„Partei gegen ‚Gutmenschentum‘ und Umverteilung“

Prof. Dr. Hauke Hilz, Landesvorsitzender der FDP Bremen, im Interview mit Christian Roth und Bastian Behrens.


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Herr Professor Hilz, Totgesagte leben scheinbar wirklich länger: Nach dem guten Abschneiden der FDP bei den zurückliegenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurde das politische Leichenbegängnis erst einmal verschoben. Ist das primär den beiden Spitzenkandidaten und der Schwäche der örtlichen Christdemokraten geschuldet, lokalen Faktoren also, oder ist Ihre Partei nun bundesweit „über den Berg“?

Das zeigt zunächst einmal, dass die Bürger in diesen beiden Bundesländern eine starke liberale Partei in den Parlamenten wollen. Beide Spitzenkandidaten haben ihre Positionen glaubwürdig und mit einem geschlossenen Landesverband vertreten, insbesondere Haushaltskonsolidierung und Verzicht auf neue Schulden. Das haben die Wählerinnen und Wähler honoriert, und so werden wir auch nach der nächsten Bundestagwahl eine starke FDP-Fraktion im Bundestag haben.

Christian Lindner hat den Begriff vom „mitfühlenden Liberalismus“ populär gemacht. Was hat man darunter zu verstehen, und ist das ein Erfolgsmodell?

Christian Lindner hat die Arbeit an unserem neuen Grundsatzprogramm, den Karlsruher Freiheitsthesen, begonnen. Dabei kam dieser Begriff auf, der vor allem zum Ziel hat, dass der Staat für Chancengerechtigkeit in der Bildung sorgt – nicht durch Einheitsschulen sondern durch individuelle Förderung und autonome Schulen. Das ist im Grunde nicht neu, sondern knüpft an die sozial-liberale Tradition unserer Partei an, die es immer gab und immer geben wird.

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Prof. Hauke Hilz (r.) bei einem Vortrag beim Verein Deutscher Studenten zu Bremen

Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass marktliberale Positionen durchaus zustimmungs- und sogar mehrheitsfähig sind, etwa wenn über Staatshilfen für marode Firmen wie Opel oder Schlecker diskutiert wurde. In einigen europäischen Nachbarländern sind marktliberale Parteien recht erfolgreich. Warum gelingt das in Deutschland nur begrenzt?

Die FDP hat sich immer erfolgreich für die soziale Marktwirtschaft eingesetzt und wird das auch zukünftig tun. Eine totale Liberalisierung der Märkte lehnen wir ab. Beispielsweise waren es Liberale, die das Kartellrecht eingeführt haben. Genauso lehnen wir es ab, dass der Staat in Fällen wie Schlecker einspringt, um die Insolvenzmasse zu schonen. Auf nichts anderes wären die Forderungen nach einer Transfergesellschaft rausgelaufen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihnen hilft die Bundesagentur für Arbeit.

In Österreich ist die FPÖ als national-freiheitliche Kraft sehr erfolgreich. Bis Ende der 1960er Jahre verfolgte die FDP in der Bundesrepublik einen ähnlich nationalliberalen Kurs. Wäre das ein Erfolgsmodell für die Zukunft der FDP?

Definitiv nicht. Die FDP stand und steht für Freiheit und Verantwortung. Die Bremer FDP hat so einen Kurs nie verfolgt. Die FDP hat in Deutschland länger regiert als jede andere Partei. Für Populismus à la Jörg Haider ist in der FDP kein Platz.

Isaiah Berlin hat einmal gesagt: „Freiheit ist Freiheit, nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur, oder menschliches Glück oder ruhiges Gewissen“ – bezeichnenderweise aber ein angelsächsisch geprägter Denker. Ist eine „Nur“-Freiheitspartei in Deutschland nicht möglich, sodass man immer schmückende Beiwörter braucht? Auch Bundespräsident Gauck musste sich ja sagen lassen, sein Freiheitsansatz sei zu „schmalspurig“.

Zur Freiheit gehört immer die Verantwortung. Nur dann funktioniert eine Gesellschaft. Aber Freiheit ist auch das höchste Gut, das wir haben. Die FDP ist damit erfolgreich und wird es auch in Zukunft sein.

Man beobachtet in der Politik eine zunehmende Tendenz, mit durchaus gutgemeinten Absichten immer mehr in das Leben der Bürger hineinzuregieren und den ganzen Menschen zum Gegenstand staatlichen Handelns zu machen. Sei es aus Gründen der Kinderbetreuung – etwa mit Sozialbeihilfen nur aus in Form von Gutscheinen aus Misstrauen gegen die Eltern –, des Gesundheitsschutzes – Rauchverbote –, der Geschlechtergleichheit – Zwangsquoten und Antidiskriminierungsgesetzgebung – oder der Bewahrung der Umwelt – zum Beispiel durch das Glühbirnenverbot. Worin liegt für Sie, an Karl Popper angelehnt, in der aktuellen Politik die größte „Versuchung der Unfreiheit“?

Wir sind mittlerweile die einzige Partei, die sich für die Freiheit des einzelnen einsetzt. Wir stehen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung, in der der Staat nur dann eingreifen sollte, wenn die Freiheit des Nächsten beeinträchtigt wird. Dass das nicht immer populär ist, insbesondere in Regierungsverantwortung, war ein Grund für die schlechten Umfragewerte und Wahlergebnisse der letzten Monate. Aber die Wähler haben gemerkt, dass es ein liberales Korrektiv geben muss. Eine Partei, die sich gegen dieses „Gutmenschentum“ und die Umverteilung einsetzt.

„Die Freiheit der Erwachsenen heißt Verantwortung“ ist eine der Formeln, die der Bundespräsident in seiner noch jungen Amtszeit geprägt hat. Wie äußert sich konkret die Verantwortung etwa von Unternehmern?

Unternehmer tragen eine hohe Verantwortung für ihre Mitarbeiter und ihre Produkte. Sie haften für die Fehler, die in einem Unternehmen gemacht werden. Zu erkennen ist das zum Beispiel daran, dass unsere mittelständischen Unternehmer 80 % der Ausbildungsplätze, aber nur 60 % der Arbeitsplätze stellen. Damit übernehmen sie Verantwortung für die Gesellschaft.

In diesem Gesamtumfeld gefragt: Braucht es in Deutschland noch die FDP?

Deutschland braucht eine liberale Partei, und das ist die FDP.


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