Beginn und die Einführungsphase zum Schluss wird man mehr vor Ort gebraucht, Programmieren kann man von überall aus. Kurz vor dem Go-live kann es stressig werden, dann sind 6- oder 7-Tage-Wochen mit Feiertagsarbeit nicht selten. Bei vielen Unternehmen hängt dieser Termin mit dem Beginn des Geschäftsjahres bzw. mit dem Beginn eines neuen Quartals zusammen, die Weihnachtszeit ist daher bei mir meistens Hochsaison.

Als IT-Berater kommt man bei den Mitarbeitern vor Ort wahrscheinlich besser an als, sagen wir, Unternehmensplaner von McKinsey, die Rationalisierungsmaßnahmen konzipieren?

Wir sind natürlich darauf angewiesen, dass die Mitarbeiter vor Ort, also konkret in der IT-Abteilung, die unsere Software nutzen soll, kooperieren. Viele Mitarbeiter sind hier durchaus begeisterungsfähig. Manchmal kommt es aber natürlich auch zu Konflikten. In aller Regel entscheidet die Geschäftsführung über die Einführung neuer Software, ohne dass die Mitarbeiter an der Basis Einfluss nehmen können. Anfangs ist die Skepsis so natürlich manchmal groß, zumal die Mitarbeiter den Kompetenzverlust fürchten, weil ihr Wissen über das alte System seinen Wert verliert. Hier heißt es dann, frühzeitig Konflikte zu erkennen und zu deeskalieren; insofern benötigt man als Berater hier nicht nur technische Fertigkeiten, sondern auch ein gerüttelt Maß an Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl, aber auch Durchsetzungsvermögen.

Sind Eure Kunden eher Mittelständler oder Großunternehmen?

Wir sind selbst ein mittelständisches Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern, und unsere Kunden sind ebenfalls oft Mittelständler; in der Regel sucht man sich hier Beratungsfirmen der gleichen Größenklasse. Die Großkonzerne bevorzugen auch die großen Beratungsgesellschaften beziehungsweise hochspezialisierte kleine Beratungsgesellschaften. Es gibt auch viele SAP-Berater, die als sogenannte Freelancer, also als Selbständige, bei ihren Kunden unterwegs sind.

Wie kann man sich auf die fachlichen Anforderungen eines solchen Jobs vorbereiten?

Schnittstellen_Autor_ThalheimEs gibt mittlerweile an den Hochschulen SAP-Kurse, die gar nicht schlecht sind und bei der Vorbereitung helfen können, dazu natürlich gute Fachliteratur. Aber das meiste lernt man in der Praxis, durch die konkrete Projekterfahrung, in der man sich die wesentlichen Kniffe aneignet. Zum Werdegang des Beraters gehört ja nicht zufällig eine gewisse Lernphase, in der man als Junior-Berater an Projekten zwar teilnimmt, aber sie noch nicht eigenständig durchführt. Hier assistiert man dem SAP-Berater bzw. dem Senior-Berater. Daneben gibt es natürlich, da Beratungsfirmen von ihrem Wissensvorsprung leben, firmeninterne Schulungen und Lernzeiten, dafür fallen etwa 5–10 Tage im Jahr an.

Was gehört noch zum Anforderungsprofil?

Für die Arbeit vor Ort ein extrovertiertes Naturell und die Fähigkeit, offen auf Menschen zuzugehen. Zudem muss man als Unternehmensberater reisebereit sein und auch längere Abwesenheiten von zu Hause akzeptieren können. Wer diese Fähigkeiten nicht hat oder will, arbeitet eher in der internen Entwicklung. Außerdem sind Organisationstalent und Führungsfähigkeiten wichtig, da man die Realisierung steuert und dazu das Teil-Projektteam führen muss.

Hat Dich die Hochschule gut auf den Beruf vorbereitet?

Im Grunde ja. Das Studium der Informationswirtschaft, das ich in Karlsruhe absolviert habe, bietet genau die richtige Mischung, mit einem gewissen BWL-Anteil, den man für die Arbeit im Unternehmen braucht, auch praktischem Programmieren und Grundelementen der IT-Projektsteuerung. Natürlich ist Praxiserfahrung trotzdem durch nichts zu ersetzen.

Würdest Du heute Deine Berufswahl noch einmal genauso treffen?

Ich würde meine Berufsfindung genauso gestalten, wie ich es getan habe. Die Berufswahl und die konkrete Richtung haben sich eher zufällig ergeben. Im Rahmen meines Praktikums im Vertriebsinnendienst hatte ich zum ersten Mal Berührung mit SAP. Dort durfte ich die Produkthierarchie meiner Abteilung mitgestalten. Daher war kurz nach dem Studium eine erste Anwenderzertifizierung im Bereich SAP SD (Abkürzung für Sales and Distribution Verkauf/Vertrieb) naheliegend. In der Stellenausschreibung auf die Stelle des SAP NetWeaver PI Junior Beraters waren SAP SD-Kenntnisse als vorteilhaft gelistet. Von NetWeaver habe ich schon während des Studiums gehört, allerdings nie in Erwägung gezogen, speziell in diesem Bereich einzusteigen. Die Stellenausschreibung fand ich aber interessant und wurde nach meiner Bewerbung auch gleich zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Nach gut 20 Minuten Vorstellungsgespräch hatte ich den Job.

Dass ich im Bereich EDI (elektronischer Datenaustausch) unterwegs bin, hat sich auch eher zufällig ergeben, da zum Zeitpunkt meines Einstiegs in meine SAP-Beratungsfirma in EDI-Projekten Verstärkung gesucht worden ist.

Wenn man sich spezialisiert, dann wird man immer wieder für die gleiche oder ähnliche Art von Projekten gesucht und gebucht.


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