Umberto Eco – Die Geschichte der Schönheit

Kann denn die zeitlose Schönheit eine Geschichte haben? Umberto Eco hat einen Versuch unternommen, eine solche zu schreiben. Eine Rezension von Dominik Matuschek
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Der jüngst verstorbene Umberto Eco (1932–2016) hat sich in seinem Leben mit vielem beschäftigt. Eigentlich war er von 1975 an Professor für Semiotik (Theorie des Zeichens) in Bologna. Größere Bekanntheit dürfte er aber durch seine Romane erlangt haben, besonders Der Name der Rose. Wer Zeichen so gut zu deuten versteht wie Eco, sollte zum Thema der Schönheit durchaus etwas sagen können, geht es doch in erster Linie um Wahrnehmung. 2004 gab er entsprechend Die Geschichte der Schönheit heraus. Um es gleich zu sagen: Es ist ein Buch, das man Neulingen der Kunstgeschichte und -theorie empfehlen kann. Da es seinerzeit eine ganze Weile auf den SPIEGEL -Bestseller-Listen war, gibt es vielleicht den einen oder anderen Alten Herrn, der (s)einer Aktivitas das Buch schenken könnte. Um es nicht zu verhehlen: Für den Fachmann wird es keine Freude sein. Die Gründe werden anhand der Wörter im deutschen Titel genannt.

DIE

Der Titel lässt Großes erahnen: Eco möchte den Adepten endlich zur Schönheit vordringen lassen. Tatsächlich aber sehen wir einen – immer hin nicht ganz ungeordneten – Lauf durch die Kunstgeschichte Europas. Die einleitenden Texte sind leichtverständlich geschrieben und geben einen ersten Einblick in die jeweilige Thematik. Dabei bleibt es aber auch schon. Dafür ist jeder Abschnitt mit vergleichsweise ausführlichen Quellentexten versehen, die Philosophen, Künstler, Schriftsteller etc. zu Wort kommen lassen. Dieses Florilegium ist durch seine große Bandbreite faszinierend; der Blick ins Kleingedruckte lohnt sich. In den meisten Fällen bleibt der Leser mit der Frage allein, warum ein bestimmtes Thema behandelt wird; auch ist die Auswahl der zitierten Kunstwerke klein. Zwar folgt „die“ Geschichte in jedem Kapitel einem grob chronologischen Ablauf, aber zu einer kunsthistorischen Systematik rafft sich der Herausgeber nicht auf.

GESCHICHTE

Das Werk sollte lieber von mehreren „Geschichten“ sprechen. Unverkennbar liegt ein Hauptakzent des Buches darauf, wie der Mensch sich selbst sieht, in seiner Zeit und seinen Umständen. Schon die Überblicke am Anfang machen es deutlich: es geht um das Antlitz des Menschen, gerne auch in Typen: Venus und Adonis in bekleideter und unbekleideter Form; Maria und Jesus (nota bene ordinem); Könige und Königinnen. Diese Bilder des Menschen von sich werden nun unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Durch die Knappheit der Einleitungen gewinnt das Werk anekdotenhaften Charakter. Die einzelnen Fragestellungen sind interessant und durch ihre Zusammenstellung regen sie zum Nachdenken über eigene Begegnungen mit Kunst und Schönheit an. Sie erzeugen aber auch den Eindruck, ein Gelehrter gewährt Einblicke in die Schatzkammer seines Wissens und seiner Gedanken und reißt vieles an, um es aber nicht auszuführen.

DER

Es ist dem Werk nicht vorzuwerfen, dass es nur ein bestimmtes Ideal der Schönheit kennt. Und sicher ist auch bei vielen Menschen das Interesse an schönen Menschen größer als an anderen Schönheiten. Diese sollten allerdings nicht so einfach abgehandelt werden. Die Kapitel über Proportionen (60–97) und Licht und Farbe im Mittelalter (98–129) eröffnen das Themenfeld der Mathematik und Architektur, beschränken es aber zeitlich stark. Gelegentlich kommen Werke der Bildenden Künste im Werk vor, der klare Schwerpunkt liegt aber auf der Malerei. Schwerer abbildbare Formen der Schönheit, wie etwa in Dichtkunst und Tanz, werden gar nicht erst behandelt. Vor allem aber: Schönheit außerhalb der abendländischen Kulturkreise wird nicht eines Blickes gewürdigt. Wer von „der“ Schönheit spricht, sollte nicht verschweigen, dass auch auf anderen Kontinenten Schönes existiert. Oder den Titel entsprechend eindeutig machen; dadurch müsste der Band ja nicht gleich „Geschichte der europäisch-klassisch-bildungsbürgerlich-katholischen Schönheit“ heißen.

SCHÖNHEIT

Nach einer Hinführung zum Verständnis der Schönheit in der antiken Philosophie, einer Darstellung der Lehre von Harmonie und Proportion sowie weiteren grundsätzlichen Überlegungen gefällt sich der Band über weite Strecken in der Darstellung, die nicht theoretisch vertieft wird. Das ist schade, weil es am Ende eine Reihe spannender Kapitel gibt, die das Potential hätten, den Begriff der Schönheit umfassender zu verstehen. So befasst sich Kapitel XIV mit der Gestaltung von Objekten, angefangen bei der Eisen-und-Glas-Architektur über Art Nouveau und Art Déco bis zu heutigen Alltagsgegenständen; das anschließenden Kapitel mit Maschinen. Ein Kapitel ist abstrakter Schönheit gewidmet respektive Schönheit in abstrakter Kunst, und im finalen Kapitel XVII wird die Schönheit in den Medien angerissen. Wer hätte gedacht, dass Dennis Rodman in einem Buch über Schönheit erscheinen könnte? Das ist bezeichnend für das Hauptproblem des Werks: Die Personen und Gegenstände mögen dem Herausgeber gefallen oder einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Davon auf Schönheit zu schließen, bleibt aber ein Sprung, vor allem, da Eco seine Auswahl nicht begründet. Trotzdem regt das Buch an: zum Schauen und Diskutieren.

 
Die Geschichte der Schönheit. Herausgegeben von Umberto Eco. dtv 2004, 6 2012.
ISBN 978-3-423-343695
24,90 Euro


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Dominik Matuschek

geb. 1982, Dr. theol., VDSt Bonn, Chefredaktion.

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