Unter Waffen

Nachdem Europa selbst angegriffen wurde, geht nun in Paris und anderswo die Rede von Krieg und Vernichtungskampf gegen den IS um. Das werden wohl leere Phrasen bleiben; denn zum eigentlichen Krieg, mit eigenen Bodentruppen, sind die Europäer geistig nicht bereit. Aber es gäbe eine Alternative.


ALLE Artikel im Netz auf aka-bklaetter.de lesen und auch das Archiv?

Jetzt kostenlos

Anmelden


Hunderttausende wehrfähige junge Männer ziehen in diesen Monaten nach Europa. Sehr viele aus Syrien und dem Irak, der eigenen Aussage nach, und immer noch viele, bei denen es wohl wirklich so ist. Für die gesellschaftliche Stabilität keine gute Perspektive, allem Integrationsgerede zum Trotz. Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf wird man ihnen gewähren, sie mit etwas Mühe auch die Sprache lehren können; echte Aussichten auf das Leben, das sie sich erträumen, haben nur wenige. Ihr Ausbildungsstand lässt sie meist nur für einfache Tätigkeiten in Frage kommen. Die gibt es in unserer hochautomatisierten Wirtschaft nicht in ausreichender Zahl, oder nur für entsprechend niedrige Bezahlung. Welche sich am Markt nur einpendeln kann, wenn man die Preiskonkurrenz mit den geringqualifizierten Einheimischen zulässt, was wiederum Sprengstoff in sich birgt. Das wird deshalb nicht geschehen. Also züchten wir uns sozialfinanzierte Ghettos von Abgehängten heran, wie die Franzosen. Mit allen Folgen.

Internationale Brigaden

Was tun? Die geschichtliche Erfahrung zeigt mehrere Wege, mit Bevölkerungsüberschüssen umzugehen. Migration fällt aus; die Menschen streben zu uns und nicht von uns weg, weil das Ghetto-Dasein auf Sozialhilfe materiell immer noch auskömmlicher ist als das unsichere Leben anderswo. Die Religion fällt nicht aus, aber sie empfiehlt sich auch nicht. Früher steckte man überzählige Söhne oft ins Kloster. Hilfsorden mit sozialen Aufgaben wären wohl das heutige Äquivalent. Aber solcherlei gibt es schon in muslimischen Gemeinden, und leider oft radikal durchsetzt. Das wird die Mixtur aus sozialem Abgehängtsein und verführerischer Gewaltideologie eher entflammen als neutralisieren.

Bleibt die dritte altbekannte Wahl: Man schickt die Söhne zur Armee. Und schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Ernsthaft die Fluchtursachen bekämpfen, wovon nun allweil die Rede ist, kann man nämlich nicht allein durch mehr Geld. Die Versorgung in den Flüchtlingslagern in der Türkei, in Jordanien, im Libanon kann man wohl verbessern. Die völlige Perspektivlosigkeit für junge Männer und ihre Familien kann man so nicht abschaffen. Denn auch dort und noch viel mehr als in Europa können die Flüchtlinge nicht in Arbeit und Ausbildung integriert werden. Der Zusammenbruch der Sozialstrukturen wäre die Folge. So verschiebt man die Ghettos nur vom einen Ort zum anderen. Die Flucht beenden wird man nur, indem man wieder Ordnung und Sicherheit herstellt in Syrien und im Nordirak. Durch Krieg und Sieg.

Weil es Europäern und Amerikanern selbst aber an Söhnen mangelt, deren Leben sie einsetzen wollen, in fernen Ländern, für fremde Interessen, weil sie auch müde sind und schwach an Kampfgeist, eigene Verluste und Rückschläge kaum ertragen wollen und werden, beschränkt man sich auf den Einsatz der Luftwaffe. Mit wenig Erfolg, bislang. Feindliche Stellungen kann man aus der Luft bekämpfen, Ordnung und Sicherheit am Wüstenboden aber nur herstellen mit Stiefeln im Sand.

Wo auf der einen Seite Militärtechnik im Überfluss vorhanden, aber die Bereitschaft, Blut einzusetzen, gering ist, auf der anderen an Manpower kein Mangel herrscht, liegt die Lösung auf der Hand: Ausbildung und Ausrüstung einer Exilarmee, Einsatz internationaler Brigaden im Bodenkampf gegen den IS. Die Vorbereitung wäre mit dem nötigen Willen zügig zu machen. Rekrutierung, Schulung in rudimentärem Nato-Englisch, militärische Grundausbildung am Kriegsgerät. In gesamteuropäischer Kraftanstrengung sollten fünfzigtausend Mann in einem Jahr zu schaffen sein. Bei totaler Luftüberlegenheit und guter Bewaffnung mit den schon vorhandenen Kräften vor Ort allemal genug, um dem IS seine territoriale Basis zu entreißen. Danach mag man sehen, wie man weiter mit dem Tyrann in Damaskus verfährt.

Strenge Disziplin

Nun zeigt sich freilich in den Erfahrungen, die vor allem die irakische Armee im Kampf gegen den IS bisher gemacht hat, dass es mit der schieren Zahl an Soldaten und Waffen nicht zu machen ist. Trotz Miliardeninvestitionen der Amerikaner ist diese Armee in der ersten Konfrontation mit den anfangs mäßig bewaffneten Milizen schnell auseinandergefallen. Mit offenkundigen Ursachen: Mangel an Führung und Mangel an Disziplin.

Das Offizierskorps war korrupt und feige. Man kennt die Erzählungen vom Fall der nordirakischen Städte wie Mossul. Als die Milizen anrückten, flohen die Offiziere, überließen ihre Soldaten, Tausende oft in durchaus verteidigungsfähigen Stellungen, ihrem Schicksal, die Stadt den plündernden, mordenden, vergewaltigenden Horden – mitsamt den dortigen Arsenalen an schweren Waffen. Feigheit vor dem Feind, die in Armeen mit Selbstachtung Kriegsgericht und Erschießungspeloton nach sich gezogen hätte. Den einfachen Soldaten wiederum fehlte es oft an Motivation, für das fremde, von den südirakischen Schiiten dominierte Regime in Bagdad den Kopf hinzuhalten. Flucht und Massendesertion waren die Folge.

Die alten Fehler wird man bei Aufstellung internationaler Brigaden zur IS-Bekämpfung nicht wiederholen dürfen. Solche Brigaden benötigen Korsettstangen, um sich im Kampf bewähren zu können. Den Befehl werden, jedenfalls zu Beginn, westliche Offiziere übernehmen, die ersten Operationen von Spezialeinheiten flankiert werden müssen. Mit deutlich geringerem Blutzoll allerdings, als wenn westliche Truppen selbst die Hauptmacht stellten, und ausschließlich unter Berufssoldaten. Ist auch das der europäischen Öffentlichkeit nicht zuzumuten, wird man auf Söldner und Fremdenlegionäre zurückgreifen müssen.

Für die Disziplin in der Truppe selbst kann man geeignete Anreize setzen. Die jungen Männer fliehen nach Europa zum Schutz für sich, aber auch für ihre Familien. Also wird man an diesem Hebel ansetzen müssen. Begrenzung des Rechts auf Familiennachzug auf diejenigen Syrer und Iraker, die in einer internationalen Brigade dienen, dann allerdings für die gesamte Familie, nicht nur Kinder, auch Geschwister, Eltern, die ganze Sippe, die dann freilich auf die jungen Männer entsprechenden sozialen Druck ausübt. Ahndung von Fahnenflucht und Befehlsverweigerung mit Verlust des Aufenthaltstitels, nicht nur für den Kämpfer, sondern alle Angehörigen. Bleibendes Aufenthaltsrecht für die Familien von Gefallenen, solange der Krieg dauert.

Kriegsrecht

Mit dem geltenden Asylrecht ist dergleichen nicht zu machen? Gewiss nicht. Das Recht wird man ändern müssen. Es bedarf ohnehin dringend der Anpassung. Praktikabel ist ein Grundrecht auf Asyl, wie Deutschland, und in dieser Form nur Deutschland, es kennt, nur dann, wenn der Asylstatus auf den einzelnen politisch, religiös, rassisch Verfolgten begrenzt wird, der ohnmächtiges Opfer eines mächtigen, ihn verfolgenden Staates ist. Solche Verfolgte sind naturgemäß kleine Minderheiten. Fliehen große Teile ganzer Völker, vor Krieg und Bürgerkrieg, sind es viele, und die vielen sind nicht ohnmächtig, jedenfalls nicht auf Dauer, mit geeigneter Hilfe. Ihr Status muss ein anderer sein als der des einzelnen politischen Aktivisten, dem in der Heimat Gefängnis, Folter, Hinrichtung drohen. Sie sind nicht nur Verfolgte, sondern potentielle Rekruten für das Eingreifen in den Krieg. Natürlich ist das Einmischung in Angelegenheiten anderer Länder. Aber im Krieg gegen den IS ist Europa ohnehin Partei, und nun auch selbst angegriffen.

Das Asylrecht muss de iure wieder werden, was es faktisch und traditionsgemäß die meiste Zeit hindurch war: Ein Gnadenrecht, das der aufnehmende Staat beliebig, das heißt, seinen Interessen entsprechend, gewähren oder entziehen kann. Diese Gnade verdienen hilflos Verfolgte gewiss. Aber aus den Hilflosen kann man Kämpfer machen, die ihr Land verteidigen oder zurückerobern können. Wer dies dann verweigert, wer nicht mit der Waffe in der Hand für sein Land eintreten will, ist nicht mehr Flüchtling, sondern Deserteur, und entsprechend zu behandeln. Der Rückweg nach Damaskus oder Bagdad steht jedem offen.

 


...mehr Lesen in den akademischen Blättern oder ganze Ausgaben als PDF?


Jetzt hier kostenlos Anmelden